Laurens van Rooijen,
Autor
(lvr@cyclinfo.ch)
E-Bike,
News,
13.01.2025
Mit der Kombination von Alltagstauglichkeit, Transportkapazität und elektrischem Hilfsantrieb hat Benno Bänziger einen Velo-Volltreffer gelandet und für Überraschung gesorgt.
Laurens van Rooijen,
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(lvr@cyclinfo.ch)
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Benno Bänziger (rechts) und Samuel Weishaupt mit der Sonderedition des «Boost» in der Zentrale der Air Zermatt. (Fotos: Benno Bikes, Laurens van Rooijen)
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Es gibt Menschen, die ein gewöhnliches Leben führen und von einem aussergewöhnlichen träumen. Und es gibt Menschen, die ihre Träume leben. Wie Benno Bänziger, der nach dem Designstudium in Berlin seinen Lebensmittelpunkt vor mehr als 30 Jahren in den Süden Kaliforniens verlegte. Dort fand der passionierte Snow- und Skateboarder kreative Inspiration und die Freiheit, jenseits von Konventionen zu denken.
Ein erstes Resultat dieses Umfelds war die Marke «Electra Bicycle Company», die Bänziger 1993 zusammen mit seinem ebenfalls aus Berlin nach Kalifornien ausgewanderten Kumpel, Jeano Erforth, gründete. Die Velos von Electra kombinierten das coole Design von Beachcruisern mit praktischen Merkmalen europäischer Alltagsräder. Dazu kam ab 2003 eine eigene Rahmengeometrie, die sich Bänziger ausgedacht hatte und als «Flat Foot Technology» patentieren liess.
Dabei sorgen der flache Sitzwinkel und das leicht nach vorne versetzte Tretlager dafür, dass man als Fahrer beide Füsse flach auf dem Boden abstellen kann, während man im Sattel sitzt. Zudem hockt man aufrecht auf dem Velo, wodurch sich der Verkehr gut überblicken lässt. Die «Townie»-Serie mit dieser Geometrie verkaufte sich in den USA denn auch sehr gut und fand in Europa ebenfalls viele Freunde.
Dieser Erfolg brachte Electra Aufmerksamkeit – 2008 verkauften die Gründer die Marke an Investoren. Während Jeano Erforth Electra kurz darauf verliess, blieb Bänziger bis 2010 Teil des Unternehmens. Nach seinem Ausscheiden verbrachte er viel Zeit mit seiner Familie und überlegte sich, welches Projekt er als nächstes in Angriff nehmen sollte. Und wie er dabei seine Stärken in den Bereichen Design und Marketing sowie der Entwicklung von Visionen einbringen konnte.
Zu der Zeit verzichtete der Berliner mit Appenzeller Wurzeln auf ein Auto und nutzte für tägliche Besorgungen und den Transport seiner Tochter ein «Longtail», also ein Velo mit verlängertem Hinterbau und XL-Gepäckträger. «Longtails waren bei Surfern in Kalifornien beliebt. Aber das träge Handling und die ungenügende Steifigkeit des Rahmens wie des Gepäckträgers sorgten dafür, dass kaum Fahrspass aufkam», erklärt Bänziger. Also machte er sich an erste Skizzen für ein Velo, das seinen Ansprüchen und Bedürfnissen als Familienvater gerecht zu werden vermochte: Es sollte sich wie ein normales Velo fahren, aber zugleich Lasten oder zwei Kinder sicher transportieren. Gefragt waren darum ausreichende Steifigkeitswerte, ein souveränes Handling mit und ohne Zuladung – sowie eine ansprechende Optik.
Von Anfang an richtete Bänziger sein Augenmerk auch auf ein Ökosystem an Zubehör in Form modularer Trägersysteme, die sich an Hinterbau und Steuerrohr montieren lassen sollten, und passender Taschen. Damit die Gepäckträger entsprechende Lasten aushalten, wurden die Profile mit einem Durchmesser von satten 19 Millimetern konstruiert – deutlich mehr als sonst üblich. Dafür mussten in Fernost zuerst einmal Produzenten gefunden werden.
Eigene Wege ging Bänziger auch bei den Laufrädern: Um den Schwerpunkt abzusenken und die Agilität zu erhöhen, waren von Anfang an 24-Zoll-Räder mit besonders voluminösen Reifen verbaut.
Das ist angesichts des zulässigen Gesamtgewichts von 200 Kilogramm auch angemessen. 2014 lancierte Benno Bikes ein erstes Modell: Das «Carry On» wies schon viele Merkmale auf, die noch heute für Benno Bikes typisch sind.
Was noch fehlte, war ein elektrischer Hilfsmotor, denn der Kontakt zu Bosch E-Bike Systems sollte erst zustande kommen. «Der Hilfsantrieb war das Puzzleteil, das meinem Konzept eines lastentauglichen, dennoch nicht sperrigen Fahrrads mit überzeugendem Handling noch gefehlt hatte.
