Als Schweiz Tourismus zusammen mit Titelsponsor Coop Anfang Jahr «Ride the Alps» ankündigte, war die Vorfreude der sportiven Velogemeinde gross. Statt bisher maximal drei Events pro Jahr, die nur dank viel Idealismus von Organisationen wie Freipass zustande gekommen waren, lockten dieses Jahr nun zehn Anlässe. Und: Dank des Jahrhundertsommers konnten alle Fahrten wie geplant durchgeführt werden. Einzig am Susten war Ende Juni infolge der grossen Schneemengen für die 1350 Teilnehmer rund vier Kilometer und 400 Höhenmeter unter der Passhöhe im Himmelrank Schluss.
Merklich mehr velo fahrende Feriengäste
Positiv beurteilt André Aschwanden von Schweiz Tourismus gegenüber Velojournal den Verlauf der Saison: «Wir rechnen bis Ende September mit 10?000 TeilnehmerInnen.» Wie bei Anlässen von Freipass oder SlowUp waren lokale Organisationskomitees als Partner mit der Durchführung betraut. Gemäss einer Auswertung von Schweiz Tourismus waren auch die Restaurationsbetriebe und Hotels an der Strecke zufrieden: 24 Prozent der Befragten übernachteten an der Destination. Sie gaben 215 Franken pro Person und Aufenthalt aus – 75 Franken mehr als der Durchschnitts-tourist. 94 Prozent wollen wiederkommen – mit oder ohne Velo. Auch dies wird als Erfolg der Sommerkampagne Velo 2018 gewertet.
Ein weiteres Zeugnis für die Beliebtheit dieser Sommer-Veloaktivitäten liefert Rent a Bike mit seinen 200 Vermietstellen. Aufgrund der optimalen Wetterverhältnisse, der höheren Gästezahlen und der Fokussierung auf die Bikevermarktung ist Geschäftsleiter Stefan Maissen mehr als zufrieden: «Wir gehen für die alpinen Destinationen von einem Plus von rund acht Prozent aus gegenüber dem Vorjahr und im Mittelland von einem Wachstum von rund fünf Prozent.»

Eitel Sonnenschein und keine Autos am Freipass Klausen.
Zu viele Motorfahrzeuge
Etwas anders tönt es aus Teilnehmerkreisen: Der Susten-Anlass sei im Vergleich zu früher von «sportiveren Personen» absolviert worden, heisst es von einem, der sich selber als aktiven Gümmeler bezeichnet. Klar negativ beurteilt ein Teilnehmer und langjähriger Aktiver für autofreie Alpenpässe die Anlässe: «Anders als in den Vorjahren mussten dauernd extrem wichtige Funktionäre im Auto auf und ab fahren.» Die Sperrung für den motorisierten Verkehr habe nur unzureichend funktioniert. So zählte der Beobachter am 1. Juli am Col des Mosses am Morgen nach 10 Uhr trotz Sperrung in Gsteig in 21 Minuten 65 Motorräder. 20 von ihnen seien von den Veranstaltern selber geschickt worden.
Sarkastisch fügt er an, dass dies wohl «für den Schutz der 80 Gümmeler war. Von gesperrt war gar nichts zu spüren, dafür kam noch ein Speaker in einem Hummer und dröhnte ab Lautsprecher Sprüche in einem peinlichen Pidgin-Englisch raus.» Schweiz Tourismus sagt dazu: «Eine ‹Tour de Suisse-Atmosphäre›, und somit auch die Zeitmessung und die Ansprache von ambitionierten Zeitfahrern, gehören bei diesem Event zum Anspruch des Veranstalters.» Ziel von Schweiz Tourismus sei es gewesen, auch bestehende Anlässe in die Serie zu integrieren. Aschwanden verspricht dennoch, die Kritik in die Evaluation aufzunehmen.
Mehr Breite, weniger Sport?
Inzwischen hat Schweiz Tourismus ein positives Resümee veröffentlicht und angekündigt, dass Coop auch im nächsten Jahr wieder mit an Bord sein werde. Das Thema der Sommerkampagne wird dann «in Richtung Natur» gehen, wie Aschwanden andeutet – das «Velo wird in die neue Kampagne integriert». Klar ist, dass Coop die «Ride the Alps»-Anlässe auf eine breitere Zielgruppe zuschneiden will, um noch mehr Gäste zu einem Besuch in die jeweiligen Regionen zu verleiten.
Fazit
Vor vier Jahren versprachen die Marketingverantwortlichen von Schweiz Tourismus in diesem Magazin als Reaktion auf die Kritik an der rein automobilen «Grand Tour of Switzerland», fünf autofreie Anlässe pro Jahr zu prüfen. Dieses hielten sie mehr als ein. Dennoch bleibt das Angebot im Vergleich mit dem Ausland bescheiden. Allein in Frankreich gibt es über 52 Velotage auf Passstrassen.
Die Teilnehmerzahlen von 10'000 Personen und der potente Sponsor im Hintergrund sind zwar ein Anfang. Dennoch hat die Reihe noch Luft nach oben. Zum Vergleich: Die beiden ersten Freipass-Events vor zehn Jahren zogen am Susten 1300 und am Klausen 3000 Gäste an. Das alleine ist die Hälfte der Teilnehmerzahl von diesem Jahr. Fakt ist leider auch, dass sich der Verein Freipass neu orientiert. Zehn Jahre sind für einen ehrenamtlich geführten Verein genug.
Wie sagte Bundesrätin Doris Leuthard vor einem Jahr an einer Veranstaltung? «Ich befürworte Velo-Tage auf Passstrassen. Jedes Wochenende sollte ein Pass für die Velofahrer reserviert werden.» Das wären dann 52 Pässe, zwei mehr als in Frankreich.
Fotos: Brunner Alphafoto, Leo Püntener







