Viele Städte hinken hinterher

Seit Anfang Jahr dürfen in der Schweiz Lichtsignale mit der Zusatztafel «Abbiegen bei Rot für Velos gestattet» ausgerüstet werden. Doch in vielen Städten und Gemeinden ist von diesem Signal nichts zu sehen.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
26.03.2021

In der Stadt Zürich waren sie plötzlich da: kleine schwarze Tafeln, auf denen ein gelbes Velo und ein nach rechts weisender Pfeil zu sehen sind. In der Schweiz dürfen Lichtsignale seit dem 1. Januar mit solchen Zusatztafeln ausgerüstet werden. Sie signalisieren den Velofahrenden: Hier ist trotz Rot das Rechtsabbiegen erlaubt. Beim Abbiegen gilt es aber, den allfälligen Vortritt von Fussgängerinnen und Fussgängern zu beachten und auf den Querverkehr zu achten

Die Limmatstadt hat Anfang Jahr insgesamt 81 Lichtsignale mit dem neuen Signal ausgestattet. «Für einmal geht es in Zürich richtig schnell», freut sich Andrea Freiermuth von Pro Velo Zürich. Und ergänzt: «Im Verlauf des Jahres sollen weitere Kreuzungen auf Rechtsabbiegen bei Rot geprüft und nach Möglichkeit neu ausgeschildert werden.»

Neben Zürich haben auch Basel, Lausanne und Winterthur das Rechtsabbiegen bei Rot bereits an mehreren Ampeln ermöglicht. In Basel blieb nach dem erfolgreichen Pilotversuch im Jahr 2017 das Rechtsabbiegen bei Rot an 10 Standorten bestehen. Zusätzlich wurden Mitte Februar 30 weitere Lichtsignale mit dem Zusatzsignal ausgestattet. Die Stadt Winterthur hat am 15. März mit der Anbringung der ersten Signaltafeln, welche das Rechtsabbiegen bei Rot erlauben, begonnen. Bis Mitte April werden 29 Kreuzungen mit 43 Abbiegebeziehungen entsprechend signalisiert sein, sagt Thomas Hunziker, Fachperson Kommunikation beim Tiefbauaumt der Stadt. Andere Städte sind zurückhaltend.

«Für einmal geht es in Zürich richtig schnell»

Andrea Freiermuth, Pro Velo Zürich

Schleppende Umsetzung

In der für ihre Veloförderung viel gelobten Stadt Bern sind bei Redaktionsschluss Anfang März noch keine Lichtsignale mit der neuen Zusatztafel ausgerüstet worden. «Die Fachstelle Fuss- und Veloverkehr hat alle Kreuzungen angeschaut und in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Dort, wo es nur das neue Schild benötigt, hätte dieses gegen Ende Februar oder Anfang März aufgehängt werden sollen», berichtet Dominik Guggisberg von Pro Velo Bern.

«Die Antwort war wie immer: Es wird geprüft. Zudem fehlen der Stadt die personellen Ressourcen.»

Barbara Irniger, Pro Velo Luzern

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Zentralschweiz. Der Kanton Luzern liess alle rund 100 Ampeln auf Kantonsstrassen prüfen. Barbara Irniger, Geschäftsleiterin von Pro Velo Luzern, sagt: «Wir kennen noch keine umgerüsteten Ampeln. Nur zwei Stellen, die vorher als ‹Versuche› dienten, sind umgerüstet.» Ihr Verband habe bei der Stadt schon nachgefragt. «Die Antwort war wie immer: Es wird geprüft. Zudem fehlen der Stadt die personellen Ressourcen», so Irniger.

In Geduld üben müssen sich Radfahrende auch in Zug. Der Kanton lässt derzeit alle Lichtsignalanlagen prüfen. Mit Resultaten sei aber erst im Sommer zu rechnen, sagt der Sprecher der kantonalen Sicherheitsdirektion. Man sei in Kontakt mit den zuständigen Behörden, kommentiert Esther Röösli von Pro Velo Zug. «Die Abklärungen können wir aber nicht abkürzen.»

«Sämtliche Möglichkeiten prüfen»

Der Kanton Solothurn steht der neuen Regelung generell skeptisch gegenüber. «Wir haben lediglich ab 2021 die Möglichkeit dafür, bei einzelnen Ampeln das freie Rechtsabbiegen für Velos als Zusatzsignalisation zu gestatten», zitierte die «Solothurner Zeitung» den kantonalen Leiter der Fachstelle Langsamverkehr, Sascha Attia. Dieser liess offen, ob die neue Signalisation jemals umgesetzt werde.In der Stadt Solothurn möchte die SP darum auf politischem Weg Druck machen. Die Partei verlangt vom Stadtpräsidium in einer Motion, «sämtliche Möglichkeiten zu prüfen, um die neuen Verkehrsregeln für Velofahrerinnen und Velofahrer umzusetzen».

Schon weiter ist man in der Ostschweiz. Die Stadt St. Gallen hat im vergangenen Jahr alle Lichtsignale untersucht. Die Evaluation hat gezeigt, dass die schwarze Zusatztafel bei etwa 30 Ampeln ohne weitere Massnahmen angebracht werden kann. Bis im Mai sollen sie entsprechend umgerüstet sein. So toll das Rechtsabbiegen bei Rot auch ist, vielerorts bleibt vorerst alles beim Alten. Für Velofahrende heisst es daher: anhalten und auf Grün warten.

Update: 30.03.2021