Auf halbem Weg zur neuen E-Eurobike?

Durch die Rückkehr zum vertrauten September-Termin konnte die Eurobike wieder deutlich mehr Fachbesucher anziehen als vor Jahresfrist. Auf Seiten der Aussteller verschiebt sich der Schwerpunkt weg von sportlichen Komplettvelos und hin zur Mikro- und E-Mobilität und Zulieferern. Angesichts des geänderten Vororderkalenders sieht sich die grösste Velomesse der Welt aber vor grossen Herausforderungen.

no-image

lvr
09.09.2019

Lesen ohne Abo.

Zahlen Sie nur, was Sie lesen!

Mit tiun erhalten Sie unbeschränkten Zugriff auf alle Velojournal-Premium-Inhalte. Dabei zahlen Sie nur, solange Sie lesen.

  • Alle Premium-Artikel
  • Zugang zum E-Paper
  • Flexibles zahlen

Sie haben bereits ein Velojournal-Abo? Hier einloggen

Mit 39834 Fachbesuchern an den ersten drei Tagen und 21240 Endverbauchern am Festival Day sowie 1345 Medienvertretern konnten Messe Friedrichshafen nach der Rückkehr zum September-Termin wieder bessere Zahlen zur Eurobike als im Vorjahr vermelden: War die Anzahl Fachbesucher im Juli 2018 um 12.25 Prozent eingebrochen, konnte sie nun wieder um 6.5 Prozent zulegen. Somit befindet sich die grösste Velo-Fachmesse der Welt auf halbem Weg der Erholung. Diese Besucher stammten insgesamt aus 99 Ländern, was die Bedeutung der Eurobike für die globale Veloindustrie unterstreicht. Auf Seiten der Aussteller wurden 1400 Unternehmen gezählt, darunter 150 Erstausstellern. Somit konnten die Messemacher volles Haus vermelden. Dabei ist eine deutliche Verschiebung festzustellen: weg von Bikewear und kompletten Velos im sportlichen Segment und hin zu zur Mikro- und E-Mobilität und damit verbundenen Zulieferern.

Pexco-CEO Susanne Puello demonstriert im Rahmen des Rundgangs
für Blogger die Besonderheiten der neuen E-Bikes von R-Raymon.
Auch im Vorfeld der diesjährigen Austragung musste Messe Friedrichshafen den Verlust von zwei Branchenschwergewichten auf Seiten der Aussteller hinnehmen: Die Accell Group setzte dieses Jahr erstmals auf die eigenen Accell Order Days in Mainz, und auch Scott blieb mit der Tochterfirma Bergamont der Eurobike fern - und wird nächstes Jahr an der ISPO Outdoor in München zu finden sein, wie von gut informierten Brancheninsidern zu hören war. Diese Verluste machten zwei andere Schwergewichte zu einem guten Teil wett: Die ZEG nahm mit ihren Marken Bulls, Kettler und Flyer einige Fläche in Anspruch und lancierte zudem die neue Schwerlastenvelo-Marke A-N.T.. Bianchi kehrte ebenfalls als Aussteller an den Bodensee zurück. Und Pexco feierte mit den Marken Husqvarna Bicycles und R-Raymon Eurobike-Premiere und rührte dabei mit der grossen Kelle an. Auch im Boom-Segment Cargobikes gab es neue Anbieter zu entdekcen. Zudem waren erstmals auch E-Scooter in allen Grössen und Spielarten an der Messe zu sehen - eine kontroverse Neuerung.

Erstmals spielte an der Eurobike das Thema Mikromobilität eine spürbare
Rolle - und damit tauchten E-Scooter in allen Grössen und Formen auf. 

Nach eigenen Eindrücken war der Donnerstag der Tag mit der höchsten Besucherfrequenz, während der Andrang am Mittwoch und Freitag geringer ausfiel. Als Geschäftsführer vom in Deutschland Ton angebenden Zweirad Industrie Verbands zeigte sich Siegfried Neuberger zum Ende der Messe zufrieden: «Die Stimmen aus dem ZIV-Mitgliederbereich sind durchwegs positiv, die Rückkehr zum späten Messetermin wird mehrheitlich begrüsst. Das Interesse der Fachbesucher ist hoch, die Gespräche sind von ausgezeichneter Qualität. Besonders stark in diesem Jahr ist die Resonanz von Seiten der Medien und der Politik.» Der letzte Satz verweist auf laufende Diskussionen rund um die Verkehrswende und Bemühungen, die Lebensqualität besonders in Städten zu steigern, indem Alternativen zum motorisierten Individualverkehr geboten werden. In dieser Hinsicht hatte die Messe mehr zu bieten als Lastenvelos und E-Scooter: Die ZEG lancierte ihr Konzept «Sharea», mit der sie zum multimodalen Mobilitätsanbieter werden will.

Wegen der deutlich gestiegenen Nachfrage nach Lastenvelos drängen
bestehende wie neue Anbieter in diesen Markt - im Bild das «Ca Go». 
In Gesprächen mit Fachbesuchern wie Ausstellern im Verlauf der Messe wurde klar, wo bei der Eurobike wirklich der Schuh drückt - und was der Interbike in den Vereinigten Staaten bereits das Genick gebrochen hat: Wenn immer mehr wichtige Lieferanten des Fachhandels auf eigene Veranstaltungen setzen, auf denen bereits im Juli und anfangs August die Vororder für die kommende Saison geschrieben wird, fehlt Fachhändlern ein entscheidender Grund für den Messebesuch. Dies gilt umso mehr, je mehr relevante Hersteller der Messe am Bodensee fern bleiben. Eine Messe, welche den Markt nicht abbildet und dem Fachhandel keinen Mehrwert bietet, ist ein Auslaufmodell. Die Messemacher in Friedrichshafen halten dagegen, indem sie das Rahmenprogramm um Schulungen der «Eurobike Academy» und Seminare erweitern, die dem Fachhandel  unabhängig von den an der Messe vorgestellten Produkten einen Mehrwert bieten.

Am Thema E-Bike führte an der 28. Eurobike kein Weg vorbei - auch nicht
bei sportlich positionierten Anbietern wie Fox mit dem «e-Live Valve».
Ob das ausgebaute Rahmenprogramm und die thematische Öffnung ausreichen werden, um die Eurobike relevant zu halten, wird sich zeigen. Entscheiden wird dies die Branche - und zwar sowohl als Aussteller wie als Fachbesucher, die mit ihren Füssen abstimmen beziehungsweise mit ihrer Anwesenheit oder ihrem Fernbleiben über die Zukunft des Formats einer markenübergreifenden Fachmesse entscheiden. Fürs erste scheint es Messe Friedrichshafen gelungen zu sein, die rasante Erosion der vergangenen Jahre abzubremsen - aber ob dies schon eine Kehrtwende ist?
www.eurobike.com
www.messe-fn.de