Schiff in den Bergen
Das westliche Österreich hat alemannisch-alpine Verwandtschaften mit den Schweizer Nachbarn, doch wenn Letztere hierherkommen, lassen sie sich überraschen von den kleinen Unterschieden, etwa in der Sprache des Alltags oder bei geografischen Bezeichnungen, die ihnen zuweilen verspielt und lustig vorkommen. Um den Weg von Rankweil zum Furkajoch zu finden, folgen sie den Dörfern Laterns, Inner Laterns und Bad Laterns, fahren im Tal den Bach entlang, und der heisst Frutz. In Au Vorarlberg ist eine prächtige Herberge, das Hotel Das Schiff in den Bergen. Dieses Schiff ankert nahe an der Bregenzer Ach, und die rauscht so mächtig, dass der Gast, welcher vor lauter Getöse, ach, ach!, den Schlaf nicht findet, spätestens um Mitternacht das Fenster schliesst.
Es ist, als ob die Ortsnamen an den Pässen die Mühen von uns Radlern schon ahnten. Dort, wo die Steigung zum Hochtannbergpass am schärfsten wird, heisst das Dorf Schröcken. Als wir in der Auffahrt zum Hahntennjoch fast schlappmachen, kommen wir ins Dorf Bschlabs, wo es zum Glück ein Gasthaus gibt. Kurzum: Furkajoch, Hochtannbergpass und Hahntennjoch sind nicht sehr hoch, haben aber lange, anspruchsvolle Rampen. Dennoch werden wir im nächsten Bundesland, in Tirol, übermütig. Statt durchgehend dem Inn entlang ostwärts zu fahren, wählen wir zwei Schlenker.
Der erste führt über den Kühtai-Sattel. Der ist auch eine Industrielandschaft des Skitourismus. Im Sommer stehen all die Transportanlagen still, die Fensterläden der Bettenburgen und die meisten Läden sind geschlossen, die Gaudistationen zugenagelt, es herrscht eine scheintot-gespenstische Stille; das einzig Lebendige sind die Kühe auf den Weiden ringsum. Man schaut sich die Szenerie an und fühlt sich erinnert an die Fotos des berühmten Tirolers Lois Hechenblaikner, der diese Retortenorte, im Winterbetrieb wie im Sommerschlaf, touristische Intensivstationen nennt.
Der zweite Schlenker führt auf die Zillertaler Höhenstrasse. Dort sind die Kehren so steil, dass sich nur wenige motorisierte Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer auf sie wagen, und so haben wir Radler unsere Ruhe. Die Sonne brennt intensiv vom Himmel herab, es ist windstille dreissig Grad warm, über lange Rampen steigt die Strasse zwanzig Prozent steil direkt in den Himmel hinauf. Sind wir also auf einer Himmelfahrt? Wir, abgesehen von ein paar tollkühnen Elektro-Herrschaften die einzigen drei Radler ohne Batterie, erreichen die erste Kuppe. Die Veloschuhe sind jetzt glühende Schraubstöcke, wir nehmen ein Fussbad. Göttlich.