Ungeschönter Blick auf Strassenraum und Radsport

Warum wurden Radwege nicht eingeführt, um Velofahrende zu schützen, und was erlebt ein Schriftsteller, der den Giro im Auto mitfährt? Die Antworten darauf finden Klein und Gross in diesen zwei Büchern.

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Dres Balmer, Julie Nielsen
Kultur, 20.03.2025

So geht Strasse

Das informative Buch von Kerstin E. Finkelstein erklärt Kindern ab sechs Jahren, wie Verkehr und das Velofahren auf der Strasse funktionieren. Anders als bei vielen Kinderbüchern werden in «So geht Strasse!» der Strassenraum und der Verkehr von der Illustratorin Claire Lenkova so dargestellt, wie sie wirklich sind. Dabei ist es der Autorin gelungen, einerseits die Gefährlichkeit des Verkehrs zu vermitteln und andererseits trotzdem Lust zu machen, mit dem Velo auf der Strasse zu fahren. 

Das Buch ist in übersichtliche Kapitel gegliedert, in denen einzelne Themen wie Verkehrsregeln, Handzeichen, Bremswege oder das Tragen eines Helmes vertieft werden. In einem kurzen geschichtlichen Abriss wird zum Beispiel erklärt, dass Radwege nicht etwa eingeführt wurden, um Velofahrende zu schützen, sondern damit Autofahrende schneller, teilweise sogar ohne Tempolimit, fahren konnten. In einem anderen Kapitel werden die Verkehrsregeln vertieft, und zwei detailreiche Wimmelbilder, gespickt mit vielen Strassen- und Verkehrsszenarien, zeigen, wie sich der Verkehr verändern kann. Die Bilder laden dazu ein, darüber zu diskutieren, wo gefährliche Situationen entstehen können. 

Leider sind die Veloregeln in Deutschland und in der Schweiz nicht ganz gleich. So dürfen Kinder in der Schweiz bis zum Alter von 12 Jahren auf dem Trottoir fahren. Das Verkehrsschild «Fahrradstrasse» gibt es nicht in der Schweiz, und die Angaben
im Kapitel zur Verkehrspolizei sind auf Deutschland bezogen.

Trotzdem ist «So geht Strasse!» ein tolles Buch, durch das Kinder eine realistische Aufklärung erhalten über die Raumaufteilung in der Stadt, und das sie auf das nächste grosse Verkehrsabenteuer vorbereitet.

Kerstin E. Finkelstein: So geht Strasse! Verlagshaus Jacoby & Stuart, Berlin, 2024, Fr. 21.90.

Hinter den Kulissen

 

Fabio Genovesi folgt dem Giro dʼItalia 2013 im Auto und schreibt darüber dieses Buch. Da geht es nicht nur um den Sportanlass, sondern auch um überraschende Begleitphänomene. Etwa dieses: Erstmals fährt ein Profi aus China, Ji Cheng, mit. Er wird begleitet von einem Fernseh-Tross, der die erhofften Heldentaten nach Hause übermitteln soll. Ji Cheng gibt früh auf, doch die Chinesen filmen die italienische Begeisterung an den Strassen unverdrossen weiter, und die Zensur in der Heimat verschläft es. Ein Kameramann erklärt: Bei Rennen in ­China versprengt die Polizei jede Menschengruppe auf den Trottoirs, weil das Regime Volksaufläufe fürchtet. 

Statt Begeisterte stehen dort am Randstein alle 50 Meter bezahlte Aufpasser, die ein wenig in die Kamera klatschen und lächeln. Oder so: Genovesis Akkreditierungsschildchen könnte journalistischen Anstand gefährden. Kaum isst er in einem Restaurant, hocken ihm schon die Lokalpolitiker auf der Pelle, wollen ihm eine Lobeshymne auf ihr Kaff abtrotzen.

Für die Durchfahrt des Peloton, sekundenkurz aus dem Helikopter gefilmt, hat die Gemeinde bezahlt; beglichen wäre dann auch Genovesis Zeche. Dann doch noch Sport: Auf der einen Seite sieht er die seelenlose Powermeter-Fahrerei der Sky-Mannschaft, auf der anderen die mutige Fantasie manch anderer Fahrer. Bradley Wiggins von Sky gibt auf, Vincenzo Nibali kämpft sich durch zum Sieg.

Fabio Genovesi: In meinem Herzen alles Sieger. Covadonga-Verlag, Bielefeld, 2023, Fr. 26.90.