Lieber Dr. V. Love
Die lange verschmähten Körblivelos sind gerade wieder en vogue. Nicht nur bei Frauen, sondern auch bei Männern. Ist das jetzt das neue Gendern?
Ulrich B. aus Altdorf
Lieber Ulrich B.
Asche auf unser Haupt: Ausgerechnet wir, die Veloprofis, haben die Zeichen übersehen. Wie konnten wir nur? Denn seit geraumer Zeit ists offensichtlich: Allüberall werfen Frauen in mittelteuren Businessanzügen hinter dem Steuer ihrer chinesischen Batterieautos sanft gebotoxte Stirnen in sanfte Falten, Work-out-Männer mit beigen Cargohosen und Batikshirts auf riesenhaften Cargobikes steigen ab, halten sich sinnierend die Hand unters getrimmte Kinn, in Wide-Legs-Jeans steckende Halbwüchsige auf E-Scootern bremsen jäh ihre Gefährte, wiegen den Kopf, zitieren Judith Butler, Frank A. Meyer, Patty Basler oder Rolf Knie. Sie alle schauen auf Körbli an Zweirädern. Und überlegen: Dürfen die das? Die Frage der Stunde. Thomas Aeschi bereitet für die nächste Session eine dringliche Interpellation zum Thema vor.
Dank Ihren Zeilen hat die Brisanz dieses Trendphänomens endlich, endlich auch unser lichtdurchflutetes Grossraumbüro erreicht: Was hat es mit den Körbli am Velo auf sich? Und sollen sie Männer wirklich an ihre Velos montieren dürfen können? Was macht das mit uns? Mit der Welt, in der wir leben? Fühlt sich jemand unwohl? Wie weit noch geht dieser Woke-Wahnsinn? Wird man das ja wohl noch machen dürfen?
«Haltet ein, oh Liebhabende des Zweirads.»
Wir bildeten redaktionsinterne Arbeitsgruppen, diskutierten bis tief in pechschwarze Nächte – es kam zu Handgreiflichkeiten, Tumulten, Mediationsversuchen, Konsensfindungsrunden. Manche im Alltag durchaus vernünftig wirkende Redaktionsmitglieder rannten wild schreiend durch unsere Büro-Lounge –
ich erspare Ihnen weitere Details.
Schliesslich war es an mir, dem Radgeber, das wüste Treiben zu beenden: «Haltet ein, oh Liebhabende des Zweirads. Denkt an den IPA-Tenpack, die Wassermelone, den leger mitgeführten Faserpelz oder die Jumbopackung Klopapier. Wie praktisch ist das Körbli am Rad für solcherlei Transport. Spielt dabei
das Geschlecht irgendeine Rolle? Eben! Schliesslich wurde schon Moses im Körbchen geliefert.»
Ihr Dr. V. Love