Der Velo-Lobbyist

Nach 30 Jahren ist Oskar Balsiger aus dem Vorstand von Pro Velo Schweiz und weiteren nationalen Ämtern zurückgetreten. Anlass, mit dem Pionier Rückschau zu halten.

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Pete Mijnssen
02.02.2016

Oskar Balsiger gründete 1985 Pro Velo Schweiz mit und war seither Vorstandsmitglied. Beruflich leitete er die Fachstelle Fuss- und Veloverkehr des Kantons Bern, und als Politiker sass er im Berner Stadtparlament. Ein Lobbyist und Überzeugungstäter im positiven Sinn also.
In den Achtzigerjahren gab es den jungen Mann, der mit dem damaligen Verkehrsumfeld haderte, in dem das Wort Velo ein Fremdwort war. Oskar Balsiger, der gelernte Tefbauzeichner, trat als junger Ingenieur ins Planungsbüro Emch und Berger ein und lernte dort die damalige Realität kennen. So musste er 1970 im Berner Wittigkofen-Quartier für ein geplantes Shopping- und Kongresszentrum eine gigantische «Verkehrsmaschine» projektieren, die verteilt auf mehreren Ebenen 19 Fahrspuren aufwies. Das bereitete dem jungen Vater schlaflose Nächte – er kündigte. «Das war entscheidend für meine Laufbahn», blickt Balsiger zurück. Das Shoppingzentrum scheiterte dann zwar in der Volksabstimmung, gebaut wurden dort später «nur» 1250 Wohnungen. Er entschied sich für ein Nachdiplomstudium in Raumplanung, derweil seine Frau Monika für das Wohl der Familie sorgte.
Mit der Weiterbildung verstärkte sich das verkehrspolitische Engagement. Er war Gründungsmitglied der VCS-Sektion Bern. Rund um die Gründungsversammlung erinnert er sich an eine Anekdote: «Plötzlich sassen Kra­­wattenträger im Publikum. Es stellte sich heraus, dass der bürgerliche ACS unsere Versammlung unterlaufen wollte.» Im zweiten Anlauf klappte die Gründung dann aber doch.

Pflichtenheft selber geschrieben
Früh erkannte er, dass es neben dem VCS auch eine unabhängige Velostimme brauchte. Er engagierte sich und half mit, die verschiedenen IG Velo im Kanton Bern zu gründen.
1987 wurde er durch Regierungsrat Gotthelf Bürki ins Tiefbauamt des Kantons Bern berufen, um dort samt Pflichtenheft eine Fachstelle Velo aufzubauen und zu leiten. «Im Gegensatz zum Fussgängerverkehr, für den im Strassenbaugesetz eine Pflicht zur Realisierung für Trottoirs festgeschrieben war, hatte man den Leuten das Velofahren in den Jahren vor 1980 richtiggehend ausgetrieben», konstatiert Balsiger. Bald hatte seine Fachstelle Erfolg: Der Kanton Bern sorgte dafür, dass neben dem Fussverkehr zwingend auch das Velo in die Planungen miteinbezogen werden muss. Auch bei Strassenbauprojekten kam die neue Vorschrift zum Zug, sodass das Velonetz Stück für Stück verbessert werden konnte. Und dies mit wenig Mitteln, wie er betont: «Ab den Neunzigerjahren waren wir gezwungen, aufgrund knapper Mittel kreative Lösungen zu suchen, statt mit Klotzen voranzukommen.»

Unermüdlich unterwegs
In seiner Laudatio auf Oskar Balsiger betonte Christoph Merkli, Geschäftsleiter von Pro Velo Schweiz, «seinen unschätzbaren Wert». So war er unter anderem 1990 Mitinitiator der Velokonferenz Schweiz, dem Zusammenschluss der Velobeauftragten der Kantone und Städte. «Oskar war ein Handlungsreisender in Sachen Velo», lobt Merkli. Er war an unzähligen Veranstaltungen dabei und immer zur Stelle, um die Regionalverbände von Pro Velo mit seinem Fachwissen zu unterstützen, was ihm den Namen «Velopapst» eintrug. Auch nach seiner Pensionierung weibelte er weiter, zum Beispiel für eine Ersatz-Veloroute während der Sperrung der Schöllenenstrasse.
Was hat sich in den letzten 40 Jahren in Sachen Veloförderung verändert? Der Experte denkt nach und sagt dann: «Viele der Verbesserungen wurden vom Auto-Mehrverkehr wieder weggefressen.» Und noch immer seien die Velofahrenden die Verlierer. Das belegen die kaum sinkenden Opferzahlen, aber auch der Ausbau des öffentlichen Verkehrs: «Wir dürfen uns nicht wundern, dass die Jugendlichen nun im öffentlichen Verkehr mit dem Handy sozialisiert werden, statt Velofahren zu lernen.» Das wäre vermeidbar gewesen, «wenn die Velogängigkeit immer gewährleistet wäre». So wie in Dänemark, wo sogar bei der Autobahn-Planung Velo und Fussgänger miteinbezogen werden. Oder wie in den Niederlanden, wo man bei der Stadtentwicklung zuerst in den Veloverkehr investiert und erst danach in den öffentlichen Verkehr.
Was könnte den Beitrag des Velos am Gesamtverkehr erhöhen? Balsigers Antwort fällt für einmal kurz und knapp aus: «Beim Bauen müsste generell zuerst ans Velo gedacht werden. Jede Velofahrt beginnt mit einem Abstellplatz.»