Hin und Her im Landwassertal

Wer die Situation für Velofahrende verbessern will, braucht oft einen langen Atem. Das zeigt das Beispiel Davos, wo eine bewährte Lösung auf sich warten liess.

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Fabian Baumann
26.06.2019

Im Sommer ziehts Wanderer und Bikerinnen ins Landwassertal. Letztere kommen immer zahlreicher nach Davos. Ein Grund dafür ist, dass Tourismusanbieter im Ort und Bergbahnen seit einiger Zeit  stark auf das Mountainbike setzen. Mit der steigenden Anzahl VelotouristInnen nahmen auch die Probleme zu. So berichtete die Zeitung «Südostschweiz» 2013 über Velofahrer und Bikerinnen, die sich «illegal» verhielten. Sie radelten auf der Promenade – einer Hauptverkehrsachse in Davos – in verbotener Richtung und kämen so dem Bus in die Quere. Das Problem: Zwischen Davos Dorf und Davos Platz gilt Einbahnverkehr. Auf der Promenade gehts nach Süden, auf der Talstrasse nach Norden. Die Busse verkehren jeweils in Gegenrichtung auf einer eigenen Spur. Edi Rölli, Geschäftsführer von Pro Velo Graubünden, hielt vor sechs Jahren in einem Leserbrief an die «Südostschweiz» fest: «Davos ist im Talboden hervorragend geeignet für den Veloverkehr, wäre nicht das seltsame Verkehrsregime, das die Velofahrenden zu grossen Umwegen mit unnötigen Höhendifferenzen zwingt. Die vielen ortsunkundigen VelotouristInnen zeigen mit ihrem ‹unkorrekten› Verhalten, was andernorts üblich ist und mit einigen flankierenden Massnahmen auch in Davos gefahrlos möglich wäre.» Rölli meinte das Befahren einer Einbahn im Gegenverkehr. Etwas, das für Velos vielerorts seit Längerem möglich ist.

Langer Atem

Diese Bikesaison stellt sich die Situation anders dar. Seit Januar 2019 ist auf der Promenade und der Talstrasse Velo-Beidrichtungsverkehr erlaubt. Stellt sich die Frage, weshalb die Umsetzung so lange dauerte. «Der Velo-Beidrichtungsverkehr in Davos ist eine beinahe 30-jährige, zum Teil traurige Geschichte», zieht Christian Thomann Bilanz. Er ist Pro-Velo-Mitglied und sitzt für die EVP im Grossen Landrat von Davos. Er weiss, wovon er spricht, beschäftigte das Thema das Davoser Gemeindeparlament in der Vergangenheit doch unzählige Male.

Lange Geschichte

Bereits in den Neunzigerjahren kam die Forderung auf, den Veloverkehr auf den zwei Hauptachsen in Gegenrichtung zuzulassen. Der Antrag wurde in der Gemeinde abgeschmettert. So ging es auch einem Postulat, das 2010 aufs Parkett kam. Die Gemeinde befand damals, dass sich der Velo-Beidrichtungsverkehr nicht umsetzen lasse. Vor sechs Jahren nahm die Geschichte Fahrt auf. Auf Anregung Thomanns organisierte der kleine Landrat – die Regierung – einen runden Tisch zum Thema. Es folgten eine Infoveranstaltung und eine Vernehmlassung. Ende 2015 verabschiedete das Davoser Parlament schliesslich den regionalen Richtplan Langsamverkehr. Dieser enthält auch die Einführung des Velo-Beidrichtungsverkehrs. Im Frühling des Folgejahres wurde er auf Parlamentsbeschluss hin für den Sommer eingeführt. Kaum beschlossen, regte sich Widerstand.

Breite Opposition

Rund 2500 Personen unterschrieben die Petition «Mitspracherecht der Bevölkerung beim Veloverkehr». Die Petitionäre meldeten Sicherheitsbedenken an. Vielen war aber vor allem die geplante Aufhebung von Parkplätzen ein Dorn im Auge. Stefan Walser, Gemeindevizepräsident und Vorsteher des Tiefbaudepartements, sagt im Gespräch mit Velojournal, dass die Parkplätze nicht nur wegen der Velos weichen mussten: Auch der sichere Busbetrieb verlange nach weniger stehenden Fahrzeugen am Strassenrand. «Viele Gespräche und gemeinsame Begehungen waren nötig, um alle Zweifel und Einwände auszuräumen.» Am Ende wurden elf Parkplätze aufgehoben. Und dann war es – fast – so weit. Im Sommer 2018 durften Velos auf der Promenade und der Talstrasse in beide Richtungen fahren: probeweise. Doch dann meldete sich auch noch der Kanton zu Wort. Das saisonale Einführen des Beidrichtungsverkehrs für Velos sei laut Gesetz nicht möglich, hiess es aus Chur. Der Kleine Landrat musste wieder über die Bücher. Am 10. Januar 2019 legte die Davoser Regierung das Projekt erneut dem Gemeindeparlament vor. Und dieses sprach sich mit 11 zu
3 Stimmen für die ganzjährige Umsetzung des Velo-Beidrichtungsverkehrs aus. «Heute sind alle happy», sagt der Gemeindevizepräsident. Für Einheimische wie TouristInnen sei es eine gute Lösung. Auch Christian Thomann sieht in der finalen Umsetzung eine Erfolgsgeschichte. «Für uns Velofahrende haben sich die Wege verkürzt.» Doch ein Wermutstropfen bleibe: «Man muss bei jeder Abzweigung auf der Hut sein und den Blickkontakt mit dem Autofahrer suchen.»