Das Problem der Velomitnahme im Zug

Die Klimabewegung hat frischen Wind in die Diskussion über das Reisen gebracht. Viele sind gerade in diesem Jahr auf den Zug umgestiegen, statt zu fliegen. Wie kompliziert das mit dem Velo bleibt, zeigt folgender Erfahrungsbericht.

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Pete Mijnssen
14.11.2019

Eigentlich hätte er ja gewarnt sein sollen, erzählt Urs Hausherr von seinem ungewollten Velotransportabenteuer auf der Rückreise von Verona nach Basel im Oktober. Schliesslich habe es schon früher Reservationsprobleme auf der Rückreise von Mailand gegeben. Das war 2004, vor 15 Jahren. Damals, als es von der Schweiz aus noch keinen Zugang zum italienischen Reservationssystem gab. Zu einer Zeit, da die Computersysteme noch nicht sauber vernetzt waren. Folgende Geschichte ereignete sich aber 2019.

«Zwei Tage vor unserer Heimreise begaben wir uns an den Schalter der Trenitalia in Verona, wie heute üblich mit einer beträchtlichen Wartezeit», erzählt Hausherr. Trotz ihrer guten Italienischkenntnisse war es seiner Frau nicht möglich, eine Reservation für ihre beiden Velos von Milano nach Basel zu tätigen. Dies sei von Italien aus nicht möglich, wurde ihr beschieden.

Das Folgende hört sich an wie eine kafkaeske Behördenodyssee, wie schon vor 15 Jahren – im Unterschied zu damals nun aber mit Handy: Anruf auf die SBB-Hotline (nach vier Versuchen während einer halben Stunde endlich mit Erfolg). Dort wurde Hausherr bestätigt: Ja, für den besagten Zug (EC 358) sei von Mailand aus keine Veloreservation möglich.

«Der kurze Wegabschnitt von Como bis Lugano kam fast so teuer zu stehen wie die Reise von Verona bis Como!»

Ob es denn den SBB vielleicht möglich sei, festzustellen, ob es noch freie Plätze habe in diesem Zug – und wenn ja, für die zwei Velos eine Reservation zu tätigen? Die freundliche SBB-Dame verneinte. Die einzige Möglichkeit sei, eine Reservation in Lugano zu deponieren, die dann dort abgeholt werden könne. Damit blieb aber der Velotransport von Mailand nach Lugano noch immer ungelöst.

Die ÖBB kanns, auch in Verona

«Immerhin erhielten wir dann von Trenitalia den Tipp, dass die ÖBB/DB Spezialisten für Velotransport seien, die Agentur befinde sich gleich um die Ecke.» Als sie dort ankamen, war der Schalter allerdings schon geschlossen. Das Velotouristenpaar, das die Nacht in Verona verbracht hatte, erläuterte der ÖBB-Dame anderntags in der Früh ihr Problem. Ja, sie könne ihnen eine Reise via Brenner und Innsbruck organisieren. Und nein, Reservationen für den von ihnen gewünschten Zug ab Mailand könne sie leider erst ab Lugano machen, so wie es schon die SBB erklärt hatten. Bis dort müssten sie mit Regionalzügen fahren.

Nach geduldiger Suche ihrerseits fanden sich folgende Teilstücke mit genügend Wartezeit fürs Umsteigen: Verona–Milano direkt, Milano–Como und von dort mit nochmaligem Umsteigen bis Lugano. Und leider könne sie – ausser der Veloreservation – keine Tickets ausstellen, dafür sei Trenitalia zuständig.

Mit der ausgedruckten Fahrplanauskunft stellten sich die Geduldigen zum dritten Mal bei Trenitalia an, wo ihnen Personen- und Velotickets bis Como ausgestellt wurden. Um die grenzüberschreitende Reise müssten sie sich in Como kümmern. So reiste das Paar schliesslich morgens um 6.45 Uhr von Verona ab.

Höchste Zeit, dass die Bahngesellschaften im internationalen Velotransport in die Pflicht genommen werden.

Dann in Como nochmals ein bürokratischer Hürdenlauf: Der Herr am Schalter war nicht fähig, die Halbtaxabos der beiden vor ihm stehenden Bahnkunden ab Chiasso zu berücksichtigen. Daraus wurde wiederum ein rund einstündiges Prozedere. Hausherr: «Zudem kam uns der kurze Wegabschnitt von Como bis Lugano fast so teuer zu stehen wie die Reise von Verona bis Como!» Gottlob war die Reservation ab Lugano gültig und die Heimreise bis Basel problemlos.

Nie mehr ohne Velosack!

Hausherr resümiert: «Anstatt mit direkten Zügen und einmaligem Umsteigen in Milano und einer Fahrzeit von 6 Stunden und 50 Minuten brauchten wir für unsere Heimreise, mit dreimaligem Umsteigen, für die gleiche Strecke über zehn Stunden. Dabei sind die Warterei an den Auskunftsschaltern und die Telefoniererei nicht eingerechnet.» Nach diesen Erfahrungen würden sie nie mehr ohne Velosack verreisen, was aber zu zweit einiges an Packmassreduktion mit sich bringt.

Zeit für ein Umdenken

Hausherr kommt ins Grübeln: «Wann endlich werden es die nationalen Zuggesellschaften fertigbringen, ihre Systeme kompatibler zu gestalten?» Zwar haben die SBB das Problem erkannt und kürzlich versprochen, dass Buchen und Reservieren in naher Zukunft so einfach sein soll wie bei den Fluggesellschaften.

Wie das Beispiel zeigt, ist man aber bezüglich Velotransport noch meilenweit davon entfernt – ja, noch weiter entfernt als vor 15 Jahren. Während die Bahnkunden aus aller Welt (und oft mit grossem Gepäck!) problemlos durch ganz Europa chauffiert werden, müssen Veloreisende offenbar immer noch ganz hinten anstehen und sich erst noch bürokratisch schikanieren lassen. Höchste Zeit, dass die Bahngesellschaften im internationalen Velotransport in die Pflicht genommen werden.