Velofahrende werden im Verkehr oft nicht als Menschen wahrgenommen

Eine australische Studie hat untersucht, wie Radfahrende gemeinhin wahrgenommen werden. Die Hälfte der Autofahrer und ein Drittel der befragten Velofahrerinnen gaben an, andere Personen auf dem Fahrrad als nicht ganz menschlich einzustufen.

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Julie Nielsen
08.05.2019

Gewalt gegen Velofahrende ist keine Seltenheit. Zu diesem Schluss kommen Forscher der australischen Monash University und der Melbourne School of Psychological Sciences in einer Studie. Demnach berichten radfahrende Personen von Belästigungen und Aggression im Verkehr. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass feindseliges Verhalten zum Teil durch die Entmenschlichung von Velofahrern verursacht wird.

Die australischen Forscher haben insgesamt 442 Personen darüber befragt, wie sie Velofahrer wahrnehmen. Dafür sind den Testpersonen zwei verschiedene Illustrationen vorgelegt worden. Entweder die klassische Variante der menschlichen Evolution vom Affen zum Menschen. Oder eine von den Forschern ausgearbeitete Version, welche die Evolution als Reihe von der Kakerlake zum Menschen zeigt.

Velofahrer Kakerlaken evolution radfahrerDas Design der alternativen Illustration entstand, weil «Kakerlake» oder «Mücke» in Australien oft als Schimpfworte gegen Velofahrer benutzt werden.

Velofahrer sind Kakerlaken

Sowohl bei der Affe-zum-Menschen-Skala wie auch der Variante mit der Kakerlake gab die Hälfte der Autofahrer und ein Drittel der befragten Velofahrerinnen an, andere Velofahrende als nicht ganz menschlich einzustufen. Ferner zeigt die Untersuchung, dass mehr als jeder zehnte australische Autofahrer absichtlich mit zu kleinem Abstand Velos überholt, blockiert oder Radfahrenden den Weg abschneidet.

«Wenn die andere Person nicht als vollständig menschlich betrachtet wird, ist es einfacher, Hass oder Aggression gegen sie zu rechtfertigen», sagt Alexa Delbosc, Transportforscherin der Monash University in einer Pressemitteilung und ergänzt: «Wenn sich Velofahrende von anderen Verkehrsteilnehmern entmenschlicht fühlen, kann es sein, dass sie eher gegen Autofahrer vorgehen, was die Entmenschlichung der Velofahrer weiter antreibt.»

Dänische Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen

Ähnliche Ergebnisse liefert eine Untersuchung der technischen Universität Dänemark (DTU) über Wut, ausgelöst durch Stress und Frustration im Strassenverkehr.
«Alles weist darauf hin, dass die Wut in klarem Zusammenhang steht mit mangelnder Empathie und Missverständnissen. Je mehr wir andere nur als Velofahrer auffassen, anstatt als Mensch aus Fleisch und Blut, desto weniger vorsichtig verhalten wir uns», sagt die Forscherin Mette Møller gegenüber dr.dk.

Velofaher sind MenschenSchwache Verkehrsteilnehmer werden oft nicht als Menschen wahrgenommen.

Aggression im Verkehr erhöht das Risiko für alle

Ergänzend zeigt die Untersuchung der DTU laut Mette Møller. «Wenn wir als Verkehrsteilnehmer selbst wütend werden, glauben wir oft, dass uns das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer erschreckt. Wenn wir jedoch beantworten sollen, warum andere sich aufregen, meint die Mehrzahl, dass die anderen sich und ihre Wut nicht im Griff haben. So oder so erhöhen Wut und Aggression das Risiko für Unfälle, weil der Fokus nicht länger auf dem Verkehr liegt und die Wut noch lange in den Knochen stecken kann.»

Die australischen Forscher glauben, nun eine Lösung gefunden zu haben, um diese Wut zu reduzieren: «Wenn wir den Velofahrern ein menschliches Gesicht geben, können wir die Einstellung von Autofahrerinnen verbessern und die auf Radfahrer gerichtete Aggression reduzieren.» So könnte auch erreicht werden, dass Radfahrende als legitime Verkehrsteilnehmer angesehen werden, sind die Forscher überzeugt.

 

Fotos: ZVG, unsplash.com