Fondue mit Meerblick

Auf Sardinien erlebt die Autorin einige Überraschungen. Sie wird von der Topografie der Insel gefordert, erliegt – fast – dem Reiz des E-Bikes und isst Pasta an unerwarteter Stelle. Und das alles dank des Velos.

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Nicole Soland
25.09.2019

Dieser Duft! Kaum runter von der Fähre, weg von stinkenden Töffs und Wohnmobilen, war er da, frisch und würzig. Thymianduft, Sonne, Wind und bald der erste feine Espresso, selbstverständlich mit Blick aufs Meer: bella Sardegna!

Vor lauter schöner Natur bemerkten wir erst etwas später, was es auf Sardinien grundsätzlich nicht gibt – das, was man mit dem Wort «flach» zu umschreiben pflegt. Sobald wir das festgestellt hatten, fiel uns noch etwas auf:

Wir waren zwar wie immer mit unseren soliden Für-Alltag-wie-Tour-Stahlrahmen-Velos unterwegs, hatten wie immer Zelt, Schlafsäcke und Gaskocher dabei. Doch wir waren offenbar weit und breit die einzigen Ü-50er,  respektive Ü-60-er, die ohne «Motörli» am Velo all die vielen Hügel und mehr oder weniger steilen Passstrassen hoch- und wieder runterfuhren.

Auf früheren Velotouren, am Rhein, an der Ems oder der Weser hatten wir angesichts all der Motorisierten rund um uns herum bloss die Augen verdreht – warum in aller Welt braucht man dort ein E-Bike? Hier jedoch konnten wir uns erstmals vorstellen, dass so ein Ding noch praktisch sein kann …

Doch was solls, es ist noch zu früh, schliesslich schrieb ich in einem «Rücklicht» vor zwei Jahren, so ein Velomotörli sei vielleicht in 20 Jahren ein Thema für mich. So sei es. Frühestens! Wir trampten also bergauf, und wenn es zu steil wurde, stiegen wir ab und schoben die Velos, von Porto Torres via Olbia bis nach Cagliari.

Einmal waren wir spät dran, wir hatten Hunger, die Vorräte waren alle, und wie meistens lag noch ein Pass zwischen uns und dem Städtchen, wo wir übernachten wollten. Fahren, stossen, fahren, dazwischen die Aussicht aufs Meer geniessen. Irgendwann sagte mein Mann plötzlich: «Wenn wir oben sind, gibts ein Fondue.» «Oder ein Raclette», doppelte ich nach, und wir lachten.

Endlich hatten wir die Passhöhe im Blick, samt Aussichtsplattform und grossem, leerem Parkplatz. Das heisst, nicht ganz: Ein grauer Lieferwagen parkierte dort, und angeschrieben war er mit «Food Truck». Ja, ja, morgen früh gibts dort wieder Kaffee und Gipfeli für Pendlerinnen und Touristen, dachten wir. Doch beim Näherkommen hörten wir Musik.

Und tatsächlich: Auf der anderen Seite war das Gefährt offen, zwei nette Jungs standen hinter dem Tresen, alles sah aus wie echt! Schüchterne Frage: «Man­giare?» «Ma certo», hier ist die Karte. Uff! Wir teilten uns ein Bier, während wir aufs Essen warteten, und genossen den Sonnenuntergang. Dann gabs die beste Pasta der Welt, gefolgt vom besten Espresso der Welt und einer Schussfahrt runter nach Villasimius.

Würden wir diesen Abend auch dann in bester Erinnerung behalten, wenn wir mal eben mit Motörli-Rückenwind über den Pass geradelt wären? Wohl kaum. Es lebe das Stahlross!