Hänschen fährt Velo, Hans sitzt im Tram

Kinder und Jugendliche fahren heute mehr Tram, Bus und Zug als noch vor zwanzig Jahren. Dafür fahren sie weniger Velo. Das zeigt eine neue Auswertung der Bundesämter für Gesundheit (BAG), Sport (BASPO) und Strassen (ASTRA).

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10.09.2019

Die Mobilität ist im Wandel. Davon zeugt besonders auch die Art und Weise, wie Kinder und Jugendliche ihre Schul- und Freizeitwege zurücklegen. Wie stark sich die Fortbewegung der 6- bis 20-Jährigen in den letzten zwei Jahrzehnten verändert hat, zeigt eine Analyse der Bundesämter für Gesundheit (BAG), Sport (BASPO) und Strassen (ASTRA).

Wenig Veränderung bei den Jüngsten

Die Mobilität der Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren nur leicht verändert. Sie legen knapp über die Hälfte (52%) ihrer Wege zu Fuss zurück. Jede zehnte Strecke wird mit dem Velo gefahren. Acht Prozent der Wege werden mit dem ÖV absolviert. Auf etwas mehr als einem Viertel ihrer Wege (28%) werden die Kinder an ihr Ziel chauffiert.

In dieser Alterskategorie hat das Fahrrad seit 1994 am wenigsten Attraktivität als Verkehrsmittel eingebüsst. Sein Anteil an den zurückgelegten Wegen sank um knapp ein Drittel.

Je näher die Schwelle des Erwachsenenalters rückt, desto mehr tritt das Velo als Verkehrsmittel in den Hintergrund.

Moderate Verschiebung in der Mitte

In der Altersgruppe der 13- bis 15-Jährigen präsentiert sich die Situation bereits etwas anders. Hier wird rund ein Drittel der Wege zu Fuss zurückgelegt. Knapp jeder fünfte Weg (19%) ist einer mit dem Velo. 1994 legte diese Alterskategorie jedoch noch jede dritte Strecke (32%) mit dem Fahrrad zurück.

Die gesunkenen Veloanteile sind über die Zeit durch Wege zu Fuss, mit dem ÖV und dem Auto ersetzt worden, schreiben die Autoren in ihrer Analyse.

Paradigmenwechsel bei den Ältesten

An deutlichsten verändert hat sich das Mobilitätsmuster von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die 16- bis 20-Jährigen legen heute viel mehr Wege mit Tram, Bus und Zug, aber auch zu Fuss zurück. Die ÖV-Wege haben seit 1994 um 42% zugenommen, die Fusswege um 29%.

Der Veloanteil sank in dieser Zeit jedoch um zwei Drittel. Heute werden von dieser Alterskategorie lediglich sechs Prozent der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt.

Mit Blick auf das Mobilitätsverhalten der jungen Erwachsenen fällt in der Studie das Stichwort «Paradigmenwechsel»: weg vom Velo, hin zum ÖV und Zu-Fuss-gehen.

Der ÖV ist stark in der Schweiz.Der ÖV läuft dem Velo den Rang ab.

Die Autoren liefern auch eine mögliche Erklärung für die Veränderung. So könne davon ausgegangen werden, dass die Ausbildungswege länger würden. Die grösseren Distanzen würden nicht mit dem Velo, sondern im ÖV zurückgelegt, heisst es in der Studie. Ein Motorfahrzeug sei in dieser Altersgruppe häufig noch nicht vorhanden.

Weil der Weg zur Bushaltestelle oder vom Bahnhof zur Schule häufig zu Fuss erfolgt, steigt mit dem ÖV auch der Anteil des Fussverkehrsanteils an den Wegen. Gleichzeitig wurde der ÖV in den vergangen zwei Jahrzehnten stark ausgebaut, was wiederum seine Attraktivität erhöht – und das Zu-Fuss-gehen fördert. Und das nicht nur auf dem Weg zu Schule und Ausbildung, sondern auch in der Freizeit. 

Kommentar

Als Sport- und Freizeitgerät mag das Velo nach wie vor beliebt sein: Als Verkehrsmittel hat es bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen aber stark an Bedeutung verloren. Der Rückgang der Fahrradnutzung hat verschiedene Gründe. Sicherheitsbedenken der Eltern spielen eine Rolle, genau so wie die immer länger werdenden Wege zu Schule und Ausbildung. Entscheidend ist auch, dass das ÖV-Angebot seit 1994 in den Städten und grossen Agglomeration massiv ausgebaut wurde. Die Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr stehen in keinem Verhältnis zu jenen in die Veloinfrastruktur. Das muss sich ändern.


Über die Studie

Die Analyse basiert auf den Mikrozensusdaten «Mobilität und Verkehr» von 1994, 2000, 2005, 2010 und 2015 des Bundesamtes für Statistik und des Bundesamtes für Raumentwicklung. Einbezogen wurden die Mobilitätsvoraussetzungen, also etwa die Verfügbarkeit von Velos oder Abonnementen des öffentlichen Verkehrs und die Verfügbarkeit der Haushalte für Autos. In die Analyse eingeflossen sind auch die Weglängen und die Verkehrsmittelnutzung – dargestellt nach Zweck und differenziert nach Schul- und Freizeitwegen, Alter, Geschlecht, Landesteil und weiteren Kriterien.

 

Update: 18.09.19

Fotos: ZVG