Dres Balmer, Julie Nielsen,
Kultur,
12.11.2024
Das eine Buch zeigt, wie Ausbruch, Freiheit und Subversion Velokulturen inspirieren, das andere unternimmt eine Morgenlandfahrt an der Kante von Klimawandel und Habgier. Im Kinderbuch lernt der Siebenschläfer Velofahren.
Dres Balmer, Julie Nielsen,
Kultur,
12.11.2024
Von Januar bis August 2022 radeln der Journalist Wüstholz und der Fotograf Bichsel von Bern nach Teheran und zurück. Die imposanten 13 000 Kilometer sind aber Nebensache. Wichtiger ist es, so der Untertitel, «Klimareportagen aus dem Sattel» zu erstellen. Die beginnen im Wallis mit fragwürdig geplanten Solaranlagen, in Oberitalien geht es um den Umgang mit industriell verseuchten Böden und Übertourismus. Im Balkan treffen sie auf illegalen Holzschlag, auf all die Sauereien der Ölraffinerien, des Mikroplastiks und des Giftschlamms in den Gewässern, und in Albanien macht die Korruption das Land kaputt. Geschichten und Bilder rauben beim Lesen den Atem, doch es geht weiter: Die nach Bränden waldlose Insel Euböa wird von der Regierung in Athen im Stich gelassen, dann landen die Reporter in Kirazlı in der Westtürkei, wo eine kanadische Minengesellschaft ausgerechnet in einem geschützten Nationalpark schon mal 300 000 Bäume ausgerissen hat, um dort nach Gold zu schürfen. Am orientalischen Wendepunkt suchen die Forscher in den Bergen Irans nach den letzten glazialen Überbleibseln.
Dieses Buch bricht der Leserin und dem Leser das Herz, weil es den Irrsinn der Konsumgesellschaft aufzeigt. Die Reporter beschreiben und bebildern aber nicht nur all die Wunden, sondern auch starke Menschen, die sich der drohenden Apokalypse widersetzen, zum Teil erfolgreich. Der Titel stimmt also.
Florian Wüstholz, Martin Bichsel: Hoffen bleibt erlaubt. www.hoffenbleibterlaubt.ch. Fr. 38.–
Bobo ist ganz aufgeregt. Denn heute wollen er und Papa Bobos erstes Velo kaufen. Schnell hat der kleine Siebenschläfer entschieden, welches Fahrrad ihm am besten gefällt: Das grüne soll es sein, und einen Velohelm bekommt Bobo auch gleich dazu. Am Anfang fährt es sich etwas wacklig, und Bobo stürzt mehrmals. Aber er lässt sich nicht beirren, klettert wieder auf den Sattel und übt fleissig weiter. Auch das Bremsen muss er üben, damit er nicht im Gartenbeet landet und die Blumen plättet. Bald geht es schon ganz gut, und so gehts zum ersten Ausflug auf den Spielplatz. Dort trifft Bobo seine Freundin Fatima. Diese kann richtig gut Velo fahren und dabei sogar winken – ohne zu wackeln.
Auf dem Nachhauseweg hat Mama Siebenschläfer eine Velopanne. Sie ist bei den Glascontainern über eine Scherbe gefahren, der Hinterreifen ist platt. Nun muss sie das Velo schieben. Zum Glück ist es nicht weit. Bobo hat einen aufregenden Tag erlebt und ist
deshalb am Abend richtig müde. Aber ohne seinem Velo «gute Nacht» zu wünschen, will er nicht ins Bett. Er streichelt das neue Rad und schläft glücklich und zufrieden ein.
Im Bilderbuch von Markus Osterwalder geht es ums Velo-Fahren-Lernen. Familie Siebenschläfer ist mit dem Velo unterwegs, Mama fährt mit dem Lastenrad und transportiert darin Bobos kleine Schwester. Und vor der Haustür verläuft sogar ein rot markierter Veloweg. Das erste Velo ist eine aufregende und grosse Sache im Leben eines Kindes, die mit diesem Buch ergänzend besprochen werden kann.
Markus Osterwalder: Bobo Siebenschläfer kann schon Rad fahren. Rotfuchs, Fischer Sauerländer GmbH, Frankfurt am Main, 2024, Fr. 10.90
Auf der ganzen Welt gibt es allerhand Zirkel, Clubs und Cliquen, welche die «kleine Königin» neu erfinden. Die einen zersägen und schweissen ausgediente Velorahmen so zusammen, dass der Mensch knapp über dem Boden saust. Andere streben das Gegenteil an, montieren bis zu neun Kristallrahmen übereinander, so hoch, dass das Hinterteil des Fahrers fünf Meter über dem Grund schwebt. Weitere versehen ihre fettreifigen Maschinen vorne mit einem runden Bügel, um dann mit diesen Gefährten aufeinander loszuradeln und einander umzunieten; oft tun sie das auch wie einst die Ritter im Turnier mit langen Spiessen unter dem Arm. Bei diesen Varianten spielen auch Schminke, Tätowierungen, Kostüme, Masken, Perücken und Rüstungen eine wichtige Rolle, denn sie sind Bühnen zyklistischer Gesamtkunstwerke.
Das ergibt einen prächtigen Bildband mit Fotografien der Spitzenklasse, farbig und schwarzweiss. In acht Kapiteln werden Clubs in Europa und Nordamerika samt ihren Philosophien in kurzen englischen Texten vorgestellt. Mehr Worte braucht es nicht, denn die Bilder sind so intensiv, dass die betrachtende Person in die meist turbulenten Spektakel hineingezogen wird. Für alle Aufführungen gilt, dass diese Pioniere neu erfundener Velo-spielarten weltweit beharrlich und gemeinsam daran sind, rund um den Globus Subkulturen aufzubauen, die mit Vollgas in die Mobilitätsträume der Zukunft rasen.
Anke Fesel, Chris Keller: Easy Rider Road Book. Hotje-Cantz-Verlag, Berlin 2023. Fr. 46.80
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