Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
Blog,
13.12.2022
Velo- und Taxifahrer verbindet ein spezielles Verhältnis, mehr noch als mit anderen Verkehrsteilnehmenden. Besonders gut beobachten lässt sich das in Wien.
Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
Blog,
13.12.2022
Bei einem kürzlich Besuch in Wien kam mir der Verkehrsforscher und Visionär Hermann Knoflacher in den Sinn. Derjenige, der etwa mittels eines simplen Holzrahmens in Form einer Autokarrosserie durch die Strassen Wiens lief und damit gegen die Absurdität des automobilen Platzfressers in den Städten demonstrierte.
Konsequenterweise war er Vordenker der nun auf Eis gelegten autofreien Wiener Innenstadt. Der Professor für Verkehrswissenschaften bezeichnet das Auto als Virus, dessen Geschwindigkeit dem Menschen keinerlei Nutzen bringt.
Einmal sagte er sinngemäss, die Velofahrer seien die Nachkommen der edlen Herrenreiter und die Autofahrer jene der Kutscher. Was gerade in Wien eine Provokation ist, weil es Kutscher und Autos dort zur Genüge hat.
Hermann Knoflacher in seinem berühmten «Gehzeug». (Foto: Muhwiki, Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0)
Als Reisende mit viel Gepäck unterwegs, besteigen wir ein Taxi. Nicht nur wegen dem Perspektivenwechsel, sondern weil man beim Reden auch in die Volksseele gucken kann.
Interessant ist dabei immer auch der Blick auf den Tacho. Der zeigt bei generell Tempo 50 ein Brausetempo von über sechzig Stundenkilometer durch die Wiener Innenstadt.
Kein Wunder, die Ringstrasse ist eigentlich eine dreispurige Stadt-Autobahn. Nun gibt es aber auch in Wien seit neustem Tempo-30-Zonen. Nur wird auch dort die Geschwindigkeit nicht deutlich gesenkt – nur knapp unter Tempo 50, wie der prüfende Blick zeigt.
Dazu bemerkt Kollege und Jurist Johannes Pepelnik, dass man die Autofahrer, bzw. Taxifahrer dafür nicht belangen könne. Sie würden halt einfach ihre Grenzen ausloten. Man müsse die Automobilistinnen und Automobilisten mit baulichen Mitteln dazu zwingen, langsam zu fahren.
Und frei nach Knoflacher die Innenstadt möglichst vom Autoverkehr befreien. Für Velofahrende ist es unter den gegebenen Umständen in Wien kein Zuckerschlecken. So sagte Pepelnik diesen Sommer gegenüber Velojournal: «Man fährt hier nicht wegen, sondern trotz der Infrastruktur Rad.»
Autofrei, wie hier am 1. Mai 2013, ist die Ringstrasse so gut wie nie. (Foto: Gugerell, CC0)
Zurück zum Taxifahrer. Er ist geübt, fährt schon seit 19 Jahren. Nicht immer zu seinem Glück und selten stressfrei. Konflikte und Unfälle gehören zum Alltag, auch mit Velofahrenden. Das seien «ganz üble Kreaturen, undiszipliniert und frech», wettert er.
Als ich meinen Beruf offenlege und eine Lanze für die Zweiradgemeinde breche, wird er vorsichtiger. Und fragt mich, welchen Ausgleich ich denn in meiner Freizeit hätte. Ich erkläre ihm die Vorteile des Sporttreibens und Velofahrens – was jedoch ganz weit ausserhalb seines Blickfelds liegt.
Dafür hätte er keine Zeit – aber wegen dem Stress ein leichtes Magengeschwür. Der Mann tut mir leid, auch weil er ein guter Taxichauffeur ist und seinen Job ernst nimmt.
In Zürich sind wir wegen der Zugsverspätung zu einer Randzeit nochmals mit dem Taxi unterwegs. Der Fahrer wählt eine Strecke, auf der er Tempo-30-Zonen umfahren kann. Als ich auf dem kürzeren Weg beharre, fährt auch er dort deutlich über dem Maximaltempo – aber immer noch unter 40 km/h. Dabei motzt er nicht über Velofahrende – auch darum, weil zu dieser Nachtzeit keine unterwegs sind. Und weil auf beiden Seiten der Strasse einer der seltenen Zürcher Radwege verläuft.
Wir merken: Mehr Platz für Radwege, mehr Tempobeschränkungen und weniger Autos bedeuten weniger Stress für alle Verkehrsteilnehmenden.
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