Veloverleih muss den Instanzenweg gehen

Der Bikesharing-Anbieter Publibike soll in Zürich ein automatisches Veloverleih-System aufbauen und betreiben. Das hat die Stadt Anfang März mitgeteilt. Der Entscheid gefällt nicht allen.

no-image

Fabian Baumann
24.03.2015

Um den Aufbau und Betrieb eines Veloverleih-Systems hatten sich sechs Anbieter beworben. Anfang März gab die Stadt ihren Entscheid bekannt. Als bestes Angebot habe sich jenes der PostautoTochter Publibike durchgesetzt, heisst es in einer knapp gehaltenen Mitteilung des zuständigen Zürcher Tiefbau- und Entsorgungsdepartements. Einzelheiten zum Projekt «Züri Velo» wurden aber nicht genannt. Noch fehle der Finanzierungsnachweis, und es müsse auch das Ende der Rekursfrist abgewartet werden, die den unterlegenen Unternehmen gewährt wird, erläuterte Pio Sulzer, Kommunikationsleiter des Tiefbaudepartements, auf Anfrage von Velojournal. Publibike ist mit seinen Leihvelos in über 20 Städten und grösseren Ortschaften zwischen dem Boden- und dem Genfersee präsent. Die Velos – auch E-Bikes – sind an festen Stationen angedockt und können mit einer Chipkarte ausgeliehen werden.

Rekurs moniert Dumping-Angebot
Doch nun drohen drei Rekurse das Zürcher Veloverleih-System auf den Sankt-­Nimmerleins-Tag hinauszuschieben. Eine in der Ausschreibung unterlegene Firma, die das System Velospot in Biel, La Chaux-de-Fonds, Le Locle, Neuchâtel und Thun betreibt, hat Mitte März beim Zürcher Verwaltungsgericht Beschwerde gegen die Vergabe eingelegt. Deren Geschäftsleiter, Paul-André Sarrasin, äussert sich gegenüber Velojournal wie folgt: «Die Evaluation der Stadt lässt zu viele Fragen offen.» Velospot galt neben Publibike als Favorit im Rennen um den Aufbau des Zürcher Fahrradverleihs.
Das Tiefbauamt habe in der Ausschreibung ein System mit möglichst geringem Eingriff in die öffentliche Fläche und ohne feste Andockstationen gewünscht, sich nun aber seines Wissens nach genau anders entschieden, moniert Sarrasin. Zudem habe Publibike der Stadt den Aufbau von «Züri Velo» für null Franken offeriert. Dies für ein System, das im Aufbau und Betrieb zwei- bis dreimal mehr koste als jenes seiner Firma. Paul-André Sarrasin vermutet hinter der Postauto-Tochter einen potenten Geldgeber, um die Konkurrenz zu verdrängen. Etwa Postfinance oder die SBB, die an Publibike beteiligt sind. Laut dem Velospot-Betreiber sei es für ein Unternehmen aus der Privatwirtschaft unmöglich, mit dem De- facto-Gratisangebot mitzuhalten.
Auf Nachfrage von Velojournal wollte die für Publibike zuständige Medienstelle den Vorwurf des Velospot-Betreibers nicht kommentieren. Details würden erst nach Ablauf aller Fristen publik gemacht. Und auch Pio Sulzer vom Tiefbaudepartement sagt: «Wir gehen nicht an die Öffentlichkeit, bevor wir nicht
sicher sind, dass wir mit dem Projekt weitermachen können.» Wie lange das dauern wird, kann er noch nicht abschätzen. Es sind Rekurse bis hinauf ans Bundesgericht möglich.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint eine Präsentation des Siegerprojekts – sie war ursprünglich für Anfang Mai ge­plant – wenig wahrscheinlich. Der Fahrplan der Stadt sah weiter vor, dass der ausgewählte Anbieter noch dieses Jahr mit dem Aufbau beginnt. 2016 hätte das automatische System den Gratis-Veloverleih «Züri rollt» ablösen sollen. Die Rede war von 1500 neuen Leihrädern, verteilt auf mindestens 100 Standorte.

Ein langer Weg
Die Pläne des Zürcher Veloverleihs gehen auf eine 2007 eingereichte Motion zurück: Franziska Graf (SP) und Daniel Leupi (Grüne) – damals noch Mitglied des Gemeinderates – forderten vom Stadtrat, ein «stadtweit einfaches, benutzerfreundliches und kostengünstiges Fahrradverleihsystem einzurichten und einer geeigneten Trägerschaft für den Betrieb zu übergeben». Die Stadt scheute sich aber vor den Investitionskosten. Deshalb soll das Risiko nun vom künftigen Betreiber übernommen werden. Die Stadt will während der ersten Jahre lediglich für einen Teil des Defizits geradestehen.
Für die Einrichtung der Stationen und des Systems sind zwischen 6 und 9 Millionen Franken nötig. Die jährlichen Betriebskosten werden auf 4 Millionen Franken geschätzt. Ihnen stehen prognostizierte Miet- und Aboeinnahmen von 1,5 Millionen Franken gegenüber. Diese sollen durch Werbe- bzw. Sponsoringeinnahmen aufgebessert werden.

Die Konkurrenten
Drei Unternehmen waren bei der Ausschreibung vorne mit dabei:
• Publibike (Postauto, 21 Standorte in der Schweiz)
• Nextbike (ehemalige Tochter der Deutschen Bahn, 1 Standort in der Schweiz)
• Velospot (Intermobilty SA, 5 Standorte)