Fünf handfeste Massnahmen fürs Velo

Fünf neue Massnahmen sollen den Veloverkehr in der Stadt Zürich flüssiger und sicherer machen. Wie diese Regeln funktionieren und was sie taugen, zeigt eine Exkursion unter Velo-Experten.

Aline Künzler

Aline Kuenzler, Autorin (aline.kuenzler@velogisch.ch)
News, 01.10.2024

Er-fahren kann man in der Stadt Zürich gleich mehrere handfeste Massnahmen für den Veloverkehr. Wie beispielsweise Veloampeln oder «Dooring-Streifen» funktionieren, wurde im Rahmen des Cycling Research Board der ETH gezeigt. Auf Falt- und Mietvelos haben internationale Velo-Forschende während einer Exkursion diese und weitere Massnahmen im Zürcher Verkehr ausprobiert. Velojournal war mit dabei, erklärt die neuen Regeln und betrachtet diese kritisch.

Velo-Ampeln

Gleicht drei verschiedene Ampeln gibt es speziell für Velofahrerinnen.

«Vor-Grün»

Die Veloampel schaltet einige Sekunden vor der Autoampel auf Grün.

+ Velofahrer erhalten einen «Vorsprung» und sind beim Anfahren vom Autoverkehr getrennt. Schnellere Velofahrerinnen erhalten die Möglichkeit, sich nach der Kreuzung auf dem Veloweg vorne zu positionieren.

gelb blinkende Veloampeln

Velos dürfen auch bei roter Autoampel fahren. Dabei muss aber dem Verkehr von links und Personen auf dem Fussgängerstreifen Vortritt gewährt werden.

+ Stopps werden reduziert, der Veloverkehr wird flüssiger. Es wird auf die gute Übersicht der Velofahrer vertraut.

Phasentrennung

Die Velo-, respektive Autoampeln zeigen nie gleichzeitig Grün.

+ Der Auto- und Veloverkehr wird an Kreuzungen getrennt. Dies ist gerade beim Abbiegen übersichtlicher und reduziert Situationen mit toten Winkeln neben Autos.

Die Veloampeln sind nicht mal halb so gross wie herkömmlichen Lichtsignale für Autos und teilweise auf Kopfhöhe angebracht. Gegenseitige Rücksicht auf der Strasse könnte besser gelebt werden, wenn sämtliche Signalisationen für alle Verkehrsteilnehmer sichtbar wären.

Velo-Sack

Wartebereich für Velos an Ampeln, der vor der Autokolonne positioniert ist.  

+ Velo- und Autoverkehr sind beim Anfahren getrennt und das Warten im toten Winkel der Autokolonne wird vermieden.

Sobald der Velo-Sack erreicht wird, sind die Vorteile für den Veloverkehr offensichtlich. Dorthin zu gelangen, ist aber oft einfacher gesagt als getan. Bei einer langen Autokolonne, die den Veloweg versperrt, kann der Velo-Sack nicht genutzt werden.

Indirektes Linksabbiegen

Velofahrerinnen können rechts von einer Kreuzung im dafür vorgesehenen Bereich warten und von dort aus abbiegen.

+ Velofahrer müssen nicht über eine oder mehrere Fahrspuren hinweg abbiegen. Ein eingeklemmtes Warten an der Mittellinie, inmitten des Autoverkehrs entfällt.

Velofahrerinnen müssen beim indirekten Linksabbiegen stets anhalten. Dies ist eine Benachteiligung gegenüber Personen in Autos, die bei freiem Gegenverkehr nicht halten müssen. Um mit dem Velo in die Wartebereiche  zu gelangen, muss oft eine enge Kurve gefahren werden. Dies, zusammen mit der meist klein gemessenen Wartefläche, macht die Nutzung des indirekten Linksabbiegens für Menschen auf Lastenvelos oder Velos mit Anhängern nur schwer möglich.

