Von Bergflöhen und anderen Künstlern

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Marc Locatelli
08.05.2018

Die Kunstkabine auf der Offenen Rennbahn Oerlikon präsentiert seit 2004 Cartoons, Comics, Fotos und grosse Kunst. Und das ausschliesslich zum Thema Radsport.

Zu Beginn habe ich nicht ans Überleben meiner Idee geglaubt. Jedes Jahr neue Künstlerinnen und Künstler zu finden, die zum Thema Velo interessante Bilder produzieren, ist eine grosse Vorgabe. Aber die Idee funktioniert. Durch Empfehlungen, neue Bekanntschaften oder glückliche Zufälle finde ich immer wieder spannende Themen. So sind auch die drei Veloliebhaber der diesjährigen Ausstellung durch Fügung und Zufall zusammen gekommen.

In Schaufenster eines Zürcher Veloladens entdeckte ich inmitten von alten Tricots, rostigen Pokalen und ermatteten Medaillen auch 3D-Modelle von Radrennen. Hat die Welt schon so etwas gesehen? Die ausgestellten Devotionalien müssen von Beat Breu sein, das war schnell geklärt. Wer aber hat die originellen Modelle gebaut? Auch sie sind vom ehemaligen Weltklasserennfahrer mit dem Knoten im gelben Tricot.

Beat Breu hat alle seine Erinnerungsstücke dem Veloladen überlassen. Heute gilt seine Leidenschaft dem Modellbau. Mit alten Zigarrenschachteln verbaut er seine Rennfahrererinnerungen in witzige Rennszenen. In seiner fantasievollen Umsetzung wird das Leiden am Berg zu einer lustvollen Tour-de-France-Passfahrt. Der Quersport mit seinem Morast und den mäandrierenden Streckenführungen wird fast zu einem physischen Erlebnis und das Steherrennen wirkt, obwohl nur eine Steilwandkurve zu befahren ist, noch dynamischer und gefährlicher als in der Realität.


Beat Breus Erinnerungen an den Radsport sind lebendig, wie die Modelle zeigen. 

Über den Zeichner der grossformatigen Tour de Suisse Streckenpläne ist wenig bekannt. Fritz Gerber war in den 1950er-Jahren ein stiller Beobachter der Rennfahrerszene. Oft sass er ruhig im Café Globus oder im «Schützen» von Hans Martin und folgte interessiert den Gesprächen seiner Idole. Vielleicht als persönliche Einstimmung auf das radsportliche Grossereignis der 50er-Jahre, der Tour de Suisse, zeichnete er lustvoll die Streckenführung jeder Etappe. Alle wichtigen Informationen fanden Platz. Die bekanntesten Fahrer wurden in starken Karikaturen verewigt. Gerber schuf mehr als 19 Streckenpläne. Sie alle erzählen von seiner Faszination für den Rennsport.

Den dritten Velofan, dessen Werke in der Kunstkabine zu sehen sind, lernte ich während der Bahnsaison 2017 kennen. Das Herz von Erich Lanz-Fürst schlägt vor allem für die Sechstagerennen. Die Absage der Zürcher Veranstaltung schmerzte ihn so sehr, dass er gleich sein persönliches Six-Days-Spiel erfand. Der Rennverlauf wird erwürfelt, die Mannschaften frei zusammengestellt. Zur Identifikation der Equipen produzierte Lanz mehrere Hundert Tricotvarianten, die als Spielkarten eingesetzt werden. Die Anzeigetafel informiert über Rundengewinne und Punktestand. An alles ist gedacht und alles Spielzubehör ist akribisch präzise gestaltet und realisiert. Vor allem erzählt sein Spiel von seiner grossen Freude am Bahnrennsport.

Offene Rennbahn Zürich Oerlikon
Rennen: ab 8. Mai bis 18. September, ab 18.45 Uhr. Jeden Dienstag bei trockenem Wetter.

Kunstkabine: Vernissage 5. Juni ab 18.45 Uhr. Ausstellung jeden Dienstag bei trockenem Wetter.
Bei zweifelhafter Witterung, ab 16 Uhr www.rennbahn-oerlikon.ch  


Fotos: Theodor Stalder