Berg und Tal auf altem Stahl

Die Eroica als Mutter aller Vintage-Rennen wurde schon mehrfach kopiert, doch der «Bergkönig» hat noch gefehlt. Ein alpines Stelldichein, das die Tradition der Schweizer Velomanufakturen und der Tour-de Suisse-Berghelden hochhält. Peter Hummel hat die Zweitauflage am 25. Und 26. August mitverfolgt.

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Peter Hummel (Text und Fotos)
28.08.2018

Eigentlich soll es ja gar kein Rennen sein; drum gibt es auch keine Rangliste. Vielmehr ist dieses erste Schweizer Vintage-Velo-Festival als «touristisch-historische Ausfahrt» gedacht. Für die echten Helden liefert die eigentliche Bergkönig-Runde gleichwohl eine rennmässige Herausforderung: 103 km mit 2400 Höhenmetern auf kleinen Bergstrassen – wie anno dazumal im Grenzgebiet von Berner Oberland, Freiburger und Waadtländer Alpen – mit Schlaglöchern, Schotterpassagen und gespickt mit Kuhfladen. Für die Pedaleurs de Charme hingegen bieten vier frei wählbare Runden zu je rund 20 km genussorientiertes Cruisen mit überschaubaren Steigungen rund um Gstaad.

Stilechtheit wird belohnt

Der unermüdliche Initiant Alex Beeler hat nicht nur eine Affinität für alte Rennräder. Als Veranstalter von Vintage-Autorennen bringt er auch die nötige organisatorische Erfahrung mit. Weil Gstaad als eine der wenigen Alpen-Destinationen nicht nur für Mountainbiker, sondern auch für Rennradler ein prächtiges Routennetz geschaffen hat, stösst er bei der Tourismusorganisation wie auch bei den Gemeinden auf tatkräftige Unterstützung.

 

Raritäten am Bergkönig in Gstaad
Concours d‘Elegance für hochkarätige Sammlervelos im Ballsaal des Palace in Gstaad.


Dazu bietet das berühmte Chaletdorf die nötige Grandezza: Am Samstag fand als Prolog ein kurzer Bergsprint zum Gstaad Palace hinauf statt, wo die Teilnehmer zu einem gediegenen Apéro im Ballsaal geladen waren. Beim erstmals ausgerichteten Concours d’élégance mit 25 aufdrapierten Exklusivitäten aus über 100 Jahren Fahrradbau konnten hier die Teilnehmer ihren Favoriten erküren. Umgekehrt durften sie ihre eigenen Raritäten von einer versierten Jury beurteilen lassen; dem Eroica-Vorbild entsprechend ist Baujahr 1986 Deadline für die Velos.

Tenuewechsel am Bergkönig in Gstaad
Tenuerleichterung bei Montbovon.


Besonders in die Kränze kamen heimische Renner. Da tauchten nicht nur jahrzehntealte Allegros, Cilos, Condors, Gerbers, Mondias und Titans aus der Versenkung auf, sondern auch rare Preziosen völlig vergessener Manufakturen. Aber auch für die besten Vintage-Styles winkten Pokale: Für einmal dominierten wie zu guten alten Zeiten Wolltrikots, Würstlihelme und umgebundene Collés.


Um dem Anlass auch punkto Namen entsprechenden Glanz zu verleihen, waren heuer noch mehr Cracks aus den Siebziger bis Neunziger Jahren geladen, etwa die Sprinterkönige und Weltmeister Urs Freuler und Gilbert Glaus, Albert Zweifel oder Paris-Roubaix-Held Thomas Wegmüller.

Wenn's am Bergkönig zu steil wird, hilft nur Schieben.
Beschwerlicher Aufstieg zum Pierre du Moëllé: Wenn's zu steil wird, hilft nur Schieben.

Hobelkäse und Mehlrost statt Energybars

Die mit 350 Anmeldungen gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelte Teilnehmerzahl bewiess das zunehmende Interesse an solchen Veranstaltungen. Erstaunlicherweise wählte die Mehrheit die «harte Tour»; Vintage-Gümmeler sind offenbar gut trainiert und etliche machten sich einen Spass daraus, mit ihren Stahlrennern der Carbon-Community unterwegs zu zeigen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören.


Immerhin konnten sie auf der fordernden Fahrt an diversen Verköstigungsposten ihre Kaloriendepots wieder auffüllen. Noch ausgiebiger nutzten die Pedaleurs de Charme die Gelegenheit, sich mit überraschenden Produkten auf Bauernhöfen und Alpen zu stärken. Wer hätte etwa gewusst, dass Mehlrost (mit Zucker und Konfitüre gebackenes Mehl) mindestens so sehr sättigt wie ein Energieriegel, aber viel leckerer mundet?


Bis zur Prämierung blieb Zeit, im Vintage-Velo-Markt rare Edelteile zu ergattern. Inoffizieller Bergkönig wurde Noldy Eberli, der mit seinem originalen, nicht restaurierten 1936er-Rad von Imhof (mit Holzfelgen) und seinem antiken Ovo-Verpflegungstäschchen gleich zwei Pokale einheimste.

 

Noldi Eberli gewann mit seinem 1937er Veteran den Pokal fürs besterhaltene Vintagerad
Noldy Eberli's Rennvelo hat Baujahr 1936.


2019 soll die Drittauflage des Bergkönigs mit einem zusätzlichen Bergrennen dem Namen noch mehr Ehre machen…

www.bergkoenig-gstaad.com