Die Brückenbauer

Die Verkehrskommission des Ständerats unterstützt einstimmig den Gegenvorschlag des Bundesrats zur Veloinitiative. Velojournal sprach mit den beiden Hauptakteuren, die dahinter stehen: den Nationalräten Thierry Burkart und Matthias Aebischer.

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Pete Mijnssen
Politik, 15.11.2017

Velojournal: Sehen wir in der Akzeptanz des Gegenvorschlags nun die Folgen der Allianz, die Pro Velo und der TCS laut Medienberichten eingegangen sind?
Thierry Burkart: Der Begriff «Allianz» geht etwas zu weit. Der TCS wurde aber von Pro Velo früh in den Prozess mit eingebunden. Man hat Varianten skizziert, in welche Richtung die Veloinitiative gehen könnte, und wir nahmen dazu Stellung. Der Gegenvorschlag präsentiert sich so, wie wir uns einen gangbaren Weg vorstellen können. Darum ist es richtig, wenn sich der TCS öffentlich hinter das Anliegen stellt.

Matthias Aebischer: Dass der TCS den Gegenvorschlag befürwortet, hat sicher auch dazu geführt, dass sich die FDP im Ständerat geschlossen dahinterstellte. Die FDP lehnte nämlich den ersten Gegenentwurf des Bundesrats ab. Die Partei ist mehr als nur das Zünglein an der Waage. Wenn man die FDP nicht mit im Boot hat, ist es fast unmöglich, etwas im Parlament durchzubringen. Die Städtevertreter der FDP störten sich daran, dass der Bund die Kompetenzen der Städte bei der Gestaltung der Velonetze beschneiden könnte. Der Passus, wonach Fuss- und Velonetze in der Hoheit von Kantonen und Städten liegen, wurde vom Bundesrat im ersten Entwurf entfernt. Später wurde er wieder hinzugefügt, sodass sich nun auch die Bürgerlichen hinter den Gegenvorschlag stellen können.

Der TCS ist bekannt als Sprachrohr der Automobilisten. Wechselt er nun im Fahrwasser der Initiative aufs Velo?
Burkart: Der TCS wurde 1896 von Velofahrern gegründet mit der Idee, das touristische Radeln zu fördern. Den Veloweg haben wir seither nie ganz verlassen. So sind wir Mitbegründer von Veloland Schweiz und mit unserer Mobilitätsakademie Initiant des «Carvelo2go»-Projekts. Im politischen Diskurs hat es die Strasse als Verkehrsträger aber politisch oft schwer …

… Sie meinen die Strasse für den motorisierten Verkehr?
Burkart: Nein, die Strasse an sich. Wenn wir uns für genügend Kapazität und Sicherheit einsetzen, werden wir als Autolobby bezeichnet. Der TCS versteht sich als Vertreter der mobilen Menschen, auch des Langsamverkehrs. Mobilität findet vor allem im Auto statt, aber gerade in den Städten gewinnt das Velo zunehmend an Bedeutung. Das ist ein Grund dafür, dass wir das Thema in letzter Zeit wieder vermehrt aufnehmen.

Was grosse Velo-Investitionsfolgen hätte. Wer soll das bezahlen?
Burkart: Wenn das Ziel von mehr und besseren Velonetzen erreicht wird, muss man die Frage nach dem Verursacherprinzip stellen. Heute wird Veloinfrastruktur aus der Strassenkasse bezahlt. Das ist legitim, wenn der Veloverkehr auf der Strasse stattfindet. Wenn er aber zunehmend separiert stattfindet, dann muss man über eine andere Finanzierung nachdenken.

Aebischer: Voilà, da sind wir jetzt nicht gleicher Meinung (lacht). Heute fahren rund acht Prozent der Schweizerinnen und Schweizer regelmässig Velo. Unser Ziel ist es, diesen Veloverkehr zu verdoppeln. Für eine Verdoppelung brauchen wir Verbündete wie etwa den TCS. Betreffend Finanzierung vertreten wir aber eine ganz klar unterschiedliche Meinung: Wenn man den Veloverkehr von der Strasse nimmt, kommt das dem Autoverkehr zugute. Wenn wir Veloinfrastruktur ausbauen, sorgen wir dafür, dass der Motorfahrzeugverkehr flüssiger wird.

Wie schätzen Sie die Chancen für einen Abstimmungs­erfolg der Veloinitiative ein?
Burkart: Wenn der Gegenvorschlag so durchs Parlament geht, hat er gute Chancen. Die Schweizer Bevölkerung ist allerdings äusserst skeptisch gegenüber neuen Verfassungsbestimmungen. Der Zuspruch für Veloanliegen ist zudem in ländlichen Gebieten geringer als in Städten. Eine wichtige Botschaft muss sein, dass vom Gegenvorschlag zur Velo­initiative der Gesamtverkehr profitiert.

Aebischer: Oberste Priorität hat die Verankerung des Velos in der Verfassung. Und dies ist auch mit dem Gegenvorschlag des Bundesrats der Fall. Das Initiativkomitee will nach der Debatte im Stände- und ­Nationalrat entscheiden, ob die Initiative zurückgezogen wird oder nicht. Ich finde die Initiative nach wie vor besser. Trotzdem freut es mich, dass der Gegenvorschlag in der ständerätlichen Kommission einstimmig durchgekommen ist, sich sogar die SVP dahinterstellte.



Veloinitiative und Gegenvorschlag

Die Initiative verlangt mit der Verfassungsänderung eine Federführung des Bundes bei der Veloförderung. Der Gegenvorschlag schwächt diese Forderung mit einem «Kann»-Passus ab.