Lieber Dr. V. Love
In der Vorschau habe ich gelesen, dass Sie sogenannte «Micro-Cargos» testen. Frage: Was ist daran «Micro» – oder «Mini»? In unserer Siedlung und auf der Strasse sehe ich immer mehr dieser Riesen-Mama- und -Papamobile. Sie stehen überall im Weg und versperren uns Normal-Velofahrern den Platz. Meiner Meinung nach ist das alles nur ein Marketing-Gag der inzwischen arg gebeutelten Velobranche, um wieder etwas Neues verkaufen zu können. Wie sehen Sie das?
Hanspeter Küenzi, Bottmingen
Lieber Herr Küenzi
Ich bin beeindruckt und vermute, im Namen der Gesamtredaktion zu sprechen, wenn ich mich für Ihr sorgfältiges «Velojournal»-Studium herzlich bedanke: Wer sich mit der Vorschau der nächsten Nummer befasst, muss ein wirklich treuer Leser unseres Magazins sein. Merci!
Was Ihre Frage angeht, bin ich ganz bei Ihnen. Und möchte ergänzend festhalten: Beim (Micro-)Cargobike ist es wie beim Biogemüse – man muss es sich leisten können. Cargobikes in sämtlichen Dimensionen und Bauarten sind ja in ihrer hässlichen Klobigkeit so etwas wie die SUV der Öko-Snob-Fraktion. Und sie sind ein Velo gewordenes Statement überlegener Moral: Seht alle mal her, wie toll ich die Umwelt schütze. Hach, ich bin so viel besser als ihr Autofahrer in den chinesischen Hybrid-Plastikkarren (Buh!), protzigen Teslas (Buh! Buh!) oder verbrennungsmotorisierten Gefährten (ohne Worte!) – und zudem so unglaublich smart, bei alldem gleich noch etwas für meine Fitness zu tun.
«Cargobikes in sämtlichen Dimensionen und Bauarten sind ja in ihrer hässlichen Klobigkeit so etwas wie die SUV der Öko-Snob-Fraktion.»
Was dem gemeinen Autoposer der Agglo-Raststättenparkplatz am Wochenende, ist dem oder der Carbobikenden die Lastveloparkfläche vor dem nächsten Alnatura-Bio-Supermarkt in der Altstadt.Aber ja. Abgesehen davon, dass eine solche Attitüde ähnlich nervt wie die von Ihnen erwähnte Unförmigkeit der Vehikel, die jeden Veloabstellplatz zuverlässig zum Hindernisparcours werden lassen, ist es gar nicht so einfach, die Argumente zu entkräften, die für ein Cargobike sprechen. Und Hand aufs Herz: Gibt es irgendetwas, das in Zeiten des ausweglosen späten Spätkapitalismus NICHT nur ein Marketing-Gag wäre? Eben.
In diesem Sinne: Atmen Sie ein. Atmen Sie aus. Wiederholen Sie das Ganze. Fluchen Sie herzhaft, wenn Sie dem nächsten und dem übernächsten Cargobike einen Tritt verpassen, und radeln Sie danach fröhlich in die Abendsonne. That’s how we roll!
Winkt wie immer leicht übertrieben munter: Ihr Dr. V.Love