Veloweggesetz kontra Autobahn-Nein

Höhepunkt des jährlichen Velobranchen-Treffs Infotech ist jeweils das Podiumsgespräch. Diesmal ging es um die Veloförderung nach dem Autobahn-Nein im November. Erwartungsgemäss gingen die Meinungen auseinander.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
News, 16.01.2025

Ursula Wyss, Alt-Nationalrätin und Architektin der Stadtberner Velo-Offensive, stellte in ihrem Input-Referat zwei gewichtige Abstimmungen in den Vordergrund: das Volks-Ja mit 73 % von 2018 zum Bundesbeschluss Velo und das Volks-Nein zu mehr Autobahnen vom 24. November 2024. Dieses «verkehrspolitische Erdbeben» und das Ja zur Veloförderung in der Verfassung seien gleichermassen verpflichtend: «Das Stimmvolk hat an der Urne entschieden, dass es mehr Veloverkehr will».

Laut Befragungen würden 60 Prozent der Bevölkerung gerne mehr Radfahren, so Wyss. Die Politik stehe nun in der Pflicht, dieser Forderung nachzukommen und eine entsprechende Infrastruktur bauen zu lassen. Das müsse mit Nachdruck eingefordert werden. Das gelte nicht nur für Verbände und die Velolobby, auch die Branche sollte aus Selbstnutz auf mehr Veloförderung pochen.

Nicht zufällig hiess das Gesprächsmotto «No Trails – No Sales», übersetzt – wo es keine Velowege und Biketrails gibt, werden auch keine Velos verkauft. Trotz Veloweggesetz ist es noch immer ein langer Weg zu idealen Verhältnissen, wie etwa in den Niederlanden. Catherine Elliot, Leiterin des ETH-Projektes «E-Bike City», in welchem die Möglichkeiten Zürichs als Fahrradstadt analysiert werden, konstatierte, dass «eine nicht existente und gefährliche Veloweginfrastruktur abschreckend wirkt». Sie wünscht sich, dass die Städte bezüglich Veloinfrastruktur experimentierfreudiger wären beim Vorwärtsmachen für bessere Veloverhältnisse. «Änderungen in zehn Tagenn, nicht in zehn Jahren.» Do it, statt Perfektion, lautete die Losung aus dieser Ecke.

«Das Stimmvolk hat an der Urne entschieden, dass es mehr Veloverkehr will.»

Ursula Wyss

Negative Auswirkungen für den sanften Verkehr?

Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für Strassen Astra sprach sich dafür aus, die Verkehrsträger – zum Beispiel Auto und Velo – nicht gegeneinander auszuspielen. Er warnte davor, das Velo zu überbewerten: «Das Velo kann die Welt nicht retten». Im Übrigen sei das Abstimmungsresultat vom letzten November für die Umsetzung des Veloweggesetzes eher hinderlich.

Auf redaktionelle Nachfrage sagt Röthlisberger, «dass das Nein zum punktuellen Ausbau der Autobahnen negative Auswirkungen gerade auch für den Langsamverkehr haben kann». Denn die Schweizer Autobahnen dienten in allererster Linie der Verkehrsentlastung der Agglomerationen, Städte und Dörfer. Entsprechend könnten diese nun unter unerwünschtem und gefährlichem Ausweichverkehr leiden. Und mit ihnen die Veloförderung.

«Das Velo kann die Welt nicht retten.»

Jürg Röthlisberger, Direktor Bundesamt für Strassen Astra

Ursula Wyss hingegen will vorwärtsmachen und das Velopotenzial ausschöpfen: Laut dem deutschen Fraunhofer Institut lägen 45 % mehr Veloverkehr drin, das Astra zielt mit der Roadmap Velo den Veloweganteil bis 2035 auf 16 % zu steigern (heute 8 %). Trails und Veloverbindungen müssten vor der Haustüre beginnen. Eine Verdoppelung der Velowege mit entsprechender Infrastruktur als realistisches Ziel, da war sich die Runde einig.

Bevölkerung gegen Biketrails

Der Elefant im Raum kam in der Fragerunde zum Vorschein. Bei der Diskussion unter Moderator Christian Rocha und beim Thema «MTB-Rückbauten (Röthlisberger)» über neue Gesetze kam Bewegung ins Publikum. Solothurn diskutiert zurzeit über Bike-Einschränkungen bei der Trailnutzung, im Kanton Zug sprach sich das Stimmvolk im vergangenen November für eine restriktivere Politik aus. Die im Publikum sitzende MTB-Spitzenfahrerin Natalie Schneiter, die in Leserbriefspalten von grüner Seite angegriffen wurde, sprach deshalb von einem «Veloproblem» in Solothurn. Es sei der Velobewegung nicht förderlich, wenn urbane Velofahrer zu MTB-Gegnerinnen und -Gegnern würden.

Röthlisberger konstatierte, dass Velofahren halt noch oft als «Links-Grünes Anliegen» angesehen werde, während es für Ursula Wyss als Gesellschaftsprojekt allen dient. Am Beispiel Waldgesetz(e) plädierte der Astra-Direktor dafür, dass solche Entwicklungen zum demokratischen Prozess gehörten, aber man sich einbringen müsse. Nutzt eure Organisationen, war sein Schlusswort. Die Ex-Politikerin Wyss brachte das Parlament, generell die (politische) Vernetzung ins Spiel.

Catherine Elliot möchte mehr Marketingmittel fürs Velo und mehr GPS-Daten für die Veloforschung. Und ans Velomechanikerinnen-Publikum gerichtet, wünscht sie sich mehr absenkbare Sattelstützen. Das sei ein geniales Mittel, um Unsichere aufs Velo zu bringen.

Fazit

Der Abend zeigte einmal mehr eine diverse Veloszene. Auf der einen Seite zwei engagierte, erfahrene Frauen. Auf der anderen der kühle Astra-Technokrat, der den Verkehr zwar verwalten und den Veloverkehr fördern will, aber keine neuen Rezepte nach dem Autobahn-Nein hat. Das ist vielleicht auch nicht seine Aufgabe.

Dennoch ist es mehr denn je nicht gottgegeben, dass der Verkehr endlos zunimmt. Im Gegenteil: Die Vox-Nachbefragung zum Autobahn-Nein vom November belegt, dass Umweltbedenken der Hauptgrund für die Nein-Stimmen der Stimmbevölkerung waren. Das ist ein klarer Auftrag an Politik und Verwaltung. Dem Veloverkehr, vor allem in Verbindung mit dem ÖV «muss» in Zukunft viel mehr Platz eingeräumt werden. Das ist nicht links-grüne Utopie, das ist schlicht verkehrspolitische Vernunft – und dem Volkswillen geschuldet.

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