Globale E-Bike-Fertigung: EU im Hoch, China im Jammertal

Schon die Halbjahresbilanz von Eurostat zeigte, dass China 2019 massiv an Bedeutung als Produktionsstandort für E-Bikes verloren hat. Wie massiv, wird beim Blick auf die Zahlen fürs ganze vergangene Jahr klar.

Laurens van Rooijen, Redaktor (lvr@cyclinfo.ch)
Branche, 26.02.2020

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Kurz nach der Eurobike veröffentlichte Eurostat als statistisches Amt der EU Zahlen zum Import von E-Bikes (nur Varianten mit Unterstützung bis 25km/h, keine Speed Pedelecs) im ersten Halbjahr 2019. Und diese Zahlen sorgten in der Branche für Aufsehen: Die Importe aus China brachen nach der Einführung der Antidumping-Zölle der EU auf in der Volksrepublik gefertigte E-Bikes um über 90 Prozent ein, während Taiwan sein Exportvolumen im gleichen Zeitraum quasi verdoppeln konnte. Unterm Strich wurden im ersten Halbjahr von 2019 laut den Erhebungen von Eurostat rund 400’000 E-Bikes weniger in die EU importiert. An diesem Betrag änderte sich in der zweiten Jahreshälfte kaum etwas - die Industrie fand schnell Wege, sich mit den neuen Rahmenbedingungen zu arrangieren.

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China lieferte 2019 gut 550'000 E-Bikes weniger in die EU. Dieser Verlust
konnte nur zu einem Teil von anderen Ländern kompensiert werden. 

Cyclinfo wollte wissen, ob sich dieser Trend fortgesetzt hat - und hat Eurostat angeschrieben, um an Zahlen zu kommen. Diese waren leider erst für die Monate Januar bis November erhältlich und bieten nicht zu allen relevanten Ländern Zahlen, erlauben aber dennoch Einschätzungen dazu, wie es um die Exporte Chinas über das vergangene Jahr hinweg bestellt war. Und dazu, wer am meisten davon profitiert hat, dass China als Produktionsstandort deutlich an Attraktivität verloren hat. Die Importe in die EU sind auch für die Schweiz von Interesse: Einerseits beliefern viele Hersteller hiesige Händler aus einem europäischen Zentrallager. Andererseits taucht die Schweiz als Herkunftsland von in die EU importierten E-Bikes in der Statistik auf.

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Auch innerhalb der EU kam es im vergangenen Jahr zu markanten Verschiebungen,
wenn es um die Schwerpunkte der E-Bike-Fertigung auf dem Kontinent geht.

Schweizer E-Bike-Hersteller dürfen mit dem vergangenen Jahr zufrieden sein: Von Januar bis Ende November lieferten sie 39990 E-Bikes in die EU, rund 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Und in dieser Zahl sind Speed Pedelecs als traditionelle Domäne mancher Schweizer Hersteller nicht einmal inbegriffen. Während die Importe aus China in den ersten elf Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 82.5 Prozent einbrachen, konnte Taiwan die Ausfuhren in die EU im gleichen Zeitraum um 83.7 Prozent steigern. Auch Thailand und die Türkei legten auf quantitativ tieferem Niveau deutlich zu. Wegen fehlender Zahlen zu einzelnen Monaten lässt sich zu Kambodscha und Malaysia auf Grund der Eurostat-Zahlen leider keine Aussage treffen.

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Auch wenn für 2019 nur Zahlen von Januar bis Oktober vorlagen, konnten die meisten EU-Staaten
ihr Produktionsvolumen in Sachen E-Bikes gegenüber dem kompletten Jahr 2018 markant steigern.

Um die Strafzölle zu vermeiden und die Märkte in Europa schneller und flexibler beliefern zu können,  werden unter dem Schlagwort «Reshoring» aktuell in Portugal und verschiedenen Ländern Südosteuropas Montagewerke und Zulieferbetriebe aus dem Boden gestampft. Dies zeigt sich in einer Zunahme der E-Bike-Fertigung in den EU-Staaten um rund ein Drittel. Das stärkste Wachstum bei der Anzahl produzierter E-Bikes legte Portugal hin, wo das Produktionsvolumen innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht werden konnte. In den Niederlanden wurde die Produktion auf hohem Niveau mehr als verdoppelt. Auch in Polen, Bulgarien, Tschechien und Spanien stieg die Anzahl gefertigter E-Bikes markant an.

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Ein Blick in die Fabrikhalle von Fritz Jou Bikes in Portugal - einer der ersten grossen Investitionen
eines taiwanesischen Branchenakteurs in diesem aufstrebenden Fertigungsland.

In Ungarn dürfte im laufenden Jahr ein markanter Anstieg der Fertigung erfolgen, wenn die Fabrik von Giant in Gyöngyös ihren Betrieb aufnimmt. Auch in Polen, Bulgarien und Rumänien befinden sich zurzeit grössere Fertigungsanlagen und Investments im Bau, die zu einem weiteren Wachstum des Produktionsvolumens führen werden. Das ist auch notwendig, denn die zusätzliche Produktion innerhalb der EU konnte die Ausfälle Chinas nur zu einem Teil kompensieren. Entgegen dem allgemeinen Trend mussten Italien, Frankreich und Belgien im vergangenen Jahr teils empfindliche Einbussen hinnehmen: Diese Länder wurden nicht nur in den Top10 durchgereicht, sondern wiesen auch ein sinkendes Produktionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr aus. 

Website Eurostat

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