Über Korsikas Berge

Eine hochsommerliche Velotour auf Korsika im Rekordsommer, geht das? Ja, sagt sich das 11-köpfige Peloton, das mit Begleitfahrzeug Mitte Juli die Fahrt zur «Insel der Schönheit» antritt.

Pete Mijnssen ist Chefredaktor des Velojournals.

Pete Mijnssen, Chefredaktor (pete.mijnssen@velojournal.ch)
Reisen, 19.08.2022

Auf der Bahnfahrt nach Savona ist die Vorfreude gross, Erinnerungen an eine Korsika- Rundfahrt vor sieben Jahren werden wach. Allerdings waren im Frühherbst die Temperaturen milder und der Touristenstrom am Abklingen. Wir erinnern uns zurück an die Sardinien-Tour vor drei Jahren, mit Rekordtemperaturen bis zu 45º C. Bei solcher Hitze fühlt sich Abwärtsfahren mit dem Velo wie eine Warmluftmassage an, beim Hochfahren bleibt nur noch gnadenlose Hitze. Was erwartet uns wohl in Korsika?

Für alle Fälle sind wir auch diesmal mit dem «Servicewagen» gewappnet, unserem Transporter mit wechselnden Piloten und Co-Piloten. Diese sorgen für Verpflegung unterwegs – und viel Wasser! Die Route ist vorbestimmt, das Organisationkomitee hat einmal mehr vorbildlich geplant, die Route ist ausgewogen und die Hotelreservationen klappen trotz Hochsaison (nicht einfach bei 11 Personen).

Wie immer bei einem grossen Peloton ist das Organisatorische nicht ganz einfach, die Aufmerksamkeit Aller ist oft nur schwer zu erreichen. Zum Glück wurde die Route mittels GPS vorgängig verschickt und abgespeichert, Start- und Zielort sind also immer klar. Unterwegs stehen zwei unterschiedliche Routen-Verläufe zur Auswahl. So kann jede und jeder nach persönlichem Gusto und Trainingsstand fahren und notfalls auch in den Bus steigen.

Denkmäler, Kirchen und melancholische Bergdörfer

Die erste Etappe führt von Bastia Richtung Süden, wo am Col de Teghime die Aussicht genossen wird. Ein Denkmal erinnert an die Rückeroberung der Alliierten 1944, vor allem an die marokkanischen «Goumiers». Dem tapferen Berberstamm wird ein grosser Anteil an der Befreiung der Insel zugeschrieben. Dort steht noch eine Haubitze, wie sie heute wieder in der Ukraine verwendet wird.

Auf dem Weg passieren wir die romanische Kirche San Michele de Murato. Der aus grünen Serpentin- und weissen Kalksteinblöcken bänder- und schachbrettartig gebaute Sakralbau war für den Romancier Prosper Mérimée die eleganteste Kirche der Insel.

Wir fahren weiter den Berg hoch, durch melancholische Bergdörfer. Oft zeugen im Dorfkern Fotos von früheren Zeiten und dem Dorfleben. Heute wirkt vieles verlassen, was sich auch an den rauchgeschwärzten Häuserfassaden nach den vielen Buschfeuern zeigt. Nicht einmal eine Kneipe ist zu finden. Nach rasanter Abfahrt tauchen wir in Folelli ins Meer.

Die Medusen von Folelli

Dort werden wir von schlangenartigem Meeresgetier empfangen: Medusen. Laut griechischer Mythologie war Medusa eine schöne Frau, bevor sie von der Göttin Athene in ein Ungeheuer mit Schlangenhaaren verwandelt wurde. Die Medusen, die wir antreffen, sind gut 30 Zentimeter gross, violett und bewegen sich für Quallen untypisch recht zackig auf uns zu. Jedenfalls haben wir genug gebadet für heute. Später erfahren wir von der «Quallenplage» am Mittelmeer – für uns soll es die einzige Begegnung dieser Art bleiben.

Einschneidender für mich ist kurze Zeit später der laute Knall an meinem Velo. Grund ist ein «Schleicher» am Vorderrad, der sich an der prallen Sonne entlud. Dabei hatte ich mein Velo noch nie so gut vorher im Service überprüfen lassen. Pech!

Die beiden Velodoktoren Martin und Stephan gehen das Problem zwar beherzt und mit viel Sachverstand an (Felgendurchstich auf Schlauch), aber sie können den Defekt auch nicht beheben.

Aller Schweiss in der Abendsonne war umsonst. Glücklicherweise haben wir ein Ersatzrad dabei, das erst noch passt. So fährt der Hightech-Velöler ein paar Tage auf einem Lowtech-Vorderrad. Später montiert mir ein Velohändler in Propriano ein neues Felgenband.

Berg- und Meeresfahrten an der von Ost nach West

Die nächsten Tage geht es jeweils in Berg- und Talfahrt vom Meer in die Berge und wieder runter: Aleria, Travo. Immer den Bergstrassen und Strässchen entlang, je schmaler desto weniger Verkehr. Trotz Trockenheit finden wir unterwegs einen kühlen Bergbach, wo wir uns eine Abkühlung gönnen.

Im Allgemeinen fahren die Einheimischen rücksichtsvoll, die Touristen kurven dem Meer entlang.

Nach Travo wechseln wir die Inselseite Richtung Westen zum Col de Bavella, auf 1200 Metern gelegen – ein kleiner Mont Ventoux. Nicht gerade 1600 Höhenmeter Steigung, dafür mit vierzig Kilometern fast doppelt so lang. Auf dem Gipfel geniessen wir die Aussicht und das kühle Windchen.

