Die Folgen des Velo-Booms

Eine derart starke Nachfrage hat die globale Velobranche wohl noch nie erlebt. Das führt zu Problemen. Konsumentinnen und Konsumenten müssen dieses Jahr mit langen Lieferzeiten und höheren Preise rechnen.

Fabian Baumann, Redaktor (fabian.baumann@velojournal.ch)
popup-veloweg, News, 11.02.2021

Die Corona-Pandemie hat weltweit mehr Menschen aufs Velo gebracht. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass es mit der Verfügbarkeit von Fahrrädern und Zubehör nicht zum Besten steht. Wer für sich oder sein Kind dieses Jahr ein neues Velo kaufen will, könnte enttäuscht werden. Einige Modelle sind bereits kaum erhältlich und wenn doch, muss mit Lieferzeiten von bis zu einem halben Jahr gerechnet werden. Und: Das Wunschmodell kann teurer werden.

Knackpunkt Komponenten

Für den aktuellen Engpass gibt es verschiedene Gründe. Die Covid-19-Pandemie hat dem Velo weltweit zu einem Boom verholfen. Die Nachfrage ist 2020 förmlich explodiert. Fabriken in Fernost, aber auch in Europa stiessen und stossen noch immer an Kapazitätsgrenzen.

Erschwerend hinzukommt, dass Fahrräder aus unzähligen Komponenten bestehen. «Viele Teile werden weltweit nur von wenigen Herstellern produziert. Durch die gestiegene Nachfrage können die Betriebe manche Bestellungen nicht mehr zeitgenau abarbeiten. Auf manche Komponenten gibt es mittlerweile Wartezeiten von rund einem Jahr, auch weil Rohstoffe fehlen», weiss Thomas Geisler vom deutschen Pressedienst Fahrrad.

Bei Elektrovelos spielt ein weiterer Faktor mit. Elektronische Bauteile wie Chips und Prozessoren, die an E-Bikes zum Einsatz kommen, werden auch von der Autoindustrie oder von PC- und Smartphoneherstellern nachgefragt. Und dies oft in deutlich höheren Stückzahlen. Die Velofirmen stehen darum mit ihren Bestellungen bei den Zulieferern nicht an erster Stelle.  

Nadelöhr Containerschiff

Auch die Logistik macht der globalen Fahrradbranche zu schaffen. Der Seetransport von Asien nach Europa ist seit Beginn der Pandemie vor gut einem Jahr beeinträchtigt. Dem Vernehmen nach wird um die wenigen freien Plätze auf den Frachtern mit harten Bandagen gekämpft. Entsprechend der Marktlogik führt die hohe Nachfrage auf den Schiffen zu höheren Preisen für Container.

«Unser Logistiker hat am Tag der Lieferung gesagt: Eure Ware ist leider im Hafen liegen geblieben, da wir nicht genug Container haben. Wenn sie im nächsten Monat mitgehen soll, kostet es das Dreieinhalbfache, wenn ihr sie sicher wollt, das Vierfache», beschreibt Alexander Kraft, Pressesprecher bei HP Velotechnik, die aktuelle Lage. So wie dem deutschen Liegevelohersteller geht es auch vielen Schweizer Produzenten.

«Eure Ware ist leider im Hafen liegen geblieben, da wir nicht genug Container haben.»

Die Velohersteller suchen deshalb nach Alternativen. Einige verlegen den Transport vom Seeweg auf die Schiene oder nutzen Luftfracht. Beides schlägt sich in höheren Preisen nieder. Eine andere Variante ist – sofern dies möglich ist – Fahrradkomponenten aus Europa zu beziehen.

Der Kindervelohersteller Puky etwa bezieht teilweise Sättel aus Italien anstatt aus Vietnam. Die Produktion in Italien ist teurer als in Fernost. Laut Puky-Einkaufsleiterin Michaela Fiege nimmt das Unternehmen aktuell in Kauf, Marge einzubüssen. Dass die Mehrkosten längerfristig an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben werden, sei aber wahrscheinlich.  

Höhere Preise für Velos

Während der deutsche Kindervelospezialist bei Preisanpassungen noch zurückhalten ist, haben andere Hersteller die Preise bereits angehoben. So offenbart der Blick auf die aktuelle Preisliste der Ladenkette Veloplus mehrere Anpassungen der Verkaufspreise. Die Zuschläge reichen dabei von moderaten 50 Franken – etwa beim «Touring Hybrid One» E-Bike von Cube – bis zu 500 Franken beim «Powerfly Fs 4 EQ» von Trek.

Käuferinnen und Käufer tun gut daran, eine Neuanschaffung dieses Jahr gut zu planen und rechtzeitig an die Hand zu nehmen. Ferner sollten sie sich darauf einzustellen, dass das Wunschvelo möglicherweise etwas mehr kosten wird. Eine andere Möglichkeit ist, sein altes Velo beim Fahrradmechaniker auffrischen zu lassen. Nach einem guten Service fährt sich manch älteres Rad fast wieder so gut wie ein Neues.

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