E-Bike-Haftpflicht: EU-Obligatorium ist wohl vom Tisch
E-Bike-Haftpflicht: EU-Obligatorium ist wohl vom Tisch
Rasch wechselnde, regulatorische Rahmenbedingungen sind ein ernst zu nehmendes Hindernis für die weitere Ausbreitung von E-Bikes. Umso wichtiger ist es, dass in der EU die Forderung nach einem generellen Haftpflicht-Obligatorium für E-Bikes nach einer Entscheidung der vorberatenden Parlaments-Kommission vom Tisch zu sein scheint.
jw/lvr
Branche,
29.01.2019
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Schon seit einiger Zeit geisterte das Thema Haftpflichtversicherung für alle E-Bikes - also nicht nur für schnelle S-Pedelecs, bei denen genau dies über die Kennzeichen-Pflicht bereits der Fall ist - durch die Köpfe der Marktteilnehmer in der Fahrradbranche. Der Grund dafür war, dass die Europäische Kommission in einem ersten Entwurf für eine revidierte Gesetzgebung zur KZF-Haftpflicht auch gewöhnliche E-Bikes als reguläre, von einem Haftpflicht-Obigatorium betroffene Kraftfahrzeuge einstufte. Die Folgen einer solchen Gesetzesänderung könnten fatal sein, so die Befürchtung: Der in vielen EU-Ländern erst richtig Fahrt aufnehmende E-Bike-Boom könnte durch neue Vorschriften und daraus resultierende Kosten abgewürgt werden. Angesichts der starken Stellung hiesiger Anbieter wie Flyer und Stromer im Exportgeschäft betraf diese Frage auch die Branche in der Schweiz. Für einmal wurde die Velobranche nicht auf dem falschen Fuss erwischt: Vereine und Lobby-Verbände wie ECF (European Cyclists Federation), CIE (Cycling Industry Club), Conebi oder VSF schlugen rechtzeitig Alarm und wiesen in Brüssel eindringlich auf die Problematik hin.
Stromer fokussiert stark auf schnelle E-Bikes für Pendler - und wäre von einem Haftpflicht-Obligatorium direkt betroffen gewesen.
Aktives Lobbying zeitigt Erfolg Offensichtlich mit Erfolg: Auf Grund der Abstimmungen im zuständigen IMCO-Ausschuss (IMCO: Internal Market and Consumer Protection) scheint eine Zustimmung des EU-Parlaments zu einem Haftpflicht-Obligatorium für alle Typen von E-Bikes vom Tisch. Manuel Marsilio, General Manager von Conebi, erklärt: «Ich danke den Mitgliedern des IMCO-Ausschusses, die unsere Position unterstützt haben: Wir werden jetzt mit den Mitgliedstaaten die Diskussion beginnen, um sicherzustellen, dass die neue Kfz-Versicherungsrichtlinie keine E-Bikes in ihren Geltungsbereich einbezieht. Dies ist ein entscheidender Moment im Prozess der Befürwortung.» ECF Advocacy Director Adam Bodor sagt: «Dies ist eine vernünftige Entscheidung des IMCO-Ausschusses des Europäischen Parlaments. Wir sind froh, dass sie mit der Fahrradgemeinschaft übereinstimmen, dass E-Bikes nicht als Kraftfahrzeug definiert werden müssen und keine Haftpflichtversicherung erforderlich ist. Wir fordern die Mitgliedstaaten auf, der Führung des Berichterstatters Charanzová und des Parlaments zu folgen, um E-Bikes von dieser Richtlinie auszuschliessen.»
Zeigen sich erfreut vom Kommissionsentscheid (von links): Manuel Marsilio von Conebi, Adam Bodor von ECF und Albert Herresthal vom VSF.
Albert Herresthal vom VSF kommentiert den Vorgang wie folgt: «Wir sind froh, dass eine Belastung des Pedelec-Marktes durch eine verpflichtende Kfz-Haftpflichtversicherung nun wahrscheinlich vermieden werden kann. Es ist grossartig, in welchem Masse sich VSF-Mitglieder in Deutschland, Österreich und Belgien in den letzten Tagen engagiert haben, in dem sie die Europaabgeordneten massenhaft angeschrieben haben. Die Entscheidung der EU-Parlamentarier im Ausschuss verdient Respekt, weil sie eine Güterabwägung vornehmen mussten. Mit der Zwangsversicherung sollten potentielle Unfallopfer materiell geschützt werden, was grundsätzlich nachvollziehbar ist. Nun deutet sich an, dass die EU-Länder zu dieser Frage individuelle Lösungen entwickeln können – ein kluger Kompromiss.» Noch nicht vom Tisch sind damit allerdings nationale Sonderzüglein: Den einzelnen EU-Mitgliedsländern soll es frei gestellt werden, ein Haftpflichtversicherungs-Obligatorium für E-Bikes einzuführen. Zum für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Regelfall dürfte dies nun jedoch nicht werden.