Fabian Baumann,
Redaktor
(fabian.baumann@velojournal.ch)
Ausprobiert,
Test,
28.11.2024
Klamme Finger sind unangenehm. Velojournal hat sechs neue spezielle Winterhandschuhe für Radfahrende unter die Lupe genommen. Ob das perfekte Modell dabei ist, zeigt der Praxistest.
Fabian Baumann,
Redaktor
(fabian.baumann@velojournal.ch)
Ausprobiert,
Test,
28.11.2024
Welcher Handschuh hält die Finger beim Velofahren am wärmsten? Der Test zeigt es. (Foto: Mirjam Graf)
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Vorweg: Menschen reagieren unterschiedlich auf Temperaturen. Mehr als 30 000 Kälte- und gut 3000 Wärmerezeptoren in den Organen, im Gehirn und auf der Haut registrieren feinste Temperaturveränderungen. Wie eine Person Wärme oder Kälte empfindet, ist unter anderem von der Dicke des Körperfettes, dem Stoffwechsel, dem Blutdruck oder der Gewöhnung abhängig. So gibt es Menschen, die selten bis nie frieren. Und es gibt Personen, denen fast immer etwas zu kühl ist. Ich gehöre eindeutig zu Letzteren. Besonders meine Hände sind fast immer kalt. Richtig warme Finger habe ich nur, wenn das Quecksilber auf über 25 Grad steigt. Für das tägliche Pendeln mit dem Velo im Winter ist das keine ideale Voraussetzung. Sogar dann nicht, wenn dieser wie heuer sehr mild ausfällt. Doch zum Glück gibt es Handschuhe.
In den vergangenen Wochen hat mich eine Auswahl aktueller Velohandschuhe für die kalte Jahreszeit auf meinen täglichen Fahrten ins Büro, zum Einkaufen oder auf den Gravelrunden im Wald begleitet. Im Praxistest mit dabei waren das Modell «Xnetic H2O» von Giro, der Roeckl «Vuno», die beheizbaren Handschuhe «Lightning SW04» von Savior, der «One10» aus der Handschuh-Reihe von SQ-Lab sowie die Veloplus-Modelle «Arctic Light» und «Beam».
Die getesteten Handschuhe lassen sich nicht eins zu eins miteinander vergleichen. Einige sind dick isoliert und für den Einsatz bei Minustemperaturen gedacht, andere für die Übergangszeit konzipiert. Der Praxistest ist damit ein Querschnitt des Angebots an Velohandschuhen für den Winter und die Übergangszeit.
Die getesteten Modelle schützen die Finger auch vor Nässe.
Für kalte Herbsttage und Ausfahrten an milden Wintertagen ist der «Xnetic H2O» von Giro gedacht. Im Praxistest gefällt das Modell, weil sich die Handschuhe angenehm tragen lassen und ein gutes Griffgefühl am Fahrradlenker bieten. Schalten, bremsen, ob am Rennrad oder auf dem Bike, ist problemlos möglich. Die Handschuhe bestehen aus einem Strickgewebe. Zusätzlich sind sie mit einer wasserdichten Membran ausgestattet, womit sie sich auch für Fahrten bei Hudelwetter eignen. Und obwohl sie nicht so aussehen, halten die Giro-Handschuhe erstaunlich warm. Den vom Schreibenden ausgedachten «Härtetest», 5 Minuten im Tiefkühlraum bei –18 °C, überstanden sie im soliden Mittelfeld (siehe Testergebnisse). Einzig bei der Bedienung des Smartphones fällt der Handschuh ab. Das Tippen einer Nummer und selbst das Entsperren des Geräts funktioniert mehr schlecht als recht.
