Wehe, wenn sie losgelassen!

Dass «die z’Züri» alle spinnen, weiss die Schweiz längst. Doch im Oktober ist es der Stadt gelungen, noch einen draufzumachen: Jetzt darf man tatsächlich mit dem Velo in beide Richtungen durch die Langstrasse fahren.

Nicole Soland

Nicole Soland, Autorin
Kommentar, 30.10.2023

Früher konnte man, aus der Langstrassenunterführung auftauchend, noch ein paar Meter radeln, bis vor die Bushaltestelle Militär-/Langstrasse. Dort war Schluss, ausser für den Bus, wenn auch nicht definitiv: Ein kurzes Stück weiter vorn war es dann wieder erlaubt, die Fahrt auf der Langstrasse Richtung Helvetiaplatz fortzusetzen.

Wenn ich mich recht erinnere, galt diese Regelung schon 1986, als ich nach Zürich zog. Entsprechend habe ich mich längst an den «Mut zur Lücke» in der Zürcher Veloroutenpolitik gewöhnt. Und nun dies: Eine zentrale Verbindung – lückenlos!

Doch immer mit der Ruhe: Laut der NZZ vom 13. Oktober gibt es keinen Grund, sich zu freuen. Unter dem Titel «Planungsflop in Zürich: Alles fürs Velo ist ein schlechtes Rezept» ist dort zu lesen, das neue Verkehrsregime schaffe «das scheinbar Unmögliche», nämlich «bis weit ins linke Lager hinein» auf Ablehnung zu stossen. «Die Ursache: Die freie Fahrt für das Velo wurde über alle anderen Interessen gestellt, über diejenige von Automobilisten, Fussgängerinnen und Anwohnern.»

Also eigentlich war es von Anfang an so gedacht, dass die Autos tagsüber nicht mehr durch die Langstrasse fahren, sondern aussen rum.

Zudem sei die neue Verkehrsführung fürs Auto viel zu kompliziert – gelte doch nun ein Fahrverbot, «aber nur auf einer Strecke von 60 Metern. Das soll den Durchgangsverkehr abhalten». Dafür stünden nun die Autos «stundenlang bei laufendem Motor im Quartier im Stau», der Bus ebenso …

Also eigentlich war es von Anfang an so gedacht, dass die Autos tagsüber nicht mehr durch die Langstrasse fahren, sondern aussen rum. Nachts hingegen dürfen nun alle in beiden Richtungen durch die Zürcher Ausgehmeile fahren.

Dass Autos tagsüber trotzdem bis ans gesperrte Teilstück heranfahren dürfen und dort abbiegen müssen, ist ganz banal der Tatsache geschuldet, dass es nicht einmal der bösen linken Stadt Zürich in den Sinn käme, den Anwohnern die Zufahrt zu ihren Häusern zu verbieten.

Für einmal wünsche ich mir, die NZZ hätte Recht, und es würde ab sofort tatsächlich «alles fürs Velo» gemacht.

Unterdessen haben die meisten Autofahrerinnen die neue Verkehrsführung mitbekommen (darauf, dass es nicht erlaubt ist, im Stau den Motor laufen zu lassen, brauchen wir ja nicht herumzureiten). Damit zur Hauptbotschaft des NZZ-Artikels: «Velowege entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern immer auf Kosten anderer.» Das geht natürlich nicht!

In einer Stadt mit Netto-Null-Ziel und zig Millionen Franken Budget für Velomassnahmen, die eine grosse Mehrheit in regelmässigen Abständen an der Urne bewilligt, schon gar nicht. Oder etwa doch?

Für einmal wünsche ich mir, die NZZ hätte Recht, und es würde ab sofort tatsächlich «alles fürs Velo» gemacht. Zieh’ dich warm an, liebe NZZ: Wehe, wenn die Velos losgelassen …

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