Pedalieren Richtung Akzeptanz

Veloweggesetz und neue Flächenaufteilung nützen wenig, wenn diese Regeln von der Öffentlichkeit nicht respektiert werden. Was es für mehr Akzeptanz gegenüber dem Veloverkehr braucht, zeigt eine Studie der ETH Zürich.

Aline Künzler

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
News, 13.09.2024

Viel mehr als «nur E-Bikes» umfasst das Projekt «E-Bike City» der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Die Hälfte der Verkehrsfläche in der Stadt wird dabei dem Langsamverkehr zugesprochen. Was mit dieser Vision erreicht werden kann, zeigen verschiedene Forschungsansätze und Simulationen des Projekts.

Der Fokus liegt dabei auf der Stadt Zürich. Die Erkenntnisse können aber auf alle Schweizer Städte mit mehr als 50'000 Einwohnerinnen und Einwohner adaptiert werden.

Velo als politisches Vehikel

Ein Forschungsaspekt des «E-Bike-City»-Projekts ist die Öffentliche Meinung und wie sich diese verändern kann. Dieses komplexe Thema wurde am «Forum Netzwerk Stand und Landschaft» von Michael Wicki vorgestellt. Er identifiziert mit seiner Forschung an der ETH die verbreiteten Einstellungen für und gegen den Veloverkehr.

Dafür führt er eine Umfragereihe in der Schweizer Bevölkerung durch. In einer ersten Umfragewelle teilten fast 10’000 Befragte anhand eines Fragebogens ihr Mobilitätsverhalten und ihre Einstellung dazu mit. Dabei musste das eigene Einverständnis mit neuen Richtlinien wie etwa «Tempo 30» bewertet werden.

Wicki konnte anhand dieser Erhebung feststellen, dass Frauen, Personen mit höherer Bildung, Menschen aus dem urbanen Raum und Jüngere eher positiv gegenüber dem Velo und einer breiteren Flächenumnutzung zugunsten des Zweirads eingestellt sind. Markanter als die Unterschiede zwischen den soziodemografischen Gruppen sind aber die Meinungsunterschiede von Personen unterschiedlicher politischer Orientierung.

Sich politisch links einordnende Umfrageteilnehmer sprechen sich klar für die Umnutzung von Verkehrsflächen zugunsten des Velos aus. Gleichzeitig zeigen die Umfragen des ETH-Projekts eindeutig, dass politisch rechts orientierte Menschen klar gegen eine solche Veränderung sind. Das Velo bleibt so gesehen klar ein politisches Vehikel.

Mit dem Velo zum Klimaziel

Bemerkenswert ist, dass trotzdem alle Bevölkerungsgruppen den klimapositiven Beitrag des Velos bejahen und weiter ausbauen wollen. Ob links oder rechts, alt oder jung – die grosse Mehrheit der Umfrageteilnehmerinnen gibt an, dass das Velo ein effektives Mittel zur Erreichung des Klimaziels ist.

Die Effektivität des Velos als klimaschonendes Verkehrsmittel ist unbestritten. Wie dies aber auf die Strasse gebracht werden kann, ist weitaus komplexer. Dafür braucht es mehr öffentliche Akzeptanz. Die positive Wirkung aufs Klima alleine scheint dafür nicht zur reichen.

Akzeptanz dank Visualisierung

In einer zweiten Umfrage beantworteten die Probandinnen ähnliche Fragen anhand des Vergleichs von zwei Bildern. Dabei mussten sie ihre Bereitschaft, in der abgebildeten Situation zu leben, bewerten. Die Bilder zeigen Schweizer Strassen im Zustand vor und nach baulichen Massnahmen zugunsten des Veloverkehrs.

Eine Strasse auf Stadtgebiet wurde etwa mit dem aktuellen Tempo 50 km/h und einer Darstellung als 30er-Zone verglichen. Die Akzeptanz gegenüber der Umsetzung von Massnahmen zugunsten des Veloverkehrs war bei dieser zweiten, veranschaulichten Umfrage deutlich höher – und zwar in allen Bevölkerungsgruppen.

Eine spezifische, greifbare Implementation scheint viel eher befürwortet zu werden als ein trockenes Gesetz. Der Verkehrsforscher Wiki hält fest, dass Veränderung für den Menschen von Natur aus unangenehm ist. Daher braucht es bestmögliche Kommunikation, am besten visueller Art, um mehr Verständnis und dadurch eine höhere öffentliche Akzeptanz zu erreichen.

Die Fragebogen und erste Ergebnisse zum erwähnten Projekt sind im Schweizer Mobilitätspanel zusammengefasst und öffentlich einsehbar.
Wie die Zürcher Strassen gemäss der Vision der E-Bike City Projektes aussehen sollen, kann auf der interaktiven Projektwebsite  ausprobiert werden.

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