Auch das Modell «One10» des auf Ergonomie spezialisierten Herstellers SQ-Lab ist nicht für arktische Winter, sondern eher für solche in Mitteleuropa gedacht. Speziell an den Handschuhen ist, dass sie über eine integrierte, wasserdichte Regenhülle verfügen, wie man sie sonst von Rucksäcken kennt. Bei Nichtgebrauch verschwindet sie in der Manschette am Handgelenk. Die Hülle hält aber nicht nur Wasser ab, sondern verwandelt den «One10» auch in einen Dreifinger-Handschuh: Daumen und Zeigefinger bleiben für eine bessere Kontrolle des Lenkers und zum Schalten und Bremsen frei, kleiner Finger, Ring- und Mittelfinger sind zusammen und halten sich warm.
Veloplus beschreibt den aus der Eigenentwicklung stammenden «Arctic Light» als «idealen Handschuh für die Übergangszeit». Im Praxistest hat der Schreibende die Handschuhe dennoch als recht warm empfunden, was auch am flauschigen Material des Futters liegt. Hervorzuheben ist die Möglichkeit, über den «Arctic Light» die «Arctic Hummer 2.0»-Überhandschuhe zu tragen. Die Kombination eignet sich für besonders kalte Tage – von denen es bis anhin so wenige gab, dass die Überhandschuhe nicht in den Test aufgenommen wurden.
Wenn das Quecksilber gegen 0 Grad und darunter sinkt, braucht es etwas besser isolierte Handschuhe. Oder solche mit einer integrierten Heizung. Als Gfrörli war der Tester darum besonders auf das Model «Lightning SW04» von Savior gespannt. Die Handschuhe verfügen über drei Heizstufen. Auf Knopfdruck werden der Handrücken und die Fingerspitzen spürbar erwärmt. Die Energie dafür kommt aus jeweils einem Akku mit einer Kapazität von 2200 mAh. Die Batterien können zum Laden entnommen werden, eine Akkuladung reicht für mehrere Stunden Betrieb. Leider mindert der in der Manschette untergebrachte Stromspeicher den Tragekomfort. Zudem hat im Praxistest der Windchill die Heizleistung erheblich beeinflusst. Die dünne Neoprenoberfläche der Handschuhe kühlt bei kaltem Fahrwind stark ab, was die integrierte Heizung nicht auszugleichen vermag.
Nicht auf eine Heizung, dafür eine kuschlig warme «Primaloft»-Isolierung setzt Roeckl beim Modell «Vuno». Die Handschuhe sind nicht nur warm, sondern auch hochwertig verarbeitet und erinnern eher an teure Ski- als an Velohandschuhe. Mit dem «Vuno» leistet der Hersteller zudem einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft: Das Gewebe der Innenhand, der Oberhand und das Fleece-Futter besteht jeweils zu einem Grossteil aus recyceltem Material. Im Praxistest wird das gute Ergebnis einzig durch das Fahrgefühl gemindert. Aufgrund der dicken Isolierung wird das Bedienen der Brems-Schalthebel am Rennvelo oder Gravelbike etwas beeinträchtigt.
Einen Abzug beim Fahrgefühl erhält im Test auch der «Beam» von Veloplus. Sonst überzeugt der mit vielen Reflektoren bestückte Winterhandschuh mit einer guten Wärmeleistung. Selbst die Bedienung des Smartphones klappt ohne grössere Probleme.
Den perfekten Winterhandschuh gibt es nicht. Roeckl kommt mit dem «Vuno» dem Prädikat aber sehr nahe. Der «Xnetic H2O» von Giro, der «One10» von SQ-Lab und der «Arctic Light» von Veloplus schützen ebenfalls vor Kälte und sind – zumindest diesen Winter – universell einsetzbar, da sie sich auch für wärmere Tage eignen.
Giro «Xnetic H2O»
Leichte, wind- und wasserdichte Handschuhe aus einem Strickgewebe. Bei Temperaturen über 0 Grad erstaunlich warm.
Wärme*: 2,5
Wind*: 5
TK-Test*: 3
Smartphone*: 1
Fahrgefühl*: 5
Total: 16,5/25 Punkten
Preis: 69 Franken
giro.ch
Roeckl «Vuno»: Der Velojournal Testsieger.
