Velounfall! Und jetzt?

Es ist schnell passiert: Eine Sekunde nicht aufgepasst und schon kracht es. Wie sollte man vorgehen, wenn man in einen Unfall verwickelt wird? Und wie sieht es aus mit der Versicherung?

Julie Nielsen, Redaktorin (julie.nielsen@velojournal.ch)
News, 13.07.2021

Im Jahr 2020 wurden in der Schweiz 3793 Personen bei Verkehrsunfällen schwer verletzt. Mehr als 200 Menschen wurden bei Unfällen getötet. Rund ein Drittel aller im Strassenverkehr Verunfallten war zu Fuss oder mit dem Velo unterwegs. Doch wie muss man sich bei einem Velounfall verhalten? Wann soll die Polizei benachrichtig werden? Wer zahlt für den entstanden Schaden? Und können Velofahrer und Velofahrerinnen nach einem Selbstunfall angezeigt werden?

Velojournal beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie Verhalte ich mich richtig?

Werden Sie in einen Unfall verwickelt, gibt es einige Punkte zu beachten. Natürlich ist nicht jeder Unfall gleich. Das Vorgehen hängt entsprechend von der Art und der Schwere des Unfalls ab.

Ruhe bewahren

Das ist oft einfacher gesagt als getan. Aber es ist wichtig, zügig und besonnen zu reagieren, den Überblick zu behalten und nichts zu überstürzen.

Unfallstelle sichern

Sind Autos oder andere Kraftfahrzeuge involviert, Motor ausschalten und Warnblinker einschalten. Anschliessend Warnweste anziehen und Pannendreieck mit mindestens 50 Meter Abstand zur Unfallstelle aufstellen. Wird schnell gefahren wie bei Durchgangs- und Überlandstrassen sollte das Pannendreieck mindestens 100 Meter entfernt aufgestellt werden.

Notruf absetzen

Wenn nötig Ambulanz (144) und oder Polizei (117) rufen. Siehe «Wann muss die Polizei gerufen werden?». Die Lage an der Unfallstelle darf bis zum Eintreffen der Polizei nur zum Schutz von Verletzten oder zur Sicherung des Verkehrs verändern werden. Wenn möglich, fotografieren Sie die ursprüngliche Lage vorher.

Erste Hilfe leisten

Betreuen Sie die verletzten Personen. Achten Sie darauf, die Lage für Verletzte so angenehm wie möglich zu machen. Beobachten Sie sie genau und unterhalten Sie sich mit ihnen.

Zeugen sichern

Falls es Zeugen für den Unfall gibt, sollten Sie deren Kontaktdaten notieren. Machen Sie Fotos.

Daten austauschen

Es ist für die Schadensabwicklung unerlässlich, die Personalien auszutauschen. Lassen Sie sich die ID zeigen und notieren Sie sich Namen und Anschrift der involvierten Personen.

Abwarten

Sind Sie selber vom Unfall betroffen und vom Velo gestürzt und glauben, einigermassen unversehrt zu sein, warten Sie trotzdem mindestens 15 Minuten am Unfallort, bevor Sie sich wieder in den Sattel schwingen. Nach einem Sturz oder Unfall schiesst Adrenalin durch den Körper. Bis der Adrenalinspiegel wieder sinkt, ist man oftmals nicht in der Lage, die Schwere der Verletzung richtig einzuschätzen. Was sich im ersten Moment nach einem leichten Kratzer anfühlt, kann sich nach einer Viertelstunde als ziemlich schmerzhaft entpuppen.

Lassen Sie sich so rasch als möglich von einer Ärztin oder einem Arzt untersuchen, der Ihre Verletzungen attestiert. Es ist möglich, dass Sie die Schwere der Verletzungen aufgrund des Schocks nicht richtig eingeschätzt haben. Ausserdem sind sie so abgesichert, falls Spätfolgen entstehen würden.

Wann muss die Polizei gerufen werden?

Bagatellen

Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die Polizei bei jedem Unfall zu alarmieren. Bei Bagatellen ist es sogar sinnvoll, die Polizei nicht zu rufen.