Rechtsabbiegen bei Rot

An Kreuzungen mit entsprechender Signalisation ist das Rechtsabbiegen für Velofahrerinnen auch bei Roter Ampel erlaubt.

+ Stopps werden reduziert, der Veloverkehr wird flüssiger. Es wird auf die gute Übersicht und das korrekte Verhalten der Velofahrer vertraut.

Dieses verhältnismässig neue Privileg für Velofahrerinnen gehört noch nicht zur Allgemeinbildung im Strassenverkehr. Autofahrerinnen rechnen deshalb oft nicht mit einbiegenden Velofahrern, was zu irritierenden Situationen auf der Kreuzung führen kann.

Grüne Streifen

Grüne Streifen am Strassenrand markieren Velovorzugsrouten.

+ Diese grünen Markierungen verdeutlichen den empfohlenen Sicherheitsabstand von rund 40 cm zu geparkten Autos, um das «Dooring»-Risiko durch plötzlich geöffnete Autotüren zu vermeiden. Die Fahrbahn wirkt optisch enger, was Autofahrer zu einer langsameren Geschwindigkeit und weniger Überholmanöver bewegen kann.

Grüne Farbe ist ein Novum auf dem situativ rot eingefärbten Veloweg. Ob nun auf oder neben den grünen Streifen gefahren werden soll und was deren Zweck abgesehen der farblichen Diversität auf der Strasse ist, wird auch von Velofahrern nicht auf Anhieb verstanden.

Kleine Velos - kleine Schilder?

Erklärt werden diese fünf Massnahmen auch auf der Website der Stadt Zürich. Umfassendes Material mit Anleitungen und die oben verlinkten Videos sind dort zu jedem Beispiel zu finden. Viel Arbeit, die von grossem Engagement für sicheres und flüssiges Velofahren in der Limmatstadt zeugt. Schade nur, scheint dieser Erklärungsaufwand tatsächlich nötig zu sein.

Noch sicherer wäre das Velofahren, wenn Massnahmen intuitiv und selbsterklärend wären. Gerade das indirekte Linksabbiegen muss nicht nur auf der Website, sondern an jeder Kreuzung auf Signalisationstafeln neu ausgeschildert werden. Diese Schilder sind bedeutend kleiner als Beschilderungen für den Autoverkehr.

Velofahrerinnen sind aber nicht unbedingt scharfsichtiger und im Stadtverkehr auch nicht markant langsamer als Autofahrer. Die komplexen Anweisungen der Velo-Signalisation sind deshalb oft erst kurz vor der Kreuzung lesbar, was dann ein sofortiges Manöver für das korrekte Abbiegen erfordert. Wenn schon Aufwand für die Signalisation betrieben wird, wären grosszügigere Schilder kein Luxus, sondern eine konsequente Umsetzung der Veloförderung.

Entscheidungsfreiheit im Sattel

Ob man konzentriert und mit zugekniffenen Augen das Velo-Schild am Entziffern ist oder an der zusätzlichen Ampel aufs indirekte Linksabbiegen wartet – besser freuen als ärgern sollte man sich über die Massnahmen auf jeden Fall.

In den meisten der beschriebenen Fälle wird nämlich der Velo- gegenüber dem Autoverkehr klar bevorzugt. Gerade beim Rechtsabbiegen bei Rot oder der gelbblinkenden Ampel wird zudem der erhöhten Übersicht und der Agilität des Velos Rechnung getragen. So können Velofahrer in diesen Verkehrssituationen selbstständig entschieden, wann sie fahren, verlangsamen oder halten. Autofahrende haben an diesen Orten keine Entscheidungsfreiheit.

Einer Velofahrerin wird dadurch viel eher als einer Autofahrerin zugetraut, sich selbstständig rücksichtsvoll gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden zu verhalten. Den Velofahrer als verantwortungsvollen und mitdenkenden Verkehrsteilnehmer zu sehen, ist auf jeden Fall eine gute Grundlage für weitere Velo-Massnahmen in der Limmatstadt.

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