Alpenkreuzer – Next Generation

Dass Elektrovelos ein bisschen die Welt verändern, ist offensichtlich geworden. Vielleicht verändern sie auch die Welt der Camper. Diese können nun mit einem Mikrowohnwagen auf Reisen gehen.

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Marius Graber
25.04.2018

Die Kraft des Elektrovelos erlaubt es Veloreisenden, üppigeres Gepäck mitzunehmen und sich das Campingleben komfortabler zu machen. Warum also sich in ein gewichtsoptimiertes Zeltchen verkriechen, wenn man auch in einem komfortablen Kleinwohnwagen nächtigen kann? Die Idee beflügelt Konstrukteure und Entwickler, sodass immer wieder Entwürfe und Prototypen von Fahrradanhängern auftauchen, die auch als Schlafplätze genutzt werden können. Nun stellt die österreichische Firma Gentletent die Serienversion ihres Fahrrad-Mikro-Wohnwagens vor. Die Firma ist spezialisiert auf Zelte, die sich aufblasen lassen. So ist ihr Schlafmobil, wie die Alpenkreuzer der 60er-Jahre, eine Mischung aus Zelt und Wohnwagen. Anstelle eines Gestänges bilden bei Gentletent voluminöse, aufblasbare Luftschläuche das Gerippe für die Zeltkonstruktion.

Erst wird gepumpt
Basis für den «B-Turtle» bildet ein 70 x 100 Zentimeter grosser Anhänger. Der Schlafraum ist gefaltet im grossen Deckelfach verstaut. Darunter befindet sich ein voluminöses Gepäckfach für die weiteren Campingutensilien, Kleider und Verpflegung. Für den Übernachtungsplatz benötigt der «B-Turtle» ungefähr zwei Quadratmeter ebenen Boden. Zum Aufstellen muss der Anhänger richtig positioniert abgestellt und die Standfüsse müssen ausgefahren werden. Mit dem Reissverschluss werden das Deckelfach geöffnet, das Zelt aufgefaltet und zwei Zusatzfüsse angebracht. Nun geht es ans Pumpen. Mit einer gros­sen Standpumpe bläst man als Erstes die Liegefläche über dem Anhänger auf. Das benötigt zehn Minuten tüchtige Handarbeit. Erst geht es ganz leicht, ein bisschen Ausdauer braucht es dann aber schon, bis die Grundfläche fest und stabil ist. Danach ist der Aufbau dran. Durch noch einmal so langes Pumpen bläst man die grossen Wülste für die Kuppelkonstruktion auf. Ganz ohne Schweiss geht auch das nicht, aber schon bald steht das Zelt. Nun muss es nur noch mit ein paar Heringen abgespannt und gegen Wind gesichert werden. Dann wischt man sich die Schweiss­tropfen von der Stirn und staunt, wie aus dem kleinen Anhänger ein grosszügiger Schlafplatz für zwei Personen inklusive Vorzelt entstanden ist. Beim ersten Versuch benötigte der Autor für das Prozedere 30 Minuten, mit etwas Übung und der erhältlichen Akkupumpe geht es schneller.

Grosszügig
Nun zeigt sich der komfortable Innenraum: Im Eingangsbereich können auch grosse Menschen aufrecht stehen, bei Regen können zwei Personen hier gemütlich essen. Diese können sich auch die grosszügige Liegefläche gut teilen. Die Luftkammer ergibt, ähnlich wie bei einem aufblasbaren Stand-up-Paddel, eine feste Fläche. Auch der Schlafbereich wirkt mit seiner Raumhöhe und den hellen Zeltwänden einladend. Man liegt etwa 50 Zentimeter über Boden, an der vorderen Liegeflächenkante kann man bequem sitzen. Nach einem Probenickerchen kann der Autor bestätigen: Da schläft es sich gut drin.
Das Zusammenpacken verläuft pro­blemlos, wenngleich man ein wenig zirkeln muss, bis das ganze Zelt wieder fein säuberlich auf dem Anhänger verstaut ist. Vor allem die schwer zu bedienenden Reissverschlüsse sind eine kleine Herausforderung.
Mit gut 35 Kilo für Zelt und Anhänger ist der Mikrocamper rund zehnmal schwerer als ein normales Zelt. Nur schon die Luftpumpe nimmt ähnlich viel Platz weg wie ein Schlafsack. So begründet der «B-Turtle» eine neue Campingklasse zwischen Wohnmobil und Bikepacking-Ausrüstung. Man ist damit komfortabler unterwegs als mit Velo und Leichtzelt. Tagesetappen werden dafür kürzer, Anfahrten mit dem ÖV beschwerlicher. Für alle, die gerne campieren, mit dem Elektrovelo verreisen und nicht auf Komfort verzichten möchten, ist der «B-Turtle» eine passende Behausung.


Bild: Gentletent «B-Turtle»
Miniwohnwagen für zwei Personen mit aufblasbarer Zeltkonstruktion
Gewicht: 35,6 Kilo
Preis: Fr. 3684.–
www.gentletent.com