So liessen sich die Bedenken vieler potenzieller Kundinnen und Kunden vom Tisch wischen», blickt Bänziger zurück und ergänzt: «Aus der Kombination von ‹E-Bike› und ‹Utility Bike› – wie Alltagsvelos in den Vereinigten Staaten genannt werden – wurde das ‹Etility Bike›». Also machte er sich nochmals an die Arbeit, um Mittelmotor, Akku und Sensoren in sein Design zu integrieren. Dabei kam ihm zugute, dass mit Samuel Weishaupt ein Verwandter gerade auf Weltreise mit seinem selbst umgebauten Land Rover war.
Unterwegs hatte sich Weishaupt zum Universaltüftler mit einem Wissen entwickelt, das weit über seinen erlernten Beruf als Polymechaniker hinaus reichte. Als Weishaupt in Kalifornien Halt machte, zeigte ihm Bänziger das «Boost» als erstes E-Bike der Marke Benno, dessen Entwicklung sich damals auf der Zielgeraden befand. Weishaupt war vom Konzept sofort begeistert. Wieder in der Schweiz zurück, gründete er die Benno Bikes Swiss GmbH und wurde zu einem der ersten Vertriebspartner der Marke – zuerst für die Schweiz, dann für den gesamten deutschsprachigen Raum.
Rasch machten sich Weishaupt und sein Team einen Namen für ihre Messeauftritte. Dabei ist das Standkonzept basierend auf einem Frachtcontainer nicht nur originell, sondern auch praktisch, denn von den Mustervelos über Ausstellungs- bis zu Promo-Material passt alles in einen Standard-Container. Mit Bühnenbau-Elementen und Sonnensegeln ergibt das einen Messestand, der sich einfach transportieren lässt und sich bestens für Ausstellungen im Freien eignet. 2019 sorgte die Marke an der internationalen Fahrradmesse Eurobike für Aufsehen, als sie einen alten Helikopter in die Messehalle stellen liess, um die Kooperation mit den Bergrettern der Air Zermatt zu zelebrieren.
Was das Unternehmen hinter Benno Bikes auszeichnet, sind schlanke Strukturen. «Wir verfügen über kein Hauptquartier. Unsere Angestellten sind über Büros in den USA, Kanada, Österreich und Italien verteilt. Dazu kommt ein Partnerbüro in Taiwan», erläutert Bänziger.
«Für den Export setzen wir auf die Kooperation mit Vertriebsspezialisten, die ihren Markt und die zu unseren Produkten passenden Fachhändler kennen», erklärt Bänziger und fügt hinzu: «Der direkte Verkauf an Endkonsumenten über das Internet ist für uns kein Thema. Dagegen sprechen der hohe Beratungsbedarf für unsere ‹Etility›-Velos und das breite Zubehörsortiment, das erst am stationären Verkaufspunkt richtig zur Geltung kommt.»
Die schlanken Strukturen sind laut Bänziger für einen kleinen Anbieter auch wichtig, um rasch auf Trends reagieren, Produkte auf den Markt bringen und so Positionen im Markt vor den grossen Herstellern besetzen zu können. Dass Benno Bikes sich nicht stur an Modelljahren orientiert und auch die Anzahl an Rahmengrössen überschaubar ist, war in den turbulenten Coronajahren klar ein Vorteil.
«Aus der Kombination von ‹E-Bike› und ‹Utility Bike› – wie Alltagsvelos in den Vereinigten Staaten genannt werden – wurde das ‹Etility Bike›.»
Benno Bänziger
Gleichwohl trafen die langen Lieferzeiten sowie die Störungen bei der Seefracht auch das junge Unternehmen. «Um die hohen Transportkosten abzufedern, haben wir unsere Velos zeitweise zu 95 statt zu 99 Prozent montiert ausgeliefert», sagt Weishaupt. So passten 180 statt 150 Velos in einen Container. «Aber dafür hatte der Fachhandel mehr Arbeit, ehe das Velo bereit fürs Ladenlokal war», räumt er rückblickend ein. Für den E-Bike-Anbieter besonders problematisch war der Mangel an Containern, die für den Transport von Gefahrengut geeignet sind – worunter Akkus fallen.
Mit der Mischung aus Alltags- und Lastenvelo mit Hilfsantrieb hat Benno Bikes den heutigen Zeitgeist getroffen. Entsprechend rege ist die Nachfrage: 2023 wurde ein Liefervertrag mit dem deutschen Einkaufsverbund «Bike&Co.» unterzeichnet, wodurch das Händlernetz markant ausgebaut wurde.
Zudem wurde das Sortiment zuletzt um die Modelle «Remidemi» und «46er» erweitert. Dabei trug auch Samuel Weishaupt zur Entwicklung bei: Er lieferte Ideen aus Sicht des DACH-Markts und baute in seiner Werkstatt in Appenzell erste Musterrahmen. Sein Beitrag dient damit nicht nur der erfolgreichen Fortsetzung von Benno Bikes, sondern erhält auch den Schweizer Gout der Marke.
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