
Pro: Gut für die Umwelt
Um schwere Unfälle zu verhindern, wäre es vernünftig, alle Velos mit Hilfsmotor auf 25 km/h zu drosseln. Das sagte Thomas Hardegger, Präsident Fussverkehr Schweiz und SP-Nationalrat unlängst in «20 Minuten». Eine fatale Forderung. Eine Drosselung würde das Geschäft der Velobranche bremsen, da vor allem die Nachfrage nach schnellen E-Bikes wächst. Zudem würden wahrscheinlich wieder mehr Kunden Auto oder Motorrad als Verkehrsmittel nutzen. Die jüngste Analyse des Weltklimarats der UNO zeigt deutlich auf, wie wichtig es ist, die Treibhausgas-Emissionen der weltweit anschwellenden Verkehrsströme einzudämmen. Gerade das schnelle Elektrovelo hat hier grosses Potenzial.
Dass die Gesetzgebung einen entscheidenden Einfluss auf die Verbreitung des schnellen Elektrovelos hat, zeigt das Beispiel Schweiz. Innerhalb Europas ist das S-Pedelec hierzulande mit fast 20 Prozent Anteil am E-Bike-Markt am beliebtesten. In anderen EU-Ländern liegt der Anteil zwischen 1 und 2 Prozent. Dass die Schweiz lange Jahre das einzige Land in Europa war, in dem schnelle Elektrovelos überhaupt erlaubt waren, verdankt sie dem Basler Tüftler Michael Kutter. 1990 baute er den ersten fahrfähigen Prototypen eines E-Bikes: das «Dolphin», ein S-Pedelec. Für seine erste Kleinserie von 1993 erhielt er eine Strassenzulassung und bereitete damit den Weg für die liberale Schweizer Gesetzgebung.
Die EU als Gesetzgeberin orientiert sich indes an der Fahrraddefinition des Wiener Abkommens der UNO von 1968, die besagt: Das Velo ist ein Fahrzeug, das ausschliesslich über die Muskelkraft des Fahrenden, entweder über Pedale oder Handkurbel, angetrieben wird. Sobald ein noch so kleiner Motor am Velo ist, zählt es zu den Motorfahrzeugen. Auf diese Charakterisierung berief sich auch der Europäische Gerichtshof in einem Urteil von 2014. Demnach müssen alle Kraftfahrzeuge über eine Versicherung verfügen. In der Folge hat die EU verschärfte Richtlinien erarbeitet. Diese sehen vor, dass sämtliche Elektrovelotypen eine Haftpflichtversicherung benötigen. Kommt der Vorschlag durch, würde darunter auch der Absatz von langsamen E-Bikes leiden.
Dominic Redli
Chefredaktor Cyclinfo

Contra: Gefahr für Fussgänger
Wenn E-Bikes dazu beitragen, dass auch längere Strecken mit dem Velo statt mit dem Auto zurückgelegt werden und Menschen trotz eingeschränkter Mobilität weiterhin mit dem Rad unterwegs sein können, ist der Erfolg der E-Bikes zweifellos eine gute Sache. Im dichten Stadtverkehr stellen sie aber auch ein Sicherheitsrisiko dar. Viele Unfälle und Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern belegen, dass die Organisation der Verkehrsflächen nicht stimmt, egal, ob schuldhaftes Verhalten dafür verantwortlich ist oder nicht.
Insbesondere die schnellen E-Bikes sind auf Radwegen fehl am Platz. Sie ergeben sowieso nur dann Sinn, wenn damit längere Arbeitswege ausserhalb der städtischen Zentren regelmässig bewältigt werden. Wer kommt im Stadt- oder Dorfzentrum schon mit 45 km/h vorwärts? Ich begrüsse darum den Entscheid der Verleihfirma Smide, die Höchstgeschwindigkeit ihrer E-Bikes von vornherein von 45 auf 35 km/h zu reduzieren. Bei Leihvelos nutzen auch Personen das Angebot, die weniger geübt sind. Eine generelle E-Bike-Tempodrosselung auf 30 km/h ist im Stadtverkehr sinnvoll und bedeutet keinen Komfortverlust für die NutzerInnen.
Schnelle E-Bikes müssen dann nicht gedrosselt werden, wenn sie dort fahren, wo sie hingehören: auf der Strasse. Dazu müssten sie nicht mehr als Motorfahrräder, sondern als Kleinmotorräder gelten. Und würden dort verkehren, wo höhere Geschwindigkeiten zugelassen sind und von den Verkehrsteilnehmenden erwartet werden. Auch für andere – immer wieder neue – «Fahrzeuge» muss entschieden werden, wo sie im Verkehrsraum zugelassen sind. Wohin gehören E-Trottinette, Hoverboards, Transportroboter, Segways und so weiter? Für die Planer braucht es dazu schnell Entscheide, damit sie die notwendigen Anpassungen bei den Verkehrsflächen projektieren können.
Für mich ist klar: Das Trottoir und die Fussgängerzonen gehören den FussgängerInnen, motorisierte Fahrzeuge haben dort gar nichts zu suchen. Velowege sowie Radstreifen sollten den Velofahrern und motorisierten Fahrzeugen bis 30 km/h zur Verfügung stehen, und der schnelle motorisierte Verkehr (über 30 km/h) gehört auf die Strasse.
Thomas Hardegger
Nationalrat SP, Zürich, Präsident Fussverkehr Schweiz







