Veloförderung nach Corona: Die Deutschschweiz schläft

Die Kapazitäten des öffentlichen Verkehrs sind in der Post-Corna-Zeit durch die Abstandsregeln markant kleiner. Weil darum der Individualverkehr stark zunehmen könnte, schaffen Städte auf die Schnelle Platz für Fussgänger und Velos. Genf zieht mit, aber die Deutschschweiz schläft.

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René Hornung
popup-veloweg, Dossier, 29.05.2020

Barcelona, Berlin, Brüssel, London, Mailand, Mexico City, New York, Paris oder Rom – das sind nur einige der zahlreichen Städte weltweit, die sich rasch auf den Verkehr in Post-Corona-Zeiten eingestellt haben. Mit Farbe und Betonelementen haben sie in den letzten Wochen Autospuren auf innerstädtischen Strassen zu provisorischen breiteren Trottoirs und Velospuren umsignalisiert und Parkplätze am Strassenrand aufgehoben um Platz für den Langsamverkehr zu gewinnen. Die Liste der Städte, zusammengestellt von der Nacto, der amerikanischen «National Association of City Transportation Officials» ist beeindruckend lang.

Mailand ist mit der Aktion «Strade aperte» daran, insgesamt 35 Kilometer Strassen zugunsten von Fussgängerinnen und Velofahern neu zu signalisieren. Brüssel hat in der Innenstadt flächendeckende Temporeduktionen erlassen und bringt es auf 40 Kilometer neue Velospuren.

In Barcelona sind innert weniger Tage 21 Kilometer neue Velowege signalisiert und 12 Kilometer Trottoirs mit Farbe und Betonpollern verbreitert worden – insgesamt eine halbe Million Quadratmeter sind hier dem privaten Autoverkehr weggenommen worden.

Trottoir in BarcelonaMit Farbe verwandelt Barcelona Strassen in Trottoirs. 

Viele Städte haben zudem ihre Veloverleihsysteme gratis gemacht. Die spanische Region Valencia subventioniert den Kauf von E-Bikes oder E-Trottinets mit 250 Euros und Frankreich lockt mit 50-Euro-Gutscheinen, mit denen man sein Velo reparieren lassen kann.

In all diesen Orten sind sich die Stadtregierungen im Klaren, dass man in der Post-Corona-Zeit nicht zu den früheren Verkehrsverhältnissen zurück will. Zwar gelten die Massnahmen fast überall vorerst nur befristet, doch in den meisten Städten, will man sie rechtlich absichern und dann als defitive Lösungen umsetzen.

In Barcelona waren die nun umgesetzten Sofortmassnahmen bereits vor der Corona-Epidemie geplant worden. «Obrim Carrers» (öffnen wir die Strassen) und «Eixample respira» (das Eixample atmet) lauteten die Forderungen. Nun wurden sie in einer Blitzaktion vorgezogen und umgesetzt.

Zusätzlich werden mehrere grosse Achsen nicht nur – wie geplant – einmal pro Monat am Samstag und Sonntag für den Individualverkehr gesperrt, sondern jedes Wochenende. Ausserdem soll der «Plan director urbanistico metropolitano», der städtische Entwicklungsplan, überarbeitet werden und es sollen Massnahmen zur Reduktion der Luftverschmutzung und der Lärmbelastung durch den Verkehr darin aufgenommen werden. Es brauche nun ein neues urbanistisches Modell.

Was macht die Schweiz?

In der Schweiz hat nur Genf mitgezogen. Stadt und Kanton haben – vorerst befristet auf zwei Monate – rund sieben Kilometer zusätzliche Velospuren geschaffen. Dafür wurden entlang von drei verkehrsstrategisch wichtigen Achsen sowie an verschiedenen innerstädtischen Verbindungen rund 50 Auto- und 30 Töff-Parkplätze sowie einige Velostellplätze aufgehoben. Und damit Fussgängerinnen und Fussgänger sich nicht über das Warten an Rotlichtern ärgern, wurden an 15 Kreuzungen die Lichtsignale auf Blinken umgestellt.

Genf Genf machts vor: Die Stadt hat zusätzliche Spuren für Velos geschaffen.

Gegen diese befristeten Massnahmen sind keine Einsprachen möglich. Und Stadt und Kanton Genf haben bereits angekündigt, dass sie die Massnahmen wenn nötig auch verlängern werden. Im Stadtparlament sind die Massnahmen mehrheitsfähig und dieser Tagen wurden dort drei Millionen Franken bewilligt, mit denen der gerade provisorisch markierte Veloweg am rechten Seeufer definitiv gebaut werden kann.

Vom Park Mon Repos, entlang des Quai Wilson und über den Pont Mont-Blanc wird ein 3,5 Meter Veloweg für beide Fahrtrichtungen gebaut. Am Linken Seeufer besteht er bereits. Neben den Pont Mont-Blanc soll als Ersatz ein separater Fussgängersteg gebaut werden. Der Planungskredit dafür wurde vor einem Jahr bewilligt.

Allerdings gibt es heftigen politischen Streit um diese Massnahmen. Die Velolobby hat aber mit einer Petition und rund 10'000 Unterschriften sowie einer Velo-Demo sich dafür eingesetzt, dass die provisorischen Signalisationen definitiv werden.

Dieser Text ist zuerst auf hochparterre.ch erschienen. Die Publikation erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. 

Fotos: Norbert Frei