Weit gekommen und noch viel vor

Die Produktneuheiten von Bosch eBike Systems für das Modelljahr 2020 sind inzwischen bekannt. Cyclinfo konnte am Rande der Sneak Preview-Präsentation in Stuttgart mit Geschäftsführer Claus Fleischer sprechen und ihm einige allgemeine Fragen zur Branche und zur anhaltenden Elektrifizierung vom Velo stellen.

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Branche, 21.06.2019

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Mit einem breit aufgestellten Produktportfolio und über 70 Markenproduzenten als Kunden ist Bosch eBike Systems ein zentraler Akteur im nach wie vor dynamisch wachsenden E-Bike-Segment. Dabei ist dieser Zweig des Weltkonzerns erst vor zehn Jahren gegründet worden - als Unterabteilung der Automobilsparte. Einer der Gründe dafür war, dass die Absätze der Automobilindustrie in Folge der grossen Finanzkrise von 2008 deutlich rückgängig waren. Das bekam Bosch als wichtiger Zulieferer dieser Industrie direkt zu spüren - und begann darum intern, nach künftigen Trendthemen Ausschau zu halten. 

Aller Anfang ist schwer: Einer der ersten Prototypen von Bosch eBike Systems. Dabei kristallisierten sich Ökologie und Mobilität als zwei Felder heraus, die aus Sicht des Konzerns viel versprechend waren - insbesondere die Elektrifizierung und Vernetzung der Mobilität. So kam es 2009 zur Gründung von Bosch eBike Systems als Start-Up - mit nur einer Handvoll Mitarbeitern innerhalb der Bosch-Gruppe, wie sich Geschäftsführer Claus Fleischer erinnert. Von der Sensorik und Elektronik über Elektromotoren bis zu den Akkus stand dabei hauseigenes Know-How zur Verfügung, was die ersten Schritte wesentlich vereinfachte. Bereits im Sommer 2009 waren erste Prototypen unterwegs, und 2010 stellte Bosch die erste Generation eines E-Bike-Antriebssystem an der Eurobike vor.

Die Ur-Version von Boschs E-Bike-Antriebssystem war 2010 an der Eurobike zu sehen. Dieses ging ab Februar 2011 in Produktion und war durch den tief unter dem Tretlager verbauten Mittelmotor und den voluminösen Akku nicht zu übersehen. Zwei Jahre später folgte die Diversifizierung in die «Active Line» für Alltagsradler und die «Performance Line» für Touren- und Trekkingvelos, und 2015 lancierte Bosch mit dem »Performance Line CX» einen besonders kraftvollen Antrieb für E-Mountainbikes. Mit dem grossen Nyon-Display machte Bosch zudem 2014 erste Schritte in Sachen Vernetzung von E-Bikes. Mit der Akquisition von Cobi hat Bosch sich im Herbst 2017 nochmals mehr Kompetenz in Sachen Konnektivität gesichert.

Einige der Meilensteine der ersten 10 Jahre von Bosch eBike Systems im Überblick. Mit dem ABS für E-Bikes hat Bosch vor einem Jahr eine weitere Schlüsseltechnologie lanciert. Diese ist zum Bedauern von Claus Fleischer bisher aber vom Markt kaum angenommen worden: «Während wir über 70 Hersteller mit Mittelmotoren und Akkus beliefern, wird unser ABS-System nur von einer Handvoll Hersteller verbaut - und auch dann nur an wenigen Modellen. Dabei bringt diese Technologie ein deutliches Plus an Sicherheit. Leider war dies nach der Lancierung des Systems weit weniger ein Thema als der kosmetische Aspekt, konkret die Abmessungen der vor dem Steuerrohr verbauten ABS-Box. Hier muss man sich schon fragen, was Priorität haben sollte - seitens der Hersteller wie der Fachmedien.»

Claus Fleischer liess es sich beim Sneak Preview-Event in Stuttgart nicht
nehmen, die Neuigkeiten fürs Modelljahr 2020 persönlich zu präsentieren. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Bosch aktuell nicht an einer Integration vom ABS arbeitet: «So lange die Akzeptanz am Markt und damit die Nachfrage so gering ist, drängt sich eine Weiterentwicklung im Sinne einer hübscheren Integration für Bosch eBike Systems nicht auf», stellt Fleischer dazu klar. Mit der Aufwertung von Bosch eBike Systems zu einer eigenen Division in der Mobilitätssparte hat das Unternehmen zuletzt die über zehn Jahre hinweg erfolgte Aufbau-Arbeit vom Start-Up zu einem der Ton angebenden Antriebshersteller für E-Bikes honoriert. Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung nutzte Cyclinfo die Gelegenheit, um Claus Fleischer nach einigen Entwicklungen und Trends in der Branche und seiner Einschätzung zu selbigen zu fragen.

Steht seit der Gründung an der Spitze von Bosch eBike Systems: Claus Fleischer.
Cyclinfo: Asien spielt in der Veloindustrie eine zentrale Rolle. Hat Bosch als global tätiger Konzern in Erwägung gezogen, eine Fertigung der eBike-Systeme dort hochzuziehen?
Claus Fleischer: Als Unternehmen verfügt Bosch auch über Fabriken in Asien, aber nicht für Fahrradkomponenten. Wir verfolgen die Maxime «aus der Region, für die Region», und der Hauptabsatzmarkt für E-Bikes ist zweifellos Europa. Zudem werden auch viele E-Bikes in Europa assembliert - im Vergleich dazu ist das Volumen in Asien bescheiden. Hier macht es mehr Sinn, diese Nachfrage über unsere Fertigung in Ungarn abzudecken.“
Cyclinfo: Ist eine Integration von Mittelmotor und Getriebe für Bosch ein Thema?
Claus Fleischer: Bisher haben wir bei Bosch aus zwei Gründen darauf verzichtet. Erstens sehen wir in einer solchen Integration aktuell keinen realen Vorteil gegenüber bestehenden Schaltungen. Und zweitens zielt unsere Strategie darauf ab, das Zusammenspiel unserer Produkte mit bestehenden Schaltungen zu optimieren und den Entwicklungsaufwand für die Hersteller zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist eShift, welches die Funktion der Getriebenaben von Shimano, enviolo und Rohloff in Kombination mit Bosch-Antrieben markant verbessert.
Cyclinfo: Aktuell werden stets mehr Segmente des Velomarkts elektrifiziert, was eine Diversifizierung der Antriebssysteme nach sich zieht: Kompakt und leicht für Rennvelos, leistungsstark für schwere Lastenvelos. Wie beurteilt Bosch diese Entwicklung?
Claus Fleischer: Zunächst einmal gilt, dass unsere «Performance Line CX»-Antriebe bereits an Rennrädern wie Lastenrädern zum Einsatz kommen. Der E-Rennrad-Markt ist als Segment aktuell aber noch klein, und die Anforderungen an Antrieb und Akku sind noch nicht ganz klar. Hierfür haben wir die «Active Line Plus» im Programm und behalten die Entwicklung auf jeden Fall im Auge. Bei den schweren Lastenrädern, also das Segment über 200 Kilogramm Zuladung, sehe ich zunächst den Gesetzgeber in der Pflicht, und auch bei der Infrastruktur muss noch einiges gehen. Aktuell fehlen uns sichere Rahmenbedingungen, um mit der Entwicklung eines stärkeren Motors speziell für schwere Lastenräder loszulegen.    
Cyclinfo: Herzlichen Dank für diese Einschätzungen und weiter viel Erfolg am Steuer von Bosch eBike Systems.
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