Danach geht es, abgesehen von ein paar Rampen, runter nach Propriano, wo wir in einem Sechzigerjahre-Klassikerhotel logieren und am Abend am Strand perfekt verköstigt werden. Wie im Film versinkt die Sonne langsam hinter dem Horizont, die Temperatur wird angenehm.

Am nächsten Morgen werden wir beim Morgenschwumm von zwei Delphinen in sicherer Distanz begleitet – und merken es nicht einmal. Kollege Claudio hat es aber beobachtet und fotografisch festgehalten.

Propriano-Ajaccio

Entlang der wilden Westküste folgen spektakuläre Aufstiege und Aussichten aufs Meer. Unterwegs geniessen wir die würzige Luft, laben uns immer wieder an den Leckereien lokaler Bäckereien oder an selbstgemachten Glacés. Schon dies hebt das Niveau gegenüber der Nachbarsinsel Sardinien. Das kulinarische Angebot ist vielfältiger, die Preise oft auch hoch – Inselpreise eben.

Bevor wir uns im Gewühl von Ajaccio wiederfinden, führt Martin das Peloton sachkundig und zielsicher auf der Autostrasse und durch den Abendverkehr. Am Stadtrand treffen wir im schön gelegenen Strandhotel auf unsere KollegInnen rund um Dani: alles deutlich jüngere und wohltrainierte GümmelerInnen, welche die Inseltour im umgekehrten Uhrzeigersinn unter die Räder genommen haben.

Der Austausch ist informativ und endet in einem vergnüglichen Abend, bevor es am nächsten Morgen in die Gegenrichtung geht.

Ajaccio-Piana

Heute steht eine fast hundert Kilometer lange Berg- und Talfahrt entlang der Küste an. Zudem erreichen die Temperaturen Rekordwerte - 38 Grad sind vorausgesagt. Wo es geht, kürzen wir deshalb etwas ab. Peter bemerkt, dass man auch diese Etappe «früher mit Links gemacht hätte». Tja, auch an uns nagt der Zahn der Zeit.

Für sein Alter recht frisch präsentiert sich das Hotel Les Roches Rouges hoch über dem Meer. Der 110 Jahre alte Kasten liegt spektakulär über den Klippen, bis zum zweiten Weltkrieg war er Traumziel der Reichen und Schönen. Sie kamen auch wegen der Kulisse: Die spitz und hoch aufragenden roten Felsen reichen bis ins Meer.

Die Inhaberin Mady Dalakupeyan, die sich nur per Vornamen vorstellt, hat das 1965 aufgegebene «Spukschloss» 1986 gekauft und ist trotz ihrem Rentenalter noch immer omnipräsent. Durch den Film «Die Schachspielerin» (2009, u.a. mit Kevin Kline) fand der Ort neues Publikum und ist somit auch heute gut gefüllt.

Der Weg ans Meer dauert heute etwas länger – gewundene 15 Kilometer gehts über vierhundert Meter abwärts mit dem Velo in die idyllische Arone-Bucht. Zum Glück bringt uns Chauffeur Stephan nach der langen Tagesetappe mit dem Bus zurück ins Hotel und an den Nachtessenstisch.

Spektakuläre Calanche

Am nächsten Morgen ist «Titelbild-Wetter» – die rötliche Felsenlandschaft aus Granit will festgehalten werden. Unsere letzte Station vor der Überfahrt aufs Festland ist Ile Rousse. Wir geniessen nochmals die Meeresaussicht und ein letztes Bad im angenehm frischen Meer.

Nun fällt uns ein, was wir vergessen haben: Badeschuhe! So verhalten wir uns wegen der Seeigel doppelt vorsichtig beim Einsteigen in kühle Nass.

Zug in die Heimat

Auf dem Markt decken wir uns mit lokalen Leckereien und Mitbringseln ein, bevor der letzte Abschnitt durch das Naturreservat Desert des Agriates nach St. Florent beginnt. Hinter der steppenartigen Landschaft verstecken sich traumhafte Strände, ein Geheimtipp für Camper.

Wir aber fahren via Oletta nach Bastia zurück, wo alle Velos wieder feinsäuberlich verpackt in den Transporter kommen. Und wie war das mit der anfänglich befürchteten Hitze? Ausser dem grossen Wasserbedarf (geschätzte 150-200 Mannschafts-Liter) während der Tour hielten sich die Kollateralschäden in Grenzen. Mit solchen Vorkehrungen macht Velofahren auch bei grosser Hitze Spass. Das kulinarische Angebot wie auch die Unterkünfte trugen das Ihrige zur guten Stimmung bei.

So warten wir nun am Hafen und staunen über die endlose Autoschlange, die sich aus dem Bauch der ankommenden Fähre ergiesst. Am nächsten Morgen spuckt das Fährenungetüm auch uns aus, bevor wir auf den Zug umsteigen.

Die beiden Chauffeure Martin und Peter sind mit dem Transporter schon bald über alle Berge Richtung Schweiz verschwunden.

Infos & Downloads

Die Tour umfasst acht Tagesetappen (ohne Hin- und Rückfahrt). Die Inselumrundung startet und endet in Bastia. Die Stationen sind Folelli, Aleria, Travo, Propriano, Ajaccio, Piana  und Ile Rousse. Ausser in Piana liegt jeder Etappenort am Meer.

Etappenlänge: zwischen 85 und 120 km, zwischen 1450 und max. 2250 Hm.

Hier können Sie die einzelnen Etappen der Reise im GPX-Format für Navigationsgeräte herunterladen. 

Etappe 1

Etappe 2

Etappe 3

Etappe 4

Etappe 5

Etappe 6

Etappe 7

Etappe 8

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