«Radlogistik» wächst elektrisch – Branche fordert politische Signale

Wachsend und elektrifiziert, so zeigt sich die «Radlogistik»-Branche in Deutschland. Der aktuelle Branchenreport zeigt auf, wie mit Lastenvelos Geld verdient werden kann und was es dafür braucht.

Aline Künzler

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
News, 03.07.2025

Lastenvelos gehören den meisten europäischen Städten mittlerweile zum Strassenbild. Spezialisierte Transportunternehmen und Velokuriere nutzen die starken Zwei- und Dreiräder für den leisen, emissionsarmen und platzsparende Zustellung auf der letzten Meile. In Deutschland haben sich diese Akteure bereits 2018 zu nationalen «Radlogistik»-Verband zusammengeschlossen. Seither wächst die Radlogistikbranche entwickelt sich weiterhin dynamisch – und sie wird zunehmend elektrisch. Das geht aus dem aktuellen Branchenreport 2025 des Radlogistik Verbands Deutschland (RLVD) hervor, der im Juni auf der Nationalen Radlogistik-Konferenz in Frankfurt vorgestellt wurde. Die Zahl der Beschäftigten ist auf rund 6000 gestiegen, der Gesamtumsatz legte um 4% im Vergleich zum Vorjahr auf etwa 190 Millionen Euro zu. Das Ökosystem Radlogistik bleibt aber kleinteilig. Die Hälfte der Unternehmen der Branche verfügt aktuell über weniger als neun Vollzeitstellen. Hinter diesen Zahlen steht eine Branche, die nicht nur konstant wächst, sondern sich auch technologisch wandelt – und dabei immer stärker auf E‑Cargobikes setzt.

Forderungen unter Strom

Elektromobilität ist in der Radlogistik Standard. Der Anteil elektrischer Antriebe im gewerblichen Lastenradverkehr ist deutlich gestiegen und liegt laut Report bei über 90 Prozent. Höhere Transportlasten und grössere Chancen auf staatliche Förderung sind Gründe dafür. Auch Anhängerlösungen, sogenannte E‑Trailer, werden vermehrt eingesetzt, um das Ladevolumen weiter zu erhöhen. Diese Elektrifizierung ist jedoch kein Selbstläufer. Viele Unternehmen sehen sich mit technischen, regulatorischen und finanziellen Hürden konfrontiert. Die Anschaffungskosten für gewerbliche E‑Cargobikes sind trotz wachsendem Angebot nach wie vor hoch – Leasingmodelle sind rar und Förderprogramme oft uneinheitlich oder kurzfristig. So wird die aktuelle Lage im Branchenreport bemängelt. Der RLVD fordert daher gezielte Massnahmen, um Elektromobilität im Radlogistiksektor strukturell zu verankern. Dazu gehören neben einem bundesweiten Investitionsprogramm für Lastenräder auch steuerliche Vorteile, vergleichbar mit Dienstwagenprivilegien im Auto-Segment. Nicht nur auf politischer, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene will der Verband einen Wechsel bewirken. Damit der Transport per Cargobike seine «volle Wirkung entfalten [kann], braucht es eine noch stärkere Verankerung der Radlogistik als Lösung und Mehrwert in den Köpfen der Menschen».

Mehr Platz für E-Lastenvelos

Gleichzeitig brauchen elektrisch betriebene Lastenräder geeignete Rahmenbedingungen im Strassenraum. Viele Velowege seien zu schmal oder schlecht instand gehalten, um die grossen, schweren Fahrzeuge sicher aufzunehmen. Ladeinfrastruktur für Akkus, Abstellflächen sowie Zufahrtsregelungen für Mikro-Depots und Ladezonen fehlen gemäss dem Report oft oder sind rechtlich ungeklärt. Der RLVD spricht sich deshalb für eine konsequente Verankerung der E‑Radlogistik in der kommunalen Verkehrsplanung aus – mit verbindlichen Standards, klaren Förderlinien und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Elektromobilität im urbanen Wirtschaftsverkehr gezielt bevorzugen.

Radlogistik ist Gegenwart

Der Branchenreport macht deutlich: Die elektrische Radlogistik ist nicht mehr Zukunft, sie ist Gegenwart. Damit sie ihr volles Potenzial entfalten kann, braucht sie jedoch politischen Rückhalt. Dies nicht nur der Umwelt wegen, wie der Verband festhält: «Radlogistik bietet die Chance, Geld zu verdienen, und es ist notwendig, noch viel mehr Wirtschaftsverkehr – sowohl gewerblich als auch privat – auf Fahrräder zu verlagern». Die deutschen Radlogistiker ruhen sich auf dem aktuellen Wachstum keineswegs aus, sondern wollen ihre Tätigkeiten weiter ausbauen und einen Drittel des Wirtschaftsverkehrs auf das Lastenvelo verlagern. Erst dann können «Skaleneffekte realisiert und die Wirtschaftlichkeit weiter gefestigt werden». Der Appell des Verbands an die Entscheidungsträger ist eindeutig: Wer Elektromobilität ernst meint, muss auch die kleineren, leiseren, flexibleren Lösungen in den Fokus rücken – und das sind heute ganz klar elektrisch unterstützte Lastenräder.

Auch in der Schweiz sind in allen grösseren Städten Velokuriere und Logistiker per Lastenvelo unterwegs. Das Potential der «Radlogistik» ist auch hierzulande noch lange nicht ausgeschöpft. Gemäss einer Schätzung von Pro Velo Schweiz können 50 Prozent der innerstädtischen Warentransporte per Cargobike erledigt werden. Um diesem fernen Ziel näher zu kommen, braucht es auch in Schweizer Städten aber angepasste gesetzliche Rahmenbedingungen, grosszügige Infrastruktur sowie Abstell- und Umschlagflächen. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung erfolgte mit dem Inkrafttreten der neuen Gewichtslimiten und Verkehrsregeln für den Langsamverkehr. Diese Gesetzesänderungen ermöglicht die Fahrt per Cargobike mit bis zu 450 kg Gesamtgewicht und flexibilisiert die Nutzung der Verkehrsflächen für Lastenvelos, wie Velojournal berichtete.

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