Ein Blick hinter die Unfallstatistik

236 Menschen starben 2023 in der Schweiz bei einem Verkehrsunfall. Das sind im Vergleich zum Vorjahr etwas weniger. Nach wie vor hoch ist der Anteil der schwächsten Verkehrsteilnehmenden. Das wirft Fragen auf.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Kommentar, 22.03.2024

Anders als Auto-Insassen haben Velofahrerinnen und -fahrer keine Karosserie um sich, die sie bei Unfällen schützt. Während die aktive automobile Sicherheit laufend erhöht wird, ist der Schutz von Personen zu Fuss und auf dem Velo trotz akustischen Warnungen bei modernen Autos nach wie vor ein grosses Thema. Zudem drängen grössere Autos mit stärkeren Motoren die Schwächsten im Verkehr an den Rand.

Die höhere Verletzlichkeit widerspiegelt sich in der Unfallstatistik. So starben letztes Jahr in der Schweiz 26 Menschen bei einem Velounfall (+7 im Vergleich zum Vorjahr). 42 Zu-Fuss-Gehende wurden bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt (davon 24 Menschen auf dem Fussgängerstreifen). Mit 733 Personen haben sich zwar etwas weniger Radfahrende schwere Verletzungen zugezogen, die Unfallzahlen bleiben jedoch seit Jahren hoch.

Unrühmliche Statistik

Zu denken sollte uns aber geben, dass laut Statistik knapp 66 Prozent der schwerverunfallten Velofahrerinnen und -fahrer den Unfall selbst verursacht haben. «Wichtigste Hauptursache in diesen Unfällen war Unaufmerksamkeit und Ablenkung», schreibt das Astra im Bericht zur Unfallstatistik.

Als Alltagsvelofahrer ist mir unverständlich, warum man sich beim immer komplexeren Verkehr per Handy und Kopfhörer abkapselt. Was ja verboten ist. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass wir uns dabei selber am meisten gefährden, während gefühlt jede zweite Person hinter dem Lenker das Handy in der Hand hält und die Zu-Fuss-Gehenden gefährdet.

Es fehlt an guter Veloinfrastruktur

Dass sich derart viele Menschen bei Zweiradunfällen schwer verletzen, wirft auch ein Schlaglicht auf die Veloinfrastruktur in der Schweiz. Die Qualität der hiesigen Velowege ist vielerorts schlecht: Radstreifen enden plötzlich im Nichts, Signalisationen sind verwirrend oder Kreuzungen kaum zu überwinden.

Das ist an sich nichts Neues, wirft aber im Post-Coronazeitalter dringende Fragen auf. So bleibt die Frage: Wie verzeiht unsere Verkehrsinfrastruktur Fehler? Zuwenig, das ist klar. Während in den Niederlanden Unfallpunkte auf die Schwächsten hin analysiert und verbessert werden, herrscht in der Schweiz noch meistens die Windschutzscheibenoptik. Autoverkehr optimieren, möglichst nicht behindern.

Heilige Kuh ÖV?

Dazu gehört auch der öffentliche Verkehr. Ein Schlaglicht darauf werfen drei tödliche Unfälle innert drei Tagen Anfang März in der Stadt Zürich. In alle war jeweils ein Tram involviert, zwei Menschen zu Fuss und einer auf dem Velo starben.

Die Unfälle waren unterschiedlicher Natur, aber sie zeigen, wie wenig es für fatale Folgen braucht. Und wie wenig fehlerverzeihend auch der hochgelobte öffentliche Verkehr in der Schweiz ist. Zudem befeuern diese tragischen Unfälle die Diskussion um Tempo 30 auf Hauptstrassen, wogegen sich die Verkehrsbetriebe in Zürich ja vehement wehren. Aber: Vielleicht könnte auch dort der Tritt vom Gaspedal Leben schützen?

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