Bei Verletzen und Sachschaden

Ist aber ein schwerer Sachschaden entstanden oder Personen verletzt, sollte man auf jeden Fall die Polizei rufen. Vor allem wenn Sie selbst der Unfallverursacher sind. Tun Sie dies nicht, besteht die Möglichkeit, dass die Geschädigten nachträglich Anzeige erstatten. In dem Fall könnten Sie sogar für Fahrerflucht belangt werden.

Bauchgefühl

Am besten hört man auf sein Bauchgefühl: Sind sich die Beteiligten einig über die Unfallursache und die Schuldfrage, reicht es in der Regel aus, die Personalien auszutauschen und den Rest der Versicherung zu überlassen. Herrscht allerdings Uneinigkeit oder gibt es sogar Streit, dann ist es auf jeden Fall ratsam, die Polizei hinzuzuziehen. Dasselbe gilt, sollte sich der Unfallgegner weigern, die Personalien rauszugeben oder Sie sich unsicher fühlen. Haben Sie das Gefühl es ist Alkohol mit im Spiel oder dass der Unfall gar provoziert wurde sollten sie auf jeden Fall die Polizei alarmieren.

Welche Versicherung zahlt was?

Ist ein Auto in den Unfall  involviert beteiligt sich die Versicherung der Autolenkerin oder des Autolenkers ungeachtet der Schuldfrage. Dies wurde vom Gesetzgeber wegen der grundsätzlichen Gefahr und Überlegenheit von Autos gegenüber Velofahrenden so festgelegt. Allerdings gilt diese Regel nicht bei grober Fahrlässigkeit vonseiten eines Velofahrers.

Ausserdem gelten akrobatische Sprünge mit dem Bike als Wagnis. Wer in der Luft Salti macht und sich um die eigene Achse dreht oder nur schon die Hände oder die Füsse von den Pedalen nimmt, muss wie bei anderen Risikosportarten Abstriche bei der Versicherungsleistung in Kauf nehmen.

Privathaftpflichtversicherung

Je nach Schuldfrage übernimmt für gewöhnlich die eigene Haftpflichtversicherung oder jene des Unfallgegners die Kosten für den Personen- und Sachschaden des jeweils anderen. E-Bikes bis 25 km/h sind normalerweise mitversichert. Für schnelle E-Bikes braucht es eine Fahrzeugversicherung oder eine spezielle E-Bike-Versicherung. Zur Sicherheit überprüfen Sie Ihre Police dennoch auf den Velo-Passus. Achtung: Die Haftpflichtversicherung übernimmt bei Sachschäden von mehr als 300 Franken. Darunter müssen Sie selbst für den Schaden aufkommen, auch wenn Sie den Unfall nicht verursacht haben.

Unfallversicherung

Haben Sie den Unfall selbst verursacht und haben sich dabei verletzt übernimmt ihre Unfallversicherung. Normalerweise sind Sie über den Arbeitgeber versichert. Nichterwerbstätige, Studierende und Selbstständige können über die Krankenkasse eine Unfallversicherung abschliessen.

Velo-Unfallkasko

Für die Deckung der Schäden am eigenen Velo gibt es Zusatzangebote wie die Velo-Unfallkasko-Versicherung. Diese übernimmt den Sachschaden, wenn Sie den Unfall verursacht haben. Ansonsten bezahlt die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.

Ergänzungsdeckung Unfall-Zusatzversicherung

Wer trotz des erhöhten Unfallrisikos nicht auf anspruchsvolle Tricks mit dem Bike verzichten möchte, kann eine Zusatzversicherung mit entsprechender Deckungsleistung innerhalb der Unfallversicherung abschliessen.

Sonstiges

Mehr als die Hälfte aller Velounfälle sind  Alleinunfälle. Alleinverunfallte können mit einer Busse wegen  «Nichtbeherrschen  des  Fahrzeugs»  bestraft werden. Da es hierfür keine Ordnungsbusse, sondern eine richterliche Busse gibt, kostet das bald einmal mehrere Hundert Franken.

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