Velodress im Zug

Darf man(n) im Rennvelodress in den Zug steigen? Dr. V. Love gibt Rat in prekären Lebenslagen.

Dr. V. Love, Velosoph (dr.v.love@velojournal.ch)
VLove, 02.07.2021

Als überzeugter Rennvelofahrer sitze ich oft auch im Zug, um nach einer ausgiebigen Trainingsfahrt wieder nach Hause zu fahren. Allein oder auch im Gruppetto mit Kollegen. Dabei fällt mir auf, dass vor allem junge Frauen in anderen Abteilen manchmal untereinander tuscheln und zu uns hinüberblicken.

Kürzlich hörte ich sogar ein «Wääck, diese Typen in ihren engen Dresses – die sehen ja aus wie verpackte Cervelats».Müssen wir uns neben der Frage, ob wir die Beinhaare rasieren sollen oder nicht, in Zeiten von #MeToo auch noch damit auseinandersetzen, wie wir beim Sport auszusehen haben?

Herzlich, Ihr H. K. aus B.

Lieber H. K. aus B.

«Das eigene Tun, Streben und Wollen wird seit je begleitet von blinden Flecken sonder Zahl.» (Beat Breu) Seien wir offen: Was das Outfit betrifft, gewinnt gerade bei Rennvelofahrern Funktionalität ziemlich klar gegen Ästhetik. Als passionierter Gümmeler mag man das anders sehen (siehe blinder Fleck).

Aber wo sonst wird das sich unter hoch elastischen Textilien sich wölbende männliche Gemächt derart tollkühn zur Schau gestellt, während es schwierig ist, bei den Hinterteilen in gepolsterten Radlerhosen nicht an Windeln zu denken. Wenn sich angesichts einer Horde in den Zug einsteigender Menschen in solcher Montur jemand fragt: «Was sind denn das für Perverse?», muss sich das Gruppetto der Rennvelofahrer also nicht weiter wundern.

In Kombination mit verschwitzten Tricots in Knallfarben und der sonnengeröteten Haut kühner Passbezwinger, die in ihren Veloschuhen in Zuggängen nicht richtig Tritt finden, gibt man/Mann tatsächlich ein Bild gelinden Grauens ab – oder macht sich wahlweise einfach lächerlich. Nun ja: Auch der Albatros sieht nicht gut aus, wenn er schwerfällig über den Boden watschelt. Er ist zum Fliegen da. Wenn Sie wissen, was ich meine.

Denken Sie angesichts scheeler Blicke ihrer Umgebung in den SBB zudem immer daran, dass wenig den Cervelat schlägt, etwa wenn es um die klassische Sommergrillade geht. Er ist ja nicht zufällig die Schweizer Nationalwurst: vielleicht nicht besonders schön, vielleicht nicht besonders edel, aber, nun ja, das ist ihm – wurst.

Also: Rasieren Sie sich, wo Sie wollen, entspannen Sie sich – und nehmen Sie sich ein Beispiel am Cervelat!

Liberté, Wurstegalité, Fraternité!

Ihr Dr. Love