Der Schweizer E-Bike-Hersteller Flyer entlässt 80 Mitarbeitende am Hauptsitz in Huttwil. Die Verantwortlichen sehen darin einen «unumgänglichen betriebswirtschaftlichen Schritt, um die wirtschaftlichen Grundlagen und internationale Wettbewerbsfähigkeit der Flyer AG nachhaltig und langfristig zu sichern», wie die Firma am 28. September in einer Mitteilung schreibt.
Das Unternehmen wolle seinen strategischen Fokus konsequent auf das Kerngeschäft weiterverfolgen, die Zusammenarbeit mit dem Fachhandel werde gestärkt, verspricht der Verwaltungsrat. Auch in Zukunft setze man auf «Swissness» mit wesentlichen Teilen der Wertschöpfung in der Schweiz: Der Standort Huttwil bleibe als Sitz für die Flyer AG auch in Zukunft von zentraler Bedeutung.
Der Pionier muss zurückstecken
Die «Restrukturierung», wie Flyer es formuliert, führt zu einem Stellenabbau von ca. 80 Mitarbeitenden von total 302 Stellen in Huttwil. Dies betrifft sowohl die Produktion als auch die Administration. Der Abbau werde so sozialverträglich wie möglich durchgeführt. Es besteht ein Sozialplan. Die Firma hatte den Stellenabbau bereits Anfang September angekündigt.
Mit Pioniergeist, Schweizer Präzision wurde Flyer in den frühen 1990er- Jahren gegründet. In Huttwil fertigen rund 300 Mitarbeitende mit der Erfahrung und Kompetenz aus drei Jahrzehnten täglich bis zu 400 E-Bikes.
Mit wegweisenden Innovationen prägte das Unternehmen die Entwicklung des E-Bikes und gilt als Schweizer Marktführer. Seit 2017 gehört die Flyer AG dem deutschen ZEG-Konzern, ist aber mit Tochtergesellschaften in Deutschland, Österreich und den Niederlanden präsent und hat eigene Vertriebsteams in Frankreich und Italien. Die Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG) ist Europas grösster Verbund unabhängiger Fahrrad-Fachhändler und vertreibt unter anderem die Marken Pegasus, Bulls, Kettler, und Hercules.
Den Markt falsch eingeschätzt?
Ab 2001 konnte Flyer personell stark ausbauen und in Huttwil neue Montagestrassen erstellen. Das schwierige Marktumfeld und Kalkulationsfehler könnten zur jetzigen Situation geführt haben. Der Konkurrenzdruck, gerade in Deutschland ist gross. Zudem herrscht im Euroraum Rezession.
Das Resultat ist ein Überangebot – gut zu beobachten an der momentanen Rabattschlacht. Hat das Managment die Situation falsch eingeschätzt? Branchenkenner berichten, dass an der Eurobike im Juni die Euro-Preislisten für Flyer 2024 nach dem ersten Messetag geschreddert werden mussten. Die Preise waren durchs Band um mehrere hundert Euro zu hoch kalkuliert.
Dies dürfte die Vororder für 2024 deutlich gemindert und einen Einfluss auf die nun getroffene Entscheidung gehabt haben. Zu diesem Sachverhalt wollte Flyer gegenüber Velojurnal keine Stellung nehmen und verweist lediglich auf ihre Medienmitteilung.
Die Reissleine gezogen
Aufgrund der Marktentwicklung hat die ZEG nun bei der Schweizer Tochter die Reissleine gezogen. Was dies für die Zukunft der Firma heisst, bleibt offen. Die Entwicklung bei Flyer zeigt, dass in der Velobranche auch nach der Euphorie im Pandemiejahr 2020 die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
Aber Flyer und die frühere Biketec kennen sich in Krisen aus. Auch die frühere Erfolgsgeschichte entstand aus einem Konkurs und dem nachfolgenden Managment-Buy Out, nachdem Mäzen Andi Rihs beim Start-up ebenfalls die Notbremse gezogen und den Geldfluss gestoppt hatte.
Ob das Motto «Vogel friss, oder stirb» auch dieses Mal funktioniert? Man darf gespannt sein. Gut möglich auch, dass dies nicht die letzte Hiobsbotschaften sein wird, die uns in diesem Herbst aus der Velobranche erreicht.