Im Vorüberrollen sieht ein Velofahrer am Strassenrand ein Auto stehen. Dessen Besitzer ist daran, es mit einem Federwedel abzustauben, obwohl es schon leuchtet wie ein Juwel. Der Radler denkt: Du Idiot, du Autowichser, dass du dein ohnehin schon blitzsauberes Fahrzeug so abwedelst. Dann denkt der Pedaleur, er selber sei auch ein Wichser, aber ein Velowichser.
Das geht so: Oft, wenn er schon im Bett liegt, hinüber zu seinem himmelblauen Velo blickt, entdeckt er irgendwo an der Gabel oder auf der Felge ein Drecklein. Manchmal steht er mitten in der Nacht auf, poliert sein himmelblaues Objekt der Lust auf Hochglanz, murmelt «Celeste, celeste», obwohl nachts keine Sonne scheint, die es zum Funkeln brächte. Doch er will, dass es sogar im Dunkeln himmelblau glänzt, sonst kann er nicht ruhen. Wenn es unbefleckt glitzert, kann er wieder schlummern und davon träumen, wie er auf seinem himmelblauen Glanzstrahl durch die Wüste dahinschwebt, schwerelos, einen Meter über der Strasse.
Der Unterschied zwischen dem Autofetischisten und dem Velofetischisten ist bloss, dass Letzterer seinen Fetisch zu sich ins Schlafzimmer nimmt. Wenn nicht die ölige Kette wäre, nähme er das himmelblaue Wunder zu sich unter die Decke. Bekannt ist nur ein Autofahrer, der seinen Autofetischismus ähnlich weit treibt, nämlich der Dichter H. B., der einem Architekten den Auftrag gab, am Schlafzimmer eine Garage so anzubauen, dass der Dichter vom Bett aus seinen knallroten Ferrari anblicken kann, in welchen er vernarrt ist.
Der Dichter H. B. liebt seinen ferrariroten Ferrari so, wie andere eine Frau lieben, der Gümmeler liebt seine himmelblaue Maschine so, wie andere eine Frau lieben. Der Dichter H. B. kann sich an seinem ferrariroten Ferrari nicht sattsehen, und er sagt: FERRARI HUMANUM EST. Der Gümmeler kann sich an seinem himmelblauen Velo nicht sattsehen, und er sagt: PEDALO, ERGO SUM.
Es gibt Momente, in denen die Veloliebe und die Frauenliebe schicksalhaft aufeinanderprallen. Der Gümmeler und seine Freundin kommen spät in der Nacht nach Hause, und wie immer steht das himmelblaue Wunder im Schlafzimmer, Fahrtrichtung Bett. Der Anblick der Velos im Schlafzimmer bringt die Geliebte heute aus der Fassung, und sie ruft: «Das Velo verschwindet mir!» Der Velofahrer sagt: «Liebste Geliebte, das Fahrrad bleibt.» Sie: «Du nimmst es jetzt gleich aus dem Schlafzimmer.» Er: «Es steht immer im Schlafzimmer, es soll dich nicht stören.» Sie: «Das Velo stört mich aber, und zwar gewaltig.» Er: «Schau, wie es leuchtet, celeste, celeste, und wie es friedlich dasteht.» Sie: «Das Velo verschwindet mir, oder ich verschwinde.» Er: «Komm, setz dich, ich mache dir einen Vorschlag: Du bleibst hier, ich aber drehe das Fahrrad um, so, dass es vom Bett wegfährt. Einverstanden?»
Celeste, celeste – und Vorhang.







