Autofrei? – So gehts!

Nach einer wechselvollen Geschichte scheinen autofreie Tage an Schweizer Pässen nun endlich angekommen zu sein. Wie man gleich ein Velofest veranstaltet, zeigte sich am letzten Sommersonntag am Klausenpass.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Kommentar, 22.09.2022

Man durfte gespannt sein. Denn nachdem sich Sponsor Ochsner Sport im Frühling 2022 nach einem positiven Fazit im vergangenen Jahr überraschend zurückgezogen hatte, sprang die lokale Organisation Klausen Monument in diese Lücke.

So war der Klausen am 11. September zum achten Mal wiederum für ein paar Stunden autofrei. Von Linthal und von Unterschächen aus konnte auch diesmal wieder ohne Motorenlärm pedaliert und die landschaftlichen Reize des Passes genossen werden.

Bei besten Wetterbedingungen (kurz zuvor hatte es noch geregnet) kamen die Velofahrenden denn auch in Scharen. Laut Veranstalter waren es 4000 Personen. «Wir hatten 3700 Anmeldungen und von Hand zählten wir diese Rekordzahl», sagt Marco Frei vom Organisationskomitee gegenüber Velojournal.

Erfolgsfaktoren lokale Verankerung und Enthusiasmus

Welche Faktoren führten neben dem Wetterglück zu diesem Erfolg? Da ist zum einen die lokale Verankerung und die Zusammenarbeit mit Uri Tourismus und Visit Glarnerland, die den Verein Klausen Monument unterstützen und politisch absichern.

Man erinnert sich: An lokalen Befindlichkeiten war die Initiantin Freipass jahrelang aufgelaufen. Gewisse Gastronomen wollte sich von Aussenstehenden keinen Velo-Anlass aufzwingen lassen. Dabei hatten sie übersehen, welchen Mehrwert ein solcher Event der Region bringen kann. So brauchte es verschiedene Anläufe, bis der richtige Mix gefunden wurde.

Der Aufwand darf nicht unterschätzt werden: 50'000.– Franken mussten für «Klausen Monument» aufgetrieben werden.

Nachdem Schweiz Tourismus vor acht Jahren versprochen hatte, sich für autofreie Anlässe einzusetzen, fiel die Bilanz der Ride-the-Alps-Events mit den Sponsoren Coop und Ochsner Sport durchzogen aus. Zu kompliziert, zu marketingtechnisch aufgezogen – am Publikum vorbei.

Der Verein Klausen-Monument hat nun gezeigt, wie man es machen muss: Ein engagiertes OK hat mit Dutzenden von Freiwilligen den Anlass in kurzer Zeit auf- und durchgezogen.

Dennoch darf der Aufwand dafür nicht unterschätzt werden: 50'000.– Franken mussten aufgetrieben werden – Unterstützung kommt von Organisationen und privaten Spenderinnen und Spendern. Mit dem Geld werden Samariter, Verkehrskadetten und die Polizei bezahlt. Dank Zuschüssen aus Sporttoto, den Spenden und einem erfolgreichen Verkauf der «Cycling Caps» rechnen die Organisatoren aktuell damit, dass unter dem Strich ein bescheidener Gewinn übrig bleibt. «So werden wir uns vielleicht sogar eine kleine Entschädigung für die vielen Stunden auszahlen können», sagt Marco Frei.

Muntermacher auf dem Weg zum Gipfel

Zur guten Stimmung trugen auch die Muntertmacher-Tafeln am Strassenrand bei – Gross und Klein fühlte sich willkommen. Dass um 15 Uhr die letzte Bratwurst auf dem Pass verspeist war, konnte die Stimmung nicht trüben und trieb auch dem Hotel-Klausenpass-Wirt ein zufriedenes Lächeln ins Gesicht.

Gross auch die Erleichterung beim OK, dass der Anlass reibungslos über die Bühne gegangen war. Vor allem die Anfahrt der Tausenden von Velofahrenden hatte im Vorfeld den SBB Sorgen bereitet. Damit diese genauer planen konnten, musste man sich für den Gratis-Anlass registrieren. So warnten die Bundesbahnen schon Tage im Voraus, dass «die Velomitnahme» auf den Zufahrtsstrecken nicht gewährleistet sei.

Deshalb sah man wohl auch auf dem Weg nach Linthal viele Autos mit aufgepackten Veloträgern. In den Zügen waren die Velos dennoch relativ gut verteilt. Ganz anders auf der Rückreise vom Bahnhof Flüelen, wo schon Dutzende mit ihren Velos auf dem Perron warteten und sich anschliessend in die kleine S-Bahnkomposition zwängten.

Nadelöhr Velomitnahme

Zudem stiegen in Sisikon Besucher eines grossen Events zu, was das Chaos komplettierte. Dennoch organisierten sich die Velofahrenden und die anderen Gruppen konfliktfrei und einer «natürlichen Ordnung» entsprechend. Das Komitee verspricht, mit den Behörden den Kontakt zu suchen, um die nächstjährige Ausführung noch besser planen zu können.

Bei allem Lob darf nicht vergessen werden, dass die Schweiz mit ihren schönen Pässen bei den Autofrei-Anlässen ein Stiefkind ist. Italien bringt es auf 32, Frankreich auf 26, die Schweiz auf 6, Österreich auf 3 Tage.

Wir sind also noch sehr weit entfernt vom euphorischen Ausspruch von Ex-Bundesrätin Doris Leuthard im Vorfeld zur Abstimmung des Veloweggesetzes. Dort sagte sie: «Ich befürworte Velo-Tage auf Passstrassen. Jedes Wochenende sollte ein Pass für die Velofahrer reserviert werden».

Zwischen schönen Politiker-Worten und den Menschen, die solche Anlässe mit viel Herzblut initiieren und organisieren liegen Welten. Der Klausen-Anlass hat gezeigt, dass eine solche Welt existiert.

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