Aline Kuenzler,
Autorin
(aline.kuenzler@velogisch.ch)
News,
30.05.2024
Noch immer ist der weibliche Zyklus ein Tabuthema im Sport. Dies, obwohl jede Frau damit über ein «gratis» Monitoring-Tool verfügt, wie Expertin Mélanie Pauli erklärt. Dessen Beachtung hilft auch beim Velofahren.
Aline Kuenzler,
Autorin
(aline.kuenzler@velogisch.ch)
News,
30.05.2024
Auf den Körper hören und seine Eigenheiten beachten, auch beim Velofahren. (Foto: Coen van de Broek, Unsplash)
Bauchschmerzen, Kopfweh, Müdigkeit und viele weitere Beschwerden werden von den Zuhörerinnen genannt, als Mélanie Pauli sie nach ihren ersten Gedanken zum Thema Zyklus fragt. Die Fachfrau war früher selbst Leistungssportlerin, ist heute beim Schweizerischen Fussballverband verantwortlich für die Frauen-Athletik und engagiert sich seit Jahren für zyklusgesteuertes Training. Das Dutzend Frauen, welche ihr im Rahmen eines Vortrags an der Cycle Week zuhören, verbindet vor allem Negatives mit dem weiblichen Zyklus.
Die unangenehmen und mitunter einschränkenden Faktoren des Zyklus’ müssen aber nicht einfach akzeptiert und bis ans Ende des fruchtbaren Lebensabschnittes hingenommen werden. Im Gegenteil: Pauli erklärt, wie die hormonellen Schwankungen im Sport genutzt werden können.
Die monatlichen Hormonschwankungen führen zu einer anabolen Phase während und nach der Blutung, wo mit viel Energie und mit Fokus auf Kraft trainiert werden kann. In der Phase direkt vor der Menstruation und in der Mitte des Zyklus hingegen, soll moderater und eher im Bereich der Stabilisierung trainiert werden. «Zyklusorientiertes Training» nennt sich diese Anpassung im Verlauf des Zyklus.
Dabei ist der Zyklus aber nur ein kleiner Teil der Trainingsplanung, betont Pauli. Dafür vergleicht sie den menschlichen Körper mit einer Schweizer Uhr. Diese besteht aus vielen winzig kleinen Zahnrädchen und Schrauben.
Unabhängig von der Grösse der Einzelteile ist jedes einzelne relevant für die Funktionstüchtigkeit des Uhrwerks. Ebenso haben im Körper unterschiedlichste Faktoren Einfluss auf die Tagesverfassung und die Leistungsfähigkeit.
Neben der Ernährung, der Regeneration und vielen anderen mehr ist der Zyklus bei Frauen eine kleine Stellschraube. Wird dieses kleine Einzelteil nicht beachtet, kann das ganze System nicht optimal funktionieren. Die Uhr ist zu früh, zu spät oder funktioniert nicht.
Wenn die Menstruation ausbleibt, kann das ein Zeichen des Körpers für zu wenig Energie sein. (Foto: Markus Spsike, Unsplash)
Zu früh, zu spät, unregelmässig oder auch ausbleibend ist die Menstruation von vielen Frauen, die Sport treiben, weiss die Expertin. Dies sei keineswegs normal. Auch bei Sportlerinnen zeigt ein unregelmässiger Zyklus ein körperliches Problem an.
Bei hoher körperlicher Aktivität handelt es sich dabei oftmals um eine sogenannte «Low Energy Availability». Dabei verfügt der weibliche Körper während der sportlichen Aktivität über zu wenig Energie in Form von Kohlenhydraten oder Proteinen. In diesem Fall holt sich der Körper einerseits die nötige Energie aus den Muskeln und Knochen, was zu Gesundheitsproblemen im Alter führen kann.
Andererseits verzichtet der Körper auf für die Leistung nicht relevante Aktivität. Das Reproduktionssystem ist eine der ersten Energieaufwendungen, bei denen der Körper spart. Die Menstruation bleibt aus, ist unregelmässig oder die Blutung erfolgt ohne vorgängigen Eisprung.
Durch das Aufzeichnen und Beobachten des Zyklus können also direkt Schlüsse über die Gesundheit des weiblichen Körpers gezogen werden. Getrackt wird im Spitzensport bereits jede Menge: Schlafaufzeichnung und Blutanalysen gehören etwa zum Alltag.
Mélanie Pauli betont aber, dass der weibliche Zyklus «ein gratis Monitoring-Tool» für jede Frau ist. Dieses wird in vielen Sportarten, egal ob auf Profi- oder Hobbyniveau nicht beachtet. Sie empfiehlt daher jeder Frau, ihren Zyklus zu beobachten und sich ihren aktuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten bewusst zu sein.
Dafür empfiehlt sie unter anderem die gratis App «FITR Woman». Dieses Tool kann nicht nur Blutungen, Beschwerden und Stimmung erfassen, sondern auch hilfreiche Tipps geben. Für jede Zyklusphase werden Trainings- und Ernährungsvorschläge präsentiert.
«Frauen sind nicht einfach kleine Männer», sagt Mélanie Pauli. (Foto: ZVG)
Die Ernährung ist neben Schlaf und Stress der wichtigste Einflussfaktor auf die Regeneration, den Zyklus und die damit zusammenhängenden Beschwerden. Bereits kleine Veränderungen wie der Verzicht auf Kaffee vor der Menstruation können Krämpfe lindern, erzählt Pauli aus Erfahrung.
Der Effekt einer Ernährungsumstellung ist dabei individuell und muss ausprobiert werden. Auch umfassende Ernährungsstudien können dabei oft nicht beigezogen werden. Die Forschung ist nämlich noch immer grossmehrheitlich auf den männlichen Körper fokussiert, weiss die Expertin. Der weibliche Körper sei mit seinen hormonellen Schwankungen schlicht komplexer und werde daher meist nicht einbezogen oder als Fehler in der Studie gewertet.
Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind aber immens, erklärt die Mélanie Pauli. Nicht hormonell, sondern auch in Bezug auf den Körperbau. Das Becken der Frau ist breiter, was eher zu einer X-Beinstellung und damit zu einem erhöhten Risiko für Bänderprobleme führt. Insbesondere das Aufwärmen ist dabei nicht zu vernachlässigen. Vor und während der Menstruation sind die Bänder lockerer, was die Verletzungsgefahr für Frauen erhöht.
Das breite Becken muss auch von Velofahrerinnen beachtet werden. Sattel und Sitzposition können nicht einfach vom Mann adaptiert werden. Der Stärkung des Hamstrings soll deshalb bei Frauen, insbesondere bei Velofahrerinnen besondere Bedeutung beigemessen werden. Zudem haben Frauen hormonbedingt eine geringere Muskelmasse, aber einen erhöhten Fettanteil am Körper.
Die hormonellen Schwankungen des weiblichen Zyklus können beim sportlichen Training genutzt werden. (Foto: Unsplash)
Trotzdem können Frauen – in allen Zyklusphasen – die gleichen Sportarten machen wie Männer, ist Pauli überzeugt. Frauen müssen sich dabei ihrem Geschlecht und ihrem Zyklus bewusst sein und den Sport auf ihre Art machen. Dabei ist die Unterstützung vom mitunter männlichen Umfeld gefragt.
Pauli plädiert für eine offene Kommunikation zum weiblichen Zyklus. Dabei darf nie vergessen werden, dass die weibliche Physiologie ihre Eigenheiten mit sich bringt und Frauen nicht einfach «kleine Männer» sind.
Weitere kostenlose Infos, empfohlen von Mélanie Pauli, gibt es bei Swissolympics.
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