Aline Kuenzler,
Autorin
(aline.kuenzler@velogisch.ch)
Kommentar,
News,
10.12.2025
Der Ständerat will, dass künftig alle Cargobikes und Longtail-Lastenvelos ein Kontrollschild tragen müssen. Ein grosser Schritt zurück in der Verkehrswende oder lediglich eine Zerstreutheit der Politik?
Aline Kuenzler,
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(aline.kuenzler@velogisch.ch)
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10.12.2025
Bald nur noch mit Kontrollschild? Dies würde Gewerbe und Familien unnötig einschränken. (Bild: Marcel Kaufmann)
Haben die Schweizer Politikerinnen und Politiker ein schlechtes Gedächtnis? Erst im Sommer 2025 sind neue Vorschriften in Kraft getreten, um den Langsamverkehr zu fördern: Seit dem 1. Juli 2025 gibt es in der Schweiz neue Regeln für Elektrovelos und Cargobikes. In der Kategorie «schwere Motorfahrräder» dürfen Lastenvelos bei Tretunterstützung bis 25 km/h ein Gesamtgewicht von bis zu 450 kg aufweisen, was mehr Zuladung erlaubt und Cargobikes für mehr Menschen attraktiv macht. Auch der transportierbare Personenkreis und die Anzahl Kinder auf einem Lastenvelo wurden angepasst. Diese Neuerungen zeigen, dass Politik und Gesetzgeber Cargobikes grundsätzlich als wichtigen Teil nachhaltiger Mobilität anerkennen.
Nun ein krasser Richtungswechsel: Der Entscheid des Ständerats vom 9. Dezember markiert einen Bruch, weg von Infrastruktur- und Förderungspolitik hin zu Kontrolle und Regulierung. Mit 22 zu 15 Stimmen und einer Enthaltung wurde beschlossen, dass künftig alle Longtail- und Lastenvelos in der Schweiz ein Kontrollschild tragen sollen. Der Bundesrat hat die Vorlage vorgängig zur Ablehnung empfohlen. Die Motion stammt vom Genfer Ständerat Mauro Poggia, der argumentiert, sperrige Cargobikes könnten insbesondere Kinder gefährden und stünden oft auf dem Trottoir im Weg. Ohne Kontrollschild könnten fehlbare Lenkerinnen nicht identifiziert werden und blieben straffrei.
“Dass Lastenvelos gefährlich sind oder ihre Nutzerinnen häufig Verkehrsregeln missachten, ist statistisch nicht belegt.”
Pro Velo
Vertreterinnen der Veloszene warnen: Eine generelle Nummernschildpflicht droht, die Verkehrswende zu behindern und schränkt nachhaltige Mobilität im privaten wie auch im gewerblichen Bereich deutlich ein. Sollte der Nationalrat der Vorlage zustimmen, würde dies langfristig die Attraktivität von Lastenvelos verringern. Viel dringlicher als neue Vorschriften sind Investitionen in Infrastruktur, realistische Verkehrsplanung und kreative Lösungen für Abstell- und Ladeorte. So bleiben Lastenvelos keine Nische, sondern leisten einen echten Beitrag zur Entlastung von Städten und Umwelt.
Scharfe Kritik zum Ständeratsentscheid kommt vor allem von Pro Velo Schweiz: Die Einführung einer generellen Nummernschildpflicht sei ein «unbegründeter Angriff auf Cargovelos unter dem Deckmantel der Sicherheit». Die Präsidentin von Pro Velo betont, dass ein Teil der schweren Lastenvelos bereits heute der Immatrikulationspflicht unterliege und die Annahme, dass Lastenvelos gefährlich seien oder ihre Nutzerinnen häufig Verkehrsregeln missachteten, statistisch nicht belegt sei. Vielmehr zeigten Erfahrung und Daten, dass Familien mit Lastenvelos besonders umsichtig unterwegs seien.
Die Diskussion wirkt umso skurriler, wenn man die Zahlen betrachtet: 2024 wurden in der Schweiz rund 5100 E‑Cargobikes neu verkauft, gegenüber mehr als 245’000 neu zugelassenen Autos (Velojournal berichtete). Auf jedes neu verkaufte E-Cargobike kommen fünfzig neu zugelassene Autos, die ein Vielfaches an Platz beanspruchen. Es ist kaum sachgerecht, eine kleine Nutzergruppe stellvertretend für allgemeine Verkehrsprobleme verantwortlich zu machen.

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