20 Jahre zu spät

Anfang Jahr hat eine neue Ära begonnen. Knapp fünf Jahre nach der Volksabstimmung geht es nun um die Umsetzung des Veloweggesetzes. Euphorie ist dennoch fehl am Platz – die Velo-Offensive kommt 20 Jahre zu spät.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Kommentar, 02.02.2023

Die Schweiz muss velofreundlicher werden. Dafür müssen Kantone und Gemeinden unter Aufsicht des Bundes bis Ende des Jahres 2042 auf ihren Strassen ein nationales Velowegnetz von guter Qualität bauen.

So lautet der Volksauftrag, vom Parlament in ein Gesetz gegossen. Dafür kämpfte die Velolobby fast dreissig Jahre lang. Ist sie damit aber auch am Ziel angelangt?

Schmuddelkind Velo

Soviel vorweg: Die Umsetzung wird nicht einfach vonstatten gehen. Dafür ist das Land zu verbaut, zu stark motorisiert – und das Velo war zu lange das Schmuddelkind der Verkehrsplanerinnen und -planer.

Als Freizeitgefährt vielleicht noch akzeptiert, als Verkehrsmittel aber weitgehend ignoriert. Dieser Fehler der Vergangenheit rächt sich nun.

Vor bald dreissig Jahren machte Pro Velo (dazumal noch IG Velo) in Zürich für die regionale Raumplanung eine umfangreiche Bestandesaufnahme für ein Velowegnetz im bevölkerungsdichtesten Kanton der Schweiz.

Es war eine aufwendige ehrenamtliche Grundlagenarbeit, die von einzelnen Raumplanungsverantwortlichen und Behördenvertretern durchaus mit Respekt aufgenommen wurde. Arbeit notabene, für welche die Planer sonst selber viel Zeit hätten investieren müssen.

«Das Velo war zu lange das Schmuddelkind der Verkehrsplanerinnen und -planer.»

Es gab damals praktisch auch keine Richtschnur für die Planung von Veloverbindungen im Kanton, oder sie landete in Amtshaus-Schubladen. Wie auch die meisten Vorschläge der Velolobby.

Die bürgerliche Mehrheit verkannte sträflich lange die Chance des Velos als Staulöser. Belächelt – das Schmuddelkind. Lieber wurde weiter an Autobahnen gewerkelt und damit neue Auto-Verkehrsströme erzeugt.

Verschleppung hat Tradition

In den grossen Städten Basel, Bern und Zürich verbuchten die meisten Velo-Initiativen zwar einen Erfolg an der Urne – es gibt wohl nur wenig Volksanliegen, die über all die Jahre mit so deutlicher Zustimmung angenommen wurden.

Aber oft blieben sie unvollendet und die Umsetzungsfristen wurden verpasst. Nicht zuletzt wegen behördlichen Un- und fehlenden politischen Willens. Am deutlichsten war dies in der Stadt Zürich zu verfolgen.

Dort sollte das Velowegnetz 1994 fertiggestellt werden. Bis heute ist es ein Flickwerk geblieben und der Frust darüber nach wie vor gross. Mit ein Grund, warum gerade in der grössten Schweizer Stadt die Verkehrsgräben so tief sind.

Wegen des fehlenden politischen Willens und mangelnder Voraussicht stehen sich dort buchstäblich noch immer Autos, ÖV und der Veloverkehr im Weg – auf Kosten der Schwächsten – auch blutzollmässig.

«Der Traum ist ausgeträumt.»

«Immer grösser, immer breiter» titelte Velojournal schon vor zwanzig Jahren. Die Autos sind seither noch gewachsen – auch dank E-Modellen. Die meisten von ihnen sind überbreite, schwere Karossen, einfach nur leiser.

Velofahren wird trotz politischer Förderung und Popularität in der Bevölkerung zu Recht noch immer als gefährlich wahrgenommen. Kein Wunder, stagniert der Veloanteil auf tiefem Niveau.

Um den Veloverkehr von seiner «Randerscheinung» zu befreien, müsste im Umkehrschluss der Autoverkehr radikal zurückgebunden werden. Denn der Traum von der «friedlichen Koexistenz» zwischen Auto und Velo in den Städten ist einer aus dem letzten Jahrhundert. Er ist vorbei und ausgeträumt.

Verkehrswende und ÖV-Vernetzung als Chance

Mit der Verkehrswende und schlichtweg auch aus physischen Gründen wird das Velo in den Städten immer mehr zum Hoffnungsträger für den gesamten Langsamverkehr. Dabei hilft auch die Forderung nach grossflächigen Tempo-30-Zonen.

Bekanntlich hat auch der E-Bike-Boom viel Bewegung in die Veloplanung gebracht. Selbst die ländliche Schweiz könnte davon profitieren, nicht zuletzt dank unseres weltweit einmalig verknüpften ÖV-Netzes.

So wohnen 96 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer in der Velodistanz von fünf Kilometern zum nächsten Bahnhof. Damit liessen sich einige der Mobilitätsprobleme, auch die einer 9-Millionen-Schweiz lösen.

Mit dem Veloweggesetz wären die Voraussetzungen für ein intelligent verknüpftes Verkehrsnetz gegeben. Man muss nur wollen. Aber ein Spaziergang wird das nicht werden. Das zeigen die letzten dreissig Jahre.

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