Ein Monat SBB-Reservationspflicht

Seit Ende März gilt die Velo-Reservationspflicht auf den meisten Schweizer Zügen. Was sind die Auswirkungen? Wir ziehen eine vorläufige Bilanz.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Kommentar, 29.04.2021

Seit dem 21. März zahlen Velofahrende für den Velotransport neben einem gültigen Billett zwei Franken Reservation zusätzlich auf allen Intercity-Zügen von Freitag bis Sonntag. Nach wie vor ohne Reservation, aber mit einem gültigen Velo-Billett, kann im Regionalverkehr sowie in den Interregio-Zügen das Velo verladen werden. Zum Vergleich: Bis letztes Jahr galt eine Reservationsgebühr von fünf Franken auf den ICN-Neigezügen während der Saison.

Gegen die neuen und zum Teil noch detaillierteren Reservationsbestimmungen – etwa auf der Gotthardlinie – setzten sich 15 Organisationen zur Wehr (darunter auch Velojournal) und lancierten eine Petition. Bis heute haben diese knapp 35'000 Personen unterzeichnet. Durch die Reservationspflicht werde die Velomitnahme komplizierter und teurer, moniert die Allianz Petition Velo.

«Man fühlt sich an die Frühzeiten der Velomitnahme erinnert, wo jeder mit Velo als ungebetener Fahrgast angesehen wurde.»

Vielmehr sollen die SBB dafür sorgen, dass auf den beliebten Strecken des Freizeitverkehrs an den Wochenenden mit geeignetem Rollmaterial und Entlastungszügen genügend Platz für die Velos geschaffen wird. Die vielfach auch vom Parlament geforderte Kombination von Velo und Zug müsse endlich umgesetzt werden, verlangt die Allianz, der auch Pro Velo und der VCS angehören.

Wie sieht es nach einem Monat in der Praxis aus?

Beispiel 1

An einem sonnigen Sonntagabend Ende Februar (ein Monat vor dem Inkrafttreten der neuen Verordnung) ist der Zug von Luzern nach Zürich vollgestellt mit Velos. Alle verfügbaren Stellplätze seien besetzt, informiert mich der freundliche Zugbegleiter. Er entschuldigt sich und toleriert mein Gefährt im Gang, solange ich daneben stehe.

Beispiel 2

Ebenfalls an einem Sonntagabend Mitte April will ich in den IC von Zug nach Zürich einsteigen, komme knapp und werde am Perron barsch angeblafft: «Haben Sie eine Reservation?» Ja, ich habe ein Velo-GA und auch 25 Reservationsgutscheine, welche die SBB ihren Velo-Premium-Kunden geschenkt hat. Weil das alles etwas kompliziert ist, habe ich wohl den Sitzplatz nicht reserviert und werde nun wie ein Zechpreller abgewiesen und nehme den nächsten Interregio-Zug, wo es entspannter zu und her geht.

Beispiel 3

Am vergangenen Samstag fahre ich von Frauenfeld nach Zürich und will wie immer hinten einsteigen, wo der Familien- und Velowagen normalerweise zu stehen kommt. Der ist nun neu vorne zu finden, was auf der Anzeigetafel nicht angezeigt ist. Also nichts wie los und ganz schnell an die Zugspitze. Auf dem Weg folgt schon wieder der inzwischen sattsam bekannte Beamtenruf: «Haben Sie eine Reservation?»

Die um ein vielfaches freundlichere Kollegin des Zugbegleiters ruft mir zu, es seien alle Plätze schon voll und darum komplimentiert sie mich in einen freien Wagen. Ich zeige ihr meinen SBB-Premium-Velokunde-Gutschein, den sie zum ersten Mal sieht. Mein Rennvelo darf also mit, notdürftig eingehängt an der Haltestange im Eingangsbereich. Immerhin. Der Zug ist halbvoll, aber das einzige Veloabteil offenbar schon vollgepackt.

Fazit

Es soll hier nicht weiter die Rede sein von IR-Zügen, wo die Veloabstellplätze mit Koffern vollgepackt sind und zuerst Platz fürs Velo «freigeschaufelt» werden muss. Nein, grundsätzlich sind auch die SBB nicht zu beneiden. Dank Pandemie verkauften sie letztes Jahr massiv mehr Tageskarten als 2019 und müssen nun dafür sorgen, dass sie den Ansturm bewältigen können.

Mit der eingeführten Reservationspflicht haben sie aber bessere Kundeninformation auf dem Perron und ein einfacheres Ticketing versprochen. Davon ist bis anhin wenig zu spüren. Im Gegenteil: Man fühlt sich an die Frühzeiten der Velomitnahme erinnert, wo jeder mit Velo als ungebetener Fahrgast angesehen wurde.

«Als zahlende und treue Kunden möchten wir anständig behandelt und nicht von Zugsbegleitern im Gefängniswärter-Stil angebellt werden.»

Inzwischen bezahlen «wir» aber neben einer Tageskarte auch eine Reservationsgebühr pro Fahrt, was sich zusammenläppern kann. Bei täglich Pendelnden kann das bald einmal teuer werden. Absurd. Darum, liebe SBB: Wir schätzen nach wie vor Euren Service – aber als zahlende und treue Kunden möchten wir anständig behandelt und nicht von Zugsbegleitern im Gefängniswärter-Stil angebellt werden. Gerade in diesen Pandemie-Zeiten wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl angebracht sowie eine Umsetzung der Versprechen. Das würde viel Nerven sparen und von Wertschätzung gegenüber treuen Kunden zeugen.

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