Auf Verlangen der SVP haben der Nationalrat und der Ständerat kurz vor Weihnachten eine Motion zum Ausbau der Autobahn A1 auf mindestens sechs Spuren auszubauen, gutgeheissen. Das betrifft die Abschnitte zwischen Bern und Zürich sowie Lausanne und Genf.
Der Nationalrat hatte die Motion von Erich Hess mit 94 zu 87 Stimmen vergleichsweise nur knapp angenommen. Im Ständerat fiel der Entscheid mit 31 zu 12 Stimmen aber deutlich. Die «Chambre de Reflexion» zeigt sich in neuer Formation damit deutlich autofreundlicher als in der vergangenen Legislatur. Damit wird bereits jetzt sichtbar, wohin das neue Parlament steuert: mehr Autobahnbau, eine Neuauflage der AKW-Planung, weniger Ökologie.
Symbol dafür kann der kürzlich erlassene Wolfsrudel-Abschuss gedeutet werden, den Bundesrat Albert Rösti gegen den Willen seiner Experten im Departement durchgeboxt hatte. Logisch sind auch die auf den Fuss gefolgten Einsprachen der Umweltverbände, welche das Halali vorläufig gestoppt haben. So oder so ist es nicht gerade ein Ruhmesblatt für den «netten Herrn Rösti», der hier wohl einen Kniefall vor der Jäger- und Bauernlobby vollführte.
«So erstaunt es nicht, dass gerade punkto Mobilität wieder alte Rezepte aus der Mottenkiste genommen werden.»
Das Vorgehen dürfte bei einer Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer für Stirnrunzeln und Kopfschütteln gesorgt haben. Immerhin hatte die Stimmbevölkerung 2020 noch eine Lockerung des Wolfsschutzes abgelehnt.
Autolobby auf dem Durchmarsch
Mit dem erfolgten Rechtsrutsch vom letzten November spüren die oben genannten Lobbyisten wieder Oberwasser. Viele der überparteilich erarbeiteten Kompromisse werden über Bord geworfen, der Ausstieg aus der Atomenergie etwa infrage gestellt. So erstaunt auch nicht, dass auch punkto Mobilität wieder alte Rezepte aus der Mottenkiste genommen werden. Es ist verführerisch, bei sich wandelnden Machtverschiebungen eine Durchmarschparole durchzugeben, das ist ein oft gesehenes politisches Merkmal. Ist sie aber auch richtig?
Das darf gerade beim kürzlichen Beschluss zu mehr Autobahnen bezweifelt werden. Wie bekannt, erzeugen mehr Strassen mehr Verkehr. «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten», dieser Spruch stimmt noch immer. Vielmehr müsste die Mobilität gerade heute intelligent gesteuert werden. Etwa durch Anreize zum Umstieg auf den ÖV, dessen Ausbau vorangetrieben werden sollte. Das erfolgt in der Schweiz zwar auf ansehnlichem Niveau, aber mit den massiven Investitionen in den motorisierten Individualverkehr werden diese Bemühungen jetzt wieder zunichtegemacht. Einmal mehr wird in den Mobilitäts-Supermarkt investiert. Und das Velo, wie fast immer, vergessen.
«Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten.»
Das Velo als dritte Mobilitäts-Säule fehlt
Seit fünf Jahren hat die Schweiz das fortschrittlichste Veloförderungesetz der Welt. In den Köpfen der Politiker (bewusst in männlicher Form) scheint dies noch nicht angekommen zu sein. Zwar haben die Kantone und Gemeinden die Aufgabe, ihre Vorschläge zur Veloförderung bis in zwei Jahren zu präsentieren. Wir sind in der Politik jedoch weit davon entfernt, das Velo als dritte Mobilitätsäule ernst zu nehmen. Noch immer wird es meistens mit Freizeitmobilität in Verbindung gebracht, die Alltags-Veloförderung gerne den Städten überlassen.
Dabei sitzt die Schweiz auf einem ungehobenen Mobilitätsschatz: 97 Prozent der Schweizer Bevölkerung wohnen im Umkreis von fünf Kilometern zu einem Bahnhof, wie die Recherchen von Velojournal basierend auf Zahlen des Bundesamts für Statistik ergeben haben. Das ist eine klassische Velodistanz, die mit dem populären E-Bike erst recht problemlos zu überwinden ist.
Das Bundesamt für Strassen Astra hat dies zwar aufgenommen und einige Szenarien erstellt. Es kommt zum Schluss, dass eine Verkehrsentlastung von bis zu zehn Prozent möglich wäre. Das ist nicht nichts! So richtig wahrgenommen hat man dies offenbar im Departement Rösti aber noch nicht. Dort plaudert der nette Albert in Sonntagsreden, wie wichtig ihm das Velo ist. Bauen will er aber Autobahnen.
So wird sich die Velo-Lobby auch in den nächsten Jahren mächtig anstrengen müssen, damit ihre Stimme gehört beim Motorengedröhne gehört wird. Gerade jetzt.