Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
News,
10.06.2025
Während drei Jahren erforschte die ETH Zürich, wie für eine velogerechte Stadtplanung die Hälfte der Verkehrsfläche zu gewinnen wäre. Nun wurde Fazit gezogen.
Pete Mijnssen,
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(pete.mijnssen@velojournal.ch)
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10.06.2025
In der E-Bike City erhält der Veloverkehr mehr Platz. (Fotos: ETH Zürich / Nightnurse Images, CC BY-SA 4.0)
An der Abschlussveranstaltung des «E-Bike City Projekts» der ETH Zürich ging es nicht nur um Veloförderung. Vielmehr standen Szenarien zur Erhöhung der Aktivmobilität im Fokus der Ergebnisse: also der Verkehr zu Fuss, mit dem ÖV und dem Velo. Heute belegt der motorisierte Individualverkehr (MIV) 80 Prozent der Verkehrsfläche. Die Forschenden schlagen vor, dem MIV einst nur die Hälfte der Verkehrsfläche zu widmen.
Mit vielen zusammengetragenen Grundlagendaten haben die Forschenden für die Stadt Zürich ein Planungstool entwickelt, das mittels Geodaten-Layers die Zukunftsszenarien visualisieren kann. Dabei floss auch die Optik der verschiedenen Verkehrsgruppen ein.
100 Seiten starker Abschluss von drei Jahren Forschung: Die Ergebnisse des E-Bike City Projekts der ETH Zürich. (Foto: ZVG)
Das ist nicht eine Spielerei, sondern misst sich an den Herausforderungen nachhaltiger Städteplanung. Und die sind gewaltig. Experte Lucas Ballo erläuterte, wie die Mobilitätsbewegungen in den nächsten Jahrzehnten massiven ansteigen, auch aufgrund von Bevölkerungszuwachs. Stichwort: 10-Millionen-Schweiz. Experten rechnen erst ab 2075 mit einer Schrumpfung.
Um den Mehrverkehr zu bewältigen, muss die Mobilität effizienter organisiert– sprich, umgekrempelt – werden. Dafür braucht es den ÖV, den Fussverkehr und das Velo. Dieses soll den platzraubenden MIV weitestgehend ersetzen und möglichst Personen viele zum Umsteigen auf das Zweirad animieren.
Mittels E-Bike soll das Umsteigen für diese Verkehrsgruppe einfacher und attraktiver gemacht werden. Das E-Bike ist populär, schon heute übersteigen die Elektroveloverkäufe beinahe jene von herkömmlichen Fahrrädern. Darauf setzt auch die Studie. Die Autorinnen und Autoren messen den E-Autos hingegen einen geringeren Stellenwert bei, da sich auch bei dieser Antriebsart die Personenanzahl pro Auto nicht verändert. Sprich: Auch E-Autos verstopfen dringend benötigten Strassenraum.
Das E-Bike City Projekt verteilt den Strassenraum neu: ÖV, Menschen zu Fuss und Velos erhalten mehr Platz. Der Verkehrsfluss wird dadurch besser.
Noch gibt es viel Skepsis in der Bevölkerung. Mehr im Kanton als in der Stadt, wo eine knappe Mehrheit für eine progressive Verkehrspolitik einsteht. Das beweisen auch die vielen Abstimmungen zugunsten der Veloförderung. Es gibt es aber auch Vorbehalte gegenüber den Velovorzugsrouten und den schnellen E-Bikes, die auch an dieser Tagung zur Sprache kamen. Von Planungsverantwortlichen wird dieser Aspekt zwar nicht verneint, aber mit Verweis auf gute Verkehrsplanung als kalkulierbar betrachtet.
Zu den Erkenntnissen aus Zürich gibt es inzwischen auch Interesse aus Basel, Aarau, Winterthur und Luzern. Überhaupt ist in den letzten Jahren ein Ruck für eine nachhaltige Städteplanung im Gange. Neben den «üblichen Verdächtigen» Amsterdam und Kopenhagen macht Paris als Vorzeigemodell für Veloförderung gerade von sich reden. Barcelona macht mit seinen Quartierblöcken nicht nur Veloförderung, sondern will die Quartiere ökologischer gestalten, Zürich will diesem Beispiel folgen.
Im Schlusspanel betonte Rupert Wimmer als Leiter Verkehr im Tiefbauamt der Stadt Zürich, dass die Haupthindernisse bei Vorurteilen und direktdemokratischen Werkzeugen lägen. So liegen 300 Einsprachen gegen Velovorzugsrouten in der Stadt Zürich vor. Isabel Scherer vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE begrüsste das E-Bike City Projekt als Chance, auch in der Raumplanung müsse man von der Autofokussierung wegkommen. Sie beobachtet in letzter Zeit mehr Offenheit für neue Lösungen auch zwischen Stadt-Land. Für den Mobilitätsforscher Patrick Rérat aus Lausanne sind die Visionen wichtig. Die Schweiz ist ihm oft zu «pragmatisch», vielmehr brauche es dringend Ambitionen, nicht zuletzt um die Klimaziele zu erreichen. Für die ehemalige Politikerin und Velowende-Expertin Ursula Wyss ist die E-Bike City im Vergleich zu Amsterdam gar nicht so radikal. Ihr gefällt der pragmatische Ansatz.
Der Albisriederplatz ist ein zentraler Verkehrsknoten in der Stadt Zürich. So sähe er in der E-Bike City aus.
Die Einigkeit wurde jäh gestört durch (des «wegen Parkplatzsuche» zu spät eintreffenden, sic!) Peter Grünenfelder von Auto Schweiz. Er fände das Projekt zwar «interessant, aber ökonomisch völlig unnütz». Man dürfe den Konsumenten, also den Autofahrer nicht bevormunden und «umerziehen». Rérat hielt dem entgegen, wie oft denn die «Konsumenten» in Zürich noch über Velowege abstimmen müssten? Es folgten die üblichen Argumente, dass Firmen in Scharen das rot-grüne Zürich wegen ihrer Verkehrs- und Wirtschaftspolitik verliessen. Was längst und gerade kürzlich widerlegt worden ist.
Auch Amsterdam sei eine blühende Stadt mit einer florierenden Wirtschaft, hielt Ursula Wyss entgegen. Patrick Rérat betonte, dass die Gentrifizierung als Folge von attraktiven Städten im Übrigen nicht ein Problem der Verkehrs-, sondern der Wohnbaupolitik sei. Ob dem Pingpong auf dem Plenum platzte schlussendlich einem Teilnehmer der Kragen: Seine Bemerkung seit 50 Jahren höre man in gewissen Kreisen die gleichen Weltuntergangs-Argumente zu Zürich, dabei zeige gerade diese Stadt, wie sie vorwärtsmache und immer wieder daran gehindert werde, wurde mit viel Applaus quittiert.
In seinem Schlusswort verwies Kay Axhausen, der scheidende Professor für Verkehrsplanung an der ETH nochmals darauf hin, dass die E-Bike City nach dem Autobahn-Nein vom letzten Jahr nochmals aktueller geworden sei. Haben diese Worte wohl alle Politiker und Planer im Land gehört?
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