Sehr warmer, wind- und wasserdichter Handschuh mit «Primaloft»-Isolierung und hochwertiger Verarbeitung. Hoher Anteil an recycelten Materialien.
Wärme*: 5
Wind*: 5
TK-Test*: 5
Smartphone*: 4
Fahrgefühl*: 3
Total: 22/25 Punkten
Preis: 119 Franken
roeckl.de
Savior «Lightning SW04»
Handschuhe mit integrierter Heizung und drei Temperaturstufen. Eine Akkuladung reicht für mehrere Stunden Betrieb.
Wärme*: 3
Wind*: 3
TK-Test*: 3
Smartphone*: 4
Fahrgefühl*: 4
Total: 17/25 Punkten
Preis: 169 Franken
savior-europe.com
SQ-Gloves «One10»
Leichte, wind- und wasserabweisende Handschuhe. Der Clou ist der integrierte Regenschutz, der bei Bedarf übergezogen werden kann.
Wärme*: 2,5
Wind*: 4
TK-Test*: 3
Smartphone*: 4
Fahrgefühl*: 4
Total: 17,5/25 Punkten
Preis: 74.90 Franken
sq-lab.com
Veloplus «Arctic Light»
Winddichte Softshell-Handschuhe, die bei Temperaturen über 0 Grad dennoch die Finger gut warm halten. Können mit dem Aussenhandschuh «Arctic Hummer 2.0» kombiniert werden.
Wärme*: 3
Wind*: 4
TK-Test*: 3
Smartphone*: 4
Fahrgefühl*: 4
Total: 18/25 Punkten
Preis: 69.90 Franken
veloplus.ch
Veloplus «Beam»
Wind- und wasserdichter Handschuh mit reflektierenden Elementen. Hält die Finger auch bei Temperaturen unter O Grad warm.
Wärme*: 4
Wind*: 4
TK-Test*: 4
Smartphone*: 4
Fahrgefühl*: 3
Total: 19/25 Punkten
Preis: 89.90 Franken
veloplus.ch
* Bewertung Velojournal
Artikel Update: 28.11.2024
Velojournal hat die Handschuhe im Turnus mehrere Wochen im Veloalltag getestet. Um eine vergleichbare Aussage zu Wärme, Windschutz und Fahrgefühl machen zu können, wurden die Modelle zusätzlich an einem Tag auf einer fixen Teststrecke ausprobiert. Als «Härtetest» hat der Autor die Handschuhe in einem Tiefkühlraum bei –18 °C getragen und die Wärmeleistung festgehalten.
1. Handschuhe in der richtigen Grösse tragen
Mit zu kleinen oder zu grossen Handschuhen beginnt man leicht zu frieren. Es braucht ein bisschen Luft um die Finger, damit diese die Finger wärmen kann. Ist der Handschuh zu gross, dann reicht die Wärme der Finger nicht aus, und die Isolationsschicht aus Luft bleibt kalt.
2. Zwiebelprinzip
Am wärmsten hat, wer sich nach dem Zwiebelprinzip kleidet. Das gilt auch für Handschuhe. Die Dicke der Handschuhe ist für deren isolierende Eigenschaft nicht das einzige entscheidende Element. Es ist die Luft zwischen den Schichten, die für zusätzliche Wärme sorgt.
3. Für warme Hände in die Pedalen treten
Bewegung generiert Wärme im Körper. Wird mehr Wärme produziert, als der Körper benötigt, um die Organe warm zu halten, wird die überschüssige Wärme in die Extremitäten und bis in die Fingerspitzen transportiert.
4. Fäustlinge sind besser als Fingerhandschuhe
Bei Fäustlingen sind alle Finger beieinander und wärmen sich gegenseitig. Deshalb friert man in Fäustlingen weniger als in Fingerhandschuhen. Allerdings sind damit nicht alle Schaltungen einfach zu bedienen, und auch Brems-Schalt-Griffe lassen sich mit Fäustlingen schlecht greifen.
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