Pete Mijnssen,
Chefredaktor
(pete.mijnssen@velojournal.ch)
Schwerpunkt,
20.11.2025
Die Umsetzung des Veloweggesetzes läuft. Die dafür nötige Infrastruktur kostet einen Bruchteil dessen, was neue Autobahnen kosten. Dennoch will eine Nationalrätin Velofahrende zur Kasse bitten. Ist das berechtigt?
Pete Mijnssen,
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20.11.2025
Kommt die Vignette am Velo zurück? (Foto: Gian Vaitl)
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Als das Parlament vor 15 Jahren die Velovignette abschaffte, waren zwei Drittel der Mitglieder im Nationalrat dafür. «Weg mit dem alten Zopf, zu viel Bürokratie, hohe Verwaltungskosten», hiess es von rechter Seite. Es war denn auch der bürgerliche Ständerat Philipp Stähelin (CVP, heute Mitte), der die parlamentarische Initiative eingereicht hatte. Die Debatte zog sich damals quer durch die Parteien, und die Stossrichtung war klar: Bürgerliche sind für einen schlanken Staat, die Links-Grünen wollen aber zuerst einen Ersatz für die Haftpflichtversicherung, die in der Velovignette enthalten ist. Nachdem ein Ausgleichfonds für Härtefälle geschaffen worden war, stimmten auch viele Linke für die Abschaffung. Inzwischen trauert niemand mehr der alten Vignette nach, nicht einmal Pro Velo.
Nun kommt die Diskussion über eine Abgabe wieder aufs Tapet. Ausgerechnet von rechter Seite. So forderte der SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner – zusammen mit über 40 Mitstreitern – bereits vor drei Jahren: Velofahrer sollten die Infrastrukturkosten für den Veloverkehr möglichst selber tragen. Der Bundesrat war dagegen. Der administrative Aufwand für eine Abgabe sei zu gross, hiess es. «Der Bundesrat sieht derzeit keine Notwendigkeit für die Wiedereinführung der Velovignette.» Die Regierung hatte daran erinnert, dass der Veloverkehr überwiegend auf regionalen Strassen stattfindet, deren Planung, Bau und Unterhalt grösstenteils aus den kommunalen und kantonalen Kassen finanziert werden. Mit anderen Worten: mit Steuern, die auch Velofahrende zahlen.
Noch deutlicher wurde der letztjährige Bericht des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) über die externen Kosten des Verkehrs.Er zeigt auf, dass das Velo der Allgemeinheit rund 25 Rappen pro Kilometer einbringt. Das Auto kostet die Gesellschaft aufgrund ungedeckter Kosten hingegen 17 Rappen pro Kilometer. So weit, so klar.
«Spätestens jetzt, nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau, sollte das Forschungsprojekt eingestampft werden.»
Matthias Aebischer, SP-Nationalrat
Das hielt Bundesrat Albert Rösti nicht davon ab, seinem Bundesamt für Strassen (Astra) grünes Licht für eine Studie über eine mögliche Velosteuer zu geben, nur Tage nach dem Nein der Schweiz zum Autobahn-Ausbau. Das Amt versprach, etwas scheinheilig, «ergebnisoffen» vorzugehen. Jedenfalls war die Debatte neu entfacht. Eine typische Rösti-Finte, wie sie der Magistrat meisterhaft zu spielen versteht. Der Protest der Verkehrsverbände folgte umgehend. Der VCS lehnt das Ansinnen kategorisch ab und wehrt sich gegen die Idee, Velofahrende noch stärker zu belasten. Diese beteiligten sich bereits «heute mehr als angemessen an den Kosten der Infrastruktur», so der VCS. Auch für den damaligen Präsidenten von Pro Velo, den SP-Nationalrat Matthias Aebischer, steht das quer in der Landschaft: «Spätestens jetzt, nach dem Nein zum Autobahn-Ausbau, sollte das Forschungsprojekt eingestampft werden.»
Obwohl die Ergebnisse der Astra-Studie erst nächstes Jahr vorliegen sollen, reichte die Nationalrätin Nina Fehr Düsel (SVP) im Frühling eine Motion ein unter dem Titel «Beitrag der Velofahrenden zur Deckung der Infrastrukturkosten». Damit will sie sie finanziell stärker zur Verantwortung ziehen. In seiner Antwort bezeugt der Bundesrat grundsätzlich Verständnis für die Forderung. Allerdings sieht er bezüglich der Einführung einer Veloabgabe «viele offene Fragen, etwa die Form, die Höhe des Preises, die Ausgestaltung und die Erhebung einer solchen Abgabe. Auch in Bezug auf die Verwendung und Verteilung der Mittel besteht Klärungsbedarf», so der Bundesrat. Als abgeschwächtes Postulat würde die Regierung das Anliegen dennoch entgegennehmen. Vermutlich basierend auf den Ergebnissen der oben erwähnten Astra-Studie.
So könnte der innerstädtische Verkehr in Zukunft aussehen. (Bild: Velokonferenz Schweiz / co.dex production ltd. & Julien Joliat)
Die schwer auszurottende Vorstellung, Velofahrende beteiligten sich zu wenig an der Strassennutzung und «ihren» Infrastrukturen, beschäftigt auch kantonale Parlamente. Vielleicht lag es an der Medienberichterstattung zum Bau von Velovorzugsrouten, dass die Forderung wieder wach wurde, Velofahrende sollten dafür auch bezahlen. Dennoch wurden Vorstösse für eine Velosteuer in den Kantonen Baselland und Luzern kürzlich zurückgewiesen, nicht aber im Kanton Zürich. Mit 69 Stimmen wurde eine Einzelinitiative für eine Veloabgabe im Februar an die Zürcher Regierung überwiesen. Sie muss nun einen Bericht und einen Vorschlag zum Thema erarbeiten, der dann wiederum ins Parlament kommen wird. Die NZZ kommentierte dies so: «Die Veloabgabe, die schon in Luzern, Basel-Landschaft und im Bundesparlament gescheitert ist, dreht nun in Zürich eine nächste Extrarunde durch die staatlichen Institutionen. Bevor sie – zumindest, wenn man die momentanen Mehrheitsverhältnisse zum Massstab nimmt – voraussichtlich wieder scheitern wird.» Pro Velo Zürich sprach von einer «Schnapsidee».
«Das liegt weniger am Verfasser als am Auftrag, dass nur die teuersten Projekte untersucht werden sollten. Ganz in der Tradition, dass in der Verkehrspolitik hauptsächlich Beton und Batzen interessieren. Damit blieb das Velo von Anfang an aussen vor.»
Ursula Wyss, Stadtplanerin
Die Forderung, Velofahrende zur Kasse zu bitten, beruht auf der längst widerlegten Behauptung, dass diese ihre Infrastruktur im Gegensatz zu Autofahrenden nicht selbst finanzierten. Das sagt nicht nur die Velolobby, das ist inzwischen Allgemeinwissen. Jede gut informierte Person in der Schweiz weiss und kann beobachten, dass Veloinfrastruktur grösstenteils durch Steuereinnahmen finanziert wird. Und dass sich diese Investitionen im Gegensatz zum motorisierten Verkehr auszahlen.
Auch der Bund kann bestimmte Veloinfrastrukturen mitfinanzieren. In seiner Antwort auf die inzwischen zurückgezogene Motion von SVP-Nationalrat Giezendanner begründet der Bundesrat dies damit, dass «sichere und attraktive Velowege sowie eine entsprechende Entflechtung letztlich allen Verkehrsteilnehmenden, insbesondere auch dem Auto- und Schwerverkehr, nützen». Derzeit verwendet der Bund etwa 2 Prozent seiner Verkehrsausgaben für die Veloinfrastruktur.
Nachdem das Volk in der Abstimmung vom 24. November 2024 den Ausbau der Autobahnen abgelehnt hatte, konnte die Öffentlichkeit davon ausgehen, dass die Finanzierung des Verkehrs überdacht wird. Bundesrat Albert Rösti erteilte mit dem Projekt «Verkehr 45» der ETH dafür einen Auftrag. Der Bericht von ETH-Professor Weidmann zur Frage, wohin das Geld im Verkehr in den nächsten 20 Jahren fliessen soll, liegt seit ein paar Wochen vor. Dabei liegt der Löwenanteil beim Ausbau der Bahn bei 62,2 Milliarden Franken. An zweiter Stelle folgen Nationalstrassenprojekte in der Höhe von 39,1 Milliarden.
Erst an dritter Stelle kommen die Agglomerationsprojekte in der Höhe von 11,4 Milliarden Franken für Ortsentlastungen und Strassen ausserhalb des Nationalstrassennetzes, neue Tram- und Stadtbahnstrecken, Verkehrsdrehscheiben, Fuss- und Veloverkehrsanlagen.
Warum der Verkehrsträger Velo darin nicht prominenter vorkommt, erklärt sich die frühere Gemeinderätin und Stadtplanerin Ursula Wyss so: «Das liegt weniger am Verfasser als am Auftrag, dass nur die teuersten Projekte untersucht werden sollten. Ganz in der Tradition, dass in der Verkehrspolitik hauptsächlich Beton und Batzen interessieren. Damit blieb das Velo von Anfang an aussen vor.»
Und nun sollen Velofahrende für diese Brosamen auch noch separat zahlen? Das sorgt für Unverständnis und Kopfschütteln. Expertinnen und Experten bezweifeln, dass so das vom Bund gesteckte Ziel, die Verdoppelung der mit dem Velo zurückgelegten Wege bis 2035, erreicht wird. Vielmehr könnte das an sich schon ambitionierte Ziel durch jedes zusätzliche Hindernis infrage gestellt werden. Ganz zu schweigen davon, dass die sanfte Mobilität, zu der das Velo und seine vielfältigen Varianten gehören, eine entscheidende Rolle bei der Reduktion des motorisierten Verkehrs spielen soll.
2012 wurde die Velovignette wegen hoher Verwaltungskosten abgeschafft, nun wollen ausgerechnet dieselben Kreise sie wieder einführen. Selbst der Bundesrat hat dafür Sympathie durchblicken lassen. Man ist offenbar unter dem Deckmantel «Gerechtigkeit» bereit, dafür auch radikale Gedankenspiele in Kauf zu nehmen. Wie es etwa dieser Alltagsvelofahrer formuliert: «Ich wäre bereit, 20 Franken für Veloinfrastruktur zu bezahlen, wenn dann dort kein einziges Auto mehr fährt. Als Velofahrer darf ich ja auch nicht auf die Autobahn». Ein Gedankenspiel, das zeigt, was passieren würde, wenn die Schweiz diese «Wurmbüchse» öffnet. Viel Aufwand und neuer Streit für wenig Ertrag beim Aufwärmen dieser alten Kamellen.
Nationalrätin Nina Fehr Düsel will den Bundesrat mit einer Motion (21.3.2025) verpflichten, zu prüfen, «wie eine Velovignette wieder eingeführt werden könnte, um mit dieser Abgabe einen Teil der Strasseninfrastruktur (für Velowege) zu finanzieren».
Begründung (Auszug)

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