Europäische Velobranche sucht Ausweg aus der Krise

Die Fahrradbranche befindet sich seit zwei Jahren im Krisenmodus. Die schwache Nachfrage, übervolle Lagern und geringe Kapitalreserven haben Händlern und Hersteller zugesetzt. Wie steht es aktuell um die Branche?

Laurens van Rooijen, Autor (lvr@cyclinfo.ch)
News, 24.10.2024

Mit wenigen Ausnahmen zeichnet sich quer durch die Velobranche ein wenig erfreuliches Bild ab: Mehr als zwei Jahre nach dem jähen Ende des Covid-Fahrradbooms hat sich noch keine neue Balance zwischen Überangebot und schleppender Nachfrage eingependelt.

Während die Lagerware zusehends an Wert verliert, gehen die ruinösen Rabattschlachten weiter. Und weil die Banken bei der Vergabe von Betriebskrediten immer zögerlicher werden, verschärfen sich auch die Liquiditätsengpässe. Diese Kombination ungünstiger Faktoren sorgt für eine ganze Reihe von Problemen und betrifft vom Zulieferer bis zu Fachhandels-Akteuren Unternehmen entlang der gesamten, global aufgestellten Wertschöpfungskette der Fahrradbranche.

Was beschäftigt die Velohersteller?

Um den Puls der Branche zu fühlen und den Ernst der Lage zu erfassen, haben die beiden Co-Autoren Mathias Heller (Director bei Roland Berger Impex) und Gunnar Fehlau, Grünnder des Pressediensts Fahrrad (pd-f) von Mitte Juli bis Mitte August insgesamt 34 Verantwortliche in der Geschäftsführung von Velo- und E-Bike-Produzenten in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.

Dazu kamen Gespräche mit sechs Geschäftsführern und Branchenexperten. Auf Basis dieser Interviews haben Berger und Fehlau die Studie «Die europäische Fahrradindustrie im Krisenmodus» verfasst. Zu dieser Studie organisierte der Pressedienst Fahrrad Anfang Woche ein Online-Mediengespräch, in dem die wichtigsten Befunde vorgestellt und auf Fragen der Teilnehmenden eingegangen wurde.

E-Bikes laufen besser als Velos

Ein Kernbefund lautete dabei, dass der Einbruch der Nachfrage bei konventionellen Velos noch ausgeprägter war und ist als bei E-Bikes. Insbesondere in Deutschland stabilisieren Leasing-Modelle den Markt für hochwertige Elektrovelo.

Nicht zu leugnen sind zudem die weitverbreiteten Rabattschlachten, um Lagerware in Geld in der Kasse umzuwandeln und so laufende Betriebskosten decken zu können. Die resultierenden tieferen Margen lassen die betriebswirtschaftliche Kalkulation zur Makulatur werden und dürften bei manch einem Fachhändler wie Hersteller noch zu einem bösen Erwachen führen.

Co-Autor Mathias Heller gab zu bedenken, dass viele Insolvenzen erst nach dem Durchschreiten der eigentlichen Talsohle eingereicht werden müssen.

«Wir alle in der Branche haben jetzt schmerzhaft lernen müssen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.»

Andreas Kessler, CEO Flyer

Globale Lieferketten bereiten Sorgen

Eine Sorge, die viele Branchenakteure umtreibt, betrifft die Lieferketten: Weil viele Zulieferer ihre Produktion seit über zwei Jahren stark gedrosselt haben, springen ihnen Angestellte ab. So droht die Industrie bei anziehender Nachfrage wieder in eine Situation zu geraten, in der die Nachfrage nicht oder nur nach langen Wartezeiten befriedigt werden kann.

Brancheninsider erwarten denn auch in naher Zukunft mehr Übernahmen innerhalb der Lieferketten, um deren Funktionieren zu sichern. Aus Sicht der Autoren stehen zurzeit drei Dinge ganz oben auf der Prioritätenliste: Der Abbau von Lagerbeständen, eine strenge Kostendisziplin sowie die Optimierung des Arbeitskapitals.

Gute Zukunftsaussichten trotz allem

Bei allen verständlichen Sorgen betonten die beiden Studien-Autoren, dass es aus Sicht der Branche auch Lichtblicke gebe. So sei der Absatz von E-Bikes im Vergleich zu 2019 kaum rückgängig, steige der Durchschnittspreis pro verkaufte Einheit mit dem Marktanteil von E-Bikes weiter an und helfe so dem Fachhandel, das Umsatzniveau zu halten.

Zudem seien wegen des Covid-Booms mehr Velos und E-Bikes in Betrieb, was den Bedarf nach Service und Reparaturen erhöhe und die Einnahmen aus der Werkstatt steigere. Wichtig sei dabei für Hersteller eine klare Positionierung und Straffung der Sortimente sowie eine konsequente Vertriebsstrategie.

 

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