EU-Ermittler ziehen E-Bike-Schmuggler aus dem Verkehr

Schlag gegen den organisierten Zollbetrug. Die EU-Staatsanwaltschaft hat im Hafen von Piräus 2435 Container beschlagnahmt. Darin: Tausende unverzollte E-Bikes aus China. Der Schaden beträgt Hunderte Millionen Euro.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
E-Bike, News, 18.09.2025

Der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) ist ein empfindlicher Schlag gegen ein internationales Betrugsnetzwerk gelungen. Bei einer koordinierten Aktion Ende Juni wurden im griechischen Hafen Piräus 2435 Schiffscontainer beschlagnahmt, die mehrheitlich mit undeklarierten E-Bikes, Textilien und Schuhen aus China gefüllt waren. Der Wert der sichergestellten Güter wird auf mindestens 250 Millionen Euro geschätzt.

Wie die EUStA mitteilt, stand bei der Aktion mit dem Codenamen «Calypso» das systematische Umgehen von Zöllen und Steuern im Mittelpunkt. Durch die Machenschaften der kriminellen Organisationen sei der Europäischen Union ein finanzieller Schaden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro entstanden.

Operation Calypso: Anklage gegen Zollbeamte

Im Rahmen der Ermittlungen hat die Europäische Staatsanwaltschaft in Athen Anklage gegen sechs Personen erhoben. Unter den Angeklagten befinden sich zwei griechische Zollbeamte. Ihnen wird vorgeworfen, Teil eines riesigen Betrugsnetzwerks gewesen zu sein, das den EU-Markt jahrelang mit unverzollten Waren aus China überschwemmte.

E-Bikes im Fokus der Betrüger

Ein besonderer Schwerpunkt des Betrugs lag auf der Einfuhr von E-Bikes. Mindestens 500 der beschlagnahmten Container waren mit Elektrovelos aus China beladen. 

Die bisherigen Untersuchungen der griechischen Zollbehörden deckten ein systematisches Vorgehen auf: Im Durchschnitt wurden nur 10 bis 15 Prozent der tatsächlichen Anzahl an E-Bikes pro Container deklariert. Gleichzeitig wurde der Wert der Fahrräder bewusst massiv zu niedrig angegeben.

Mit diesem Vorgehen sollten gezielt die geltenden Antidumpingzölle umgangen werden, welche die EU zum Schutz der europäischen Fahrradindustrie auf E-Bikes aus China erhebt. 

Allein für die sichergestellten Elektrovelos schätzt die EUStA den Schaden durch hinterzogene Zollgebühren auf mindestens 25 Millionen Euro. Hinzu kommt ein Verlust von 12,5 Millionen Euro an nicht entrichteter Mehrwertsteuer.

Ein Betrugssystem mit enormen Ausmassen

Die Ermittlungen richten sich laut Mitteilung «gegen mehrere kriminelle Netzwerke, die hauptsächlich von chinesischen Staatsangehörigen kontrolliert werden». Diese hätten einen kompletten Kreislauf für den illegalen Import aufgebaut – von der Einfuhr über die Verteilung in den EU-Mitgliedstaaten bis hin zum Verkauf an die Endkunden. 

Das betrügerische Geschäftsmodell lief seit mindestens acht Jahren. Die EUStA beziffert den Gesamtschaden auf mindestens 350 Millionen Euro an Zollgebühren und 450 Millionen Euro an Mehrwertsteuern.

Im Zuge der Ermittlungen wurden bereits Ende Juni 2025 zehn Verdächtige in vier Ländern festgenommen. Bei mehr als 100 Durchsuchungen stellten die Behörden dabei auch Gelder im Wert von fast 6 Millionen Euro sowie Waffen sicher. Die nun in Athen angeklagten Zollbeamten und vier Zollagenten sollen für die wiederholte Falschzertifizierung und den Zollbetrug verantwortlich sein. 

«Die Spielregeln haben sich geändert»

Die Europäische Generalstaatsanwältin Laura Codruța Kövesi kommentierte den Erfolg: «Hochorganisierte kriminelle Netzwerke haben sich jahrelang auf diese Art von Betrug spezialisiert. Sie haben sich daran gewöhnt, unseren Finanzen und Volkswirtschaften fast ohne Risiko massive Schäden zuzufügen.» 

Die Ermittlung «Calypso» sende an diese Kriminellen eine einfache Botschaft: «Die Spielregeln haben sich geändert, es gibt keine sicheren Häfen mehr für euch.» Die Razzia zeigt laut der EU-Staatsanwaltschaft bereits positive Folgen. 

So beobachten die griechischen Zollbehörden seit Ende Juni eine positive Entwicklung: Importeure im Hafen von Piräus deklarieren vergleichbare Waren nun zu Preisen, die dem tatsächlichen Wert deutlich näherkommen.

Schaden für die Velobranche

Illegale Importe von E-Bikes schaden nicht nur dem Finanzhaushalt der EU, sondern auch der Velobranche. Marken und E-Bike-Hersteller, die sich an die Regeln halten, sind durch die Kosten für Homologation, CE-Konformität, Akku-Sicherheit oder das korrekte Entrichten der Antidumpingzölle benachteiligt. Die Europäische Staatsanwaltschaft spricht offen von einer enormen Wettbewerbsverzerrung.

Ein weiteres Problem betrifft die Produktsicherheit: Viele der illegal eingeführten E-Bikes haben weder eine Typenzulassung noch geprüfte Batterien oder funktionierende Geschwindigkeitssperren. Schätzungen gehen davon aus, dass bereits bis zu 100’000 solcher unsicheren Elektrovelos auf Europas Strassen unterwegs sein könnten. Diese Fahrzeuge bergen nicht nur das Risiko von Akku-Bränden, sondern können auch das Vertrauen in die gesamte E-Bike-Branche nachhaltig schädigen.

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