Fabian Baumann,
Redaktor
(fabian.baumann@velojournal.ch)
News,
10.10.2025
Seit mehr als 10 Jahren engagiert sich der Winterthurer Berufsschullehrer René Horber in Madagaskar. Mit dem Aufbau von Velowerkstätten und viel Herz schafft er für junge Menschen eine Zukunft auf zwei Rädern.
Fabian Baumann,
Redaktor
(fabian.baumann@velojournal.ch)
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10.10.2025
Der Schweizer Berufsschullehrer René Horber vermittelt auf Madagaskar Wissen für zukünftige Velomechanikerinnen und Mechaniker. (Fotos: Ny Hary Deutschland)
Wer mit René Horber über Madagaskar spricht, spürt sofort die Leidenschaft. Der Fahrradmechanikermeister und Berufsschullehrer aus Winterthur kennt die viertgrösste Insel der Welt nicht nur aus der Touristenperspektive. Seit 2013 hat er zusammengerechnet fast ein Jahr dort verbracht – nicht in den Ferien, sondern als treibende Kraft hinter Projekten, die das Velo ins Zentrum stellen.
Alles begann 2013 mit einem Mandat der gemeinnützigen Schweizer Organisation Velafrica. Horber sollte in Antsirabe eine Velowerkstatt aufbauen und Schulungen durchführen. Schnell wurde klar: Die grösste Herausforderung war nicht die Technik, sondern die Sprache. «Mein Französisch hat noch viel Luft nach oben», gibt Horber schmunzelnd zu. Da die meisten Lernenden aber selbst ebenfalls nicht gut Französisch sprachen, war ein Dolmetscher für Deutsch-Malagasy unerlässlich.
Durch einen glücklichen Zufall fand er Lova, einen jungen Madagassen, der am Goethe-Institut auf der Insel Deutsch lernte. Diese Begegnung sollte sich als wegweisend erweisen. «Daraus entwickelte sich eine Freundschaft. Lova war weit mehr als ein Übersetzer», erinnert sich Horber. «Wir wurden zu einem richtigen Teamteaching-Duo.» Die Begeisterung für das Velo sprang schnell auf Lova über – der Velovirus hatte ein weiteres Opfer gefunden.
Bei Horbers letztem Einsatz für dieses Projekt im Jahr 2016 offenbarte Lova ihm seinen Traum: Er wollte als Reiseleiter arbeiten und seine Deutschkenntnisse nutzen, um Touristen seine Heimat zu zeigen. Horber versprach, zu helfen. Während Lova in Madagaskar die nötigen Papiere organisierte, um als Reiseleiter zu arbeiten, fand René Horber in der Schweiz erstaunlich schnell einen Reiseveranstalter. Bereits 2017 kehrte er mit der ersten Reisegruppe zurück – mit Lova als offiziellem lokalen Reiseleiter an seiner Seite.
«Als privilegierter Schweizer finde ich es sehr sinnstiftend und nachhaltig zu sehen, dass Fachwissen den Menschen hier ermöglicht, ein Einkommen zu generieren.»
René Horber
Seither hat Horber verschiedene solcher Reisen geleitet. Die Touren sind mehr als nur Sightseeing. «Wir sind viel mit den Bikes unterwegs und besuchen einige der ehemaligen Lernenden in ihren Grossfamilien auf dem Land», sagt er. «Diese authentischen Begegnungen werden von den Reiseteilnehmern sehr geschätzt.» Ein Besuch in der von ihm mitaufgebauten Velowerkstatt in Antsirabe ist dabei stets ein fester Programmpunkt.
Der Ruf des Berufschullehrers als praxisorientierter Ausbildner eilte ihm voraus. Als der Verein Ny Hary Deutschland ein ähnliches Projekt für eine Velowerkstatt startete, fiel sein Name. Man kontaktierte ihn und bat ihn, seine Erfahrung zu teilen. Daraus entstand die Anfrage für eine erste «Train-the-Trainer»-Einheit im Sommer dieses Jahres im Bildungszentrum Alabri in Mianinarivo. Horbers Zusage hing an einer einzigen Bedingung: «Ich sagte zu, falls mein Übersetzer Lova mir nochmals zur Verfügung steht».
Seine Motivation, sich erneut in einem der ärmsten Länder der Welt zu engagieren, ist für ihn selbstverständlich. «Als privilegierter Schweizer finde ich es sehr sinnstiftend und nachhaltig zu sehen, dass Fachwissen den Menschen hier ermöglicht, ein Einkommen zu generieren.»
In Madagaskar ist Mobilität ein entscheidender Vorteil. «Die Madagassen verbringen einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Lebenszeit mit Wegen zu Fuss», weiss René Horber zu berichten. Der Weg zum Arzt, zum Markt oder zur Schule ist oft kilometerlang. Er erinnert sich an einen Schüler, der täglich 24 Kilometer Schulweg zu Fuss bewältigte. Ein Velo verändert hier alles.
Doch ein Velo muss auch gewartet und repariert werden. «Im Improvisieren sind die Madagassen Weltmeister, aber auch am Velo gibt es Handgriffe, die Fachwissen voraussetzen», betont Horber. Genau hier setzt seine Ausbildung an. Sie schafft eine Berufsperspektive für junge Menschen.
Horber weist die jungen Menschen in den wichtigsten Handgriffen an und will die Leidenschaft fürs Velo wecken.
Bei der Ausbildung geht Horber pragmatisch vor. Er reduzierte den Lehrplan der dreijährigen Schweizer Ausbildung auf das Wesentliche: «So wenig Theorie wie möglich, aber so viel wie nötig». Im Zentrum steht für den engagierten Berufsbildner, die Leidenschaft für das Velo zu wecken.
«Ein Velo verändert hier alles».
René Horber
Deshalb endete der Unterricht bei den Workshops im Bildungszentrum Alabri nicht im Klassenzimmer. Jeden Tag unternahm die Gruppe eine gemeinsame Biketour zu den Familien eines Lernenden, die oft weit entfernt in einfachen Verhältnissen leben. «Für die meisten war es das erste Mal, dass sie mit einem Velo nach Hause fuhren. Diese gemeinsamen Touren waren jedes Mal ein Abenteuer und sehr berührend», erzählt der Berufsbildner im Gespräch mit Velojournal.
Auch nach seiner Rückkehr in die Schweiz bleibt René Horber dem Projekt verbunden. Über eine WhatsApp-Gruppe nimmt er weiterhin an Meetings teil und bringt seine Expertise ein. Sein Engagement zeigt: Ein Velo in Madagaskar ist weit mehr als ein Fortbewegungsmittel – es ist ein Werkzeug für Bildung, Einkommen und eine selbstbestimmte Zukunft.
Der Verein Ny Hary Deutschland e.V. fördert seit über 20 Jahren Schülerinnen und Schüler in Madagaskar. Im ländlichen Mianinarivo, gut 80 km östlich der Hauptstadt Antananarivo gelegen, hat Ny Hary das Bildungszentrum Alabri errichtet – mit einer täglichen Schülerspeisung für 250 Kinder, einem Schülerwohnheim für 52 Jugendliche und vielen ausserschulischen Bildungsangeboten.
Als neuestes Projekt wurde kürzlich vor Ort eine Werkstatt für Fahrradmechanik eingerichtet, die gleichzeitig als Ausbildungsbetrieb dient. Hier wird Jugendlichen das Reparierhandwerk beigebracht. Gleichzeitig werden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet, die wiederum das Gelernte weitergeben können. Mit dieser Ausbildungsförderung soll ein Beitrag zu einem wirtschaftlich unabhängigeren und finanziell gesicherteren Leben der Jugendlichen geleistet